Verbot vom „Compact“-Magazin: Gegen ein ganzes Netzwerk
Wer sich nach dem Verbot um Pressefreiheit sorgt, unterschätzt die Gefahr des rechtsextremen Magazins. Sein Ende kann nur der Anfang sein.
A uf der Werbung zum „Tag des Vorfeldes“ ist ein Who is Who der rechtsextremen Mediennetzwerke von Magazinen bis zu Radiosendern angekündigt. Bei der Veranstaltung der AfD Schleswig-Holstein am Samstag dürfte jedoch eines der angekündigten Medien fehlen. Ausgeladen wurde Compact zwar nicht, doch am 16. Juli verbot das Bundesministerium des Inneren (BMI) das rechtsextreme Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer auf Grundlage des Vereinsrechts. Ein Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit?
Nein, vielmehr ein konsequentes Vorgehen gegen einen Networker, der in all seinen Auftritten und Schreiben ein Ziel verfolgt: „Wir wollen einfach das Regime stürzen.“
Allein die angekündigte Teilnahme des Magazins an dem AfD-Event bestätigt deren strategische Intention. Compact wollte an dem Tag mit weiteren Szenepublizist*innen wie Benedikt Kaiser und Szenemedien wie „Trigger FM“ für die AfD das Sag- und Wählbare weiter verschieben. Seit Jahrzehnten bemühen sich Akteure des Rechtsextremismus mit Diskursen und Debatten, die Denk- und Verhaltensweise der Mitte der Gesellschaft zu beeinflussen. Um die bestehenden Verhältnisse zu delegitimieren – und letztlich zu eliminieren.
Die Erfolge der Szene spiegeln sich nicht nur in der Mandatsgewinnung im politischen Raum wider. Es wird auch ein verkürzter Antonio Gramsci kolportiert. In „Kulturkampf von rechts“ empfahl Alain de Benoist, ein französischer Vordenker der Neuen Rechten, 1985 die Strategie des italienischen Marxisten mit einem Bonmot: „Die alte Rechte ist tot. Sie hat es wohl verdient.“ Diesen Gramscismus von rechts forcierte Elsässer schon lange mit seinem Magazin – inklusive Compact TV, einem Shop und Sommerfesten.
Vom Linken zur Front gegen Humanität
Elsässer wurde als linker Publizist bekannt, doch nachdem er den Linken vorwarf, mit Wokeness und Gutmenschentum die „einfachen Leute“ zu verraten, wandte er sich zur Front gegen Humanität. Diese frühe Kritik formulierte später Sahra Wagenknecht ganz ähnlich. Kein Wunder also, dass die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht auf dem Cover der Compact schon als „Die beste Kanzlerin“ gefeiert wurde. Ein ehemaliger Mitstreiter aus dem Kommunistischen Bund (KB) pointierte früh, dass Elsässer das revolutionäre Subjekt „Proletariat“ gegen „Volk“ austauschte. Seitdem hat der Chefredakteur sich mehr und mehr einem ethnischen Volksverständnis zugewandt.
Das ist eine der Positionen, die das BMI in ihrer fast 80-seitigen Begründung für das Verbot anführt. Dieses Verständnis Elsässers führte zu einem radikalen Hass gegen alle nicht „Bio-Deutschen“ und „Links-Versifften“. Eine weitere Begründung des BMI: Die ständig verbreiteten Verschwörungserzählungen, in denen immer wieder auch von „den Juden“ geraunt wurde.
Die stabile Auflagenhöhe, die starke Internetpräsenz und die gut besuchten Veranstaltungen brachten dem Magazin politischen Einfluss und ökonomische Gewinne. Das Magazin wurde zur Radikalisierungsmaschine für viele. Compact gelang es, sich AfD-strömungs- aber auch als spektrumsübergreifend zu etablieren. Es war nie das AfD-Magazin und war es doch. Den radikalen Kurs von Björn Höcke trieb es voran.
Mit Götz Kubitschek gründete Elsässer den Verein „Ein Prozent“, der rechtsextreme Projekte wie die Identitäre Bewegung unterstützt. Deren Posterboy, Martin Sellner, gehörte zu den Stammautoren des Magazins. In einen Video erklärte er: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache.“ Und der Ex-Compact-Redakteur und nun AfD-Bundestagsmitarbeiter Mario Müller ergänzte: „Wir wollen keinen Stehplatz im Salon, sondern ein Ende der Party.“
Nur ein erster Schritt
So reden und schreiben Feinde der Demokratie, die jetzt die fehlenden Meinungsfreiheit beklagen. Elsässer und Co wollen kein offenes Gespräch, sie wollen ein geschlossene Gemeinschaft, ein Ende der parlamentarischen Demokratie und der liberalen Gesellschaft. Wen jetzt also allein die Sorge der Pressefreiheit umtreibt, der könnte die Gefahr des Netzwerks Compact, ihre Strategie und ihre Macht verkennen.
Umberto Eco hat das Paradoxon zum intellektuellen Rechtsextremismus früh formuliert: „Um tolerant zu sein, muss man die Grenzen dessen, was nicht tolerierbar ist, festlegen.“ Das Verbot war also geboten. Die Ultima-Ratio-Maßnahme war die späte Reaktion gegen einen zentralen Player des Rechtsextremismus. Doch das Ende von Compact kann nur ein erster Schritt sein, weitere Grenzziehungen sollten folgen.
Das befreundete Netzwerk um Kubitscheks scheint sich auf jeden Fall schon vorzubereiten, eine organisatorische Umstrukturierung erfolgte bereits. Denn die Verbotsbegründung von Compact dürfte sich Kubitschek als Verleger vom Antaios-Verlag ganz genau durchlesen. Schließlich ließe sich diese auch auf andere übertragen. Zeit sich weitere Publikationsnetzwerke genauer anzuschauen. Schließlich folgen den rechtsextremen Worten schon viel zu lange Taten.
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