Nach Todesschüssen auf Polizei: Lebenslange Haft für „Reichsbürger“
Im Morgengrauen schießt er auf Beamte, ein Polizist stirbt. Für die Tat hat der „Reichsbürger“ aus Mittelfranken jetzt seine Strafe bekommen.
Der Kontext
Die Schießerei war ein Wendepunkt. Auch weil vorher ein anderer Reichsbürger, Adrian U. aus Sachsen-Anhalt, ebenfalls Polizisten niedergeschossen hatte. Vorher wurde die Szene von den Sicherheitsbehörden als Spinner abgetan. Seit Dezember 2016 nun stehen die Reichsbürger unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Aktuell zählt dieser bundesweit 15.000 Anhänger, 900 davon rechtsextrem. Schwerpunkt ist Bayern, in dem 3.250 Reichsbürger leben. Die Szene ist zersplittert – alle aber eint, dass sie die Bundesrepublik nicht anerkennen, dafür aber eigene Fantasiestaaten. Eine Zusammenarbeit mit Behörden, Gerichten oder der Polizei lehnen die Reichsbürger ab. Zuletzt verstärkten sich auch Widerstands- und Gewaltaufrufe. Die Szene gilt als waffenaffin.
Die Reaktionen
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte das Urteil „hart“. Es werde „der Schwere des brutalen Verbrechens gerecht“. Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher lobte: „Der Rechtsstaat muss rechtsextremistisch motivierter Gewalt konsequent begegnen.“
Die Konsequenz
Der Druck auf die Szene hat sich erhöht. Zuletzt gab es wiederholt Razzien. Auch den Reichsbürger Adrian U. aus Sachsen-Anhalt dürfte ein harte Strafe erwarten: Er ist angeklagt wegen versuchtem Mord. Die Behörden versuchen zudem, den Reichsbürgern ihre Waffen abzunehmen – die viele über Schützenvereine legal erworben haben. Das klappt unterschiedlich gut. Laut Verfassungsschutz haben rund 1.000 Reichsbürger eine Waffenbesitzkarte. Bayern will in der Szene inzwischen 547 Waffen eingesammelt haben. In Sachsen sollen von 718 Reichsbürgern 40 Waffen besitzen. 13 wurden die Erlaubnisse entzogen. Andere Bundesländer sind dagegen noch in der Prüfphase.
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