Nach Todesschüssen auf Polizei: Lebenslange Haft für „Reichsbürger“

Im Morgengrauen schießt er auf Beamte, ein Polizist stirbt. Für die Tat hat der „Reichsbürger“ aus Mittelfranken jetzt seine Strafe bekommen.

Der Angeklagte Wolfgang P. (M), begrüßt am 23.10.2017 zu Verhandlungsbeginn im Landgericht Nürnberg-Fürth in Nürnberg (Bayern) seine Anwältin Susanne Koller (r).

Mord und zweifach versuchter Mord: Wolfgang P. am Montag im Landgericht Nürnberg-Fürth Foto: dpa

BERLIN taz | Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte am Montag den Reichsbürger Wolfgang P. aus dem bayrischen Georgensgmünd zu lebenslanger Haft – eine bisher einmalige Strafe für einen Anhänger der Szene. Der 50-Jährige hatte im Oktober 2016 einen Polizisten erschossen und zwei verletzt, als diese Waffen in seinem Haus beschlagnahmen wollten. Das Gericht wertete dies als Mord und zweifachen versuchten Mord. G. habe „heimtückisch“ gehandelt. Er habe die Polizisten erwartet und dafür in seinem Schlafzimmer drei Waffen gelagert. Als die Beamten eintrafen, habe er elf Mal „gezielt“ auf sie gefeuert, um einen vermeintlichen „Angriff“ auf sein „Staatsgebiet“ abzuwehren. P.s Verteidiger hatten dem widersprochen und den „dilettantisch“ aufgetretenen Polizisten eine Mitschuld gegeben. Sie hatten auf fahrlässige Tötung plädiert. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert, mit besonderer Schwere der Schuld. Letzteres sah das Gericht nicht. Wolfgang P. nahm das Urteil laut Prozessbeobachtern regungslos auf, blieb demonstrativ sitzen. Er hatte vor der Tat seine Ausweispapiere bei der Gemeinde abgegeben, sein Grundstück als eigenes Staatsgebiet ausgegeben und dort 30 Waffen gehortet.

Der Kontext

Die Schießerei war ein Wendepunkt. Auch weil vorher ein anderer Reichsbürger, Adrian U. aus Sachsen-Anhalt, ebenfalls Polizisten niedergeschossen hatte. Vorher wurde die Szene von den Sicherheitsbehörden als Spinner abgetan. Seit Dezember 2016 nun stehen die Reichsbürger unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Aktuell zählt dieser bundesweit 15.000 Anhänger, 900 davon rechtsextrem. Schwerpunkt ist Bayern, in dem 3.250 Reichsbürger leben. Die Szene ist zersplittert – alle aber eint, dass sie die Bundesrepublik nicht anerkennen, dafür aber eigene Fantasie­staaten. Eine Zusammenarbeit mit Behörden, Gerichten oder der Polizei lehnen die Reichsbürger ab. Zuletzt verstärkten sich auch Widerstands- und Gewaltaufrufe. Die Szene gilt als waffenaffin.

Die Reaktionen

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte das Urteil „hart“. Es werde „der Schwere des brutalen Verbrechens gerecht“. Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher lobte: „Der Rechtsstaat muss rechtsextremistisch motivierter Gewalt konsequent begegnen.“

Die Konsequenz

Der Druck auf die Szene hat sich erhöht. Zuletzt gab es wiederholt Razzien. Auch den Reichsbürger Adrian U. aus Sachsen-Anhalt dürfte ein harte Strafe erwarten: Er ist angeklagt wegen versuchtem Mord. Die Behörden versuchen zudem, den Reichsbürgern ihre Waffen abzunehmen – die viele über Schützenvereine legal erworben haben. Das klappt unterschiedlich gut. Laut Verfassungsschutz haben rund 1.000 Reichsbürger eine Waffenbesitzkarte. Bayern will in der Szene inzwischen 547 Waffen eingesammelt haben. In Sachsen sollen von 718 Reichsbürgern 40 Waffen besitzen. 13 wurden die Erlaubnisse entzogen. Andere Bundesländer sind dagegen noch in der Prüfphase.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.