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Urteil gegen Sekretärin im KZ StutthofBiologie schlägt Strafjustiz

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Das Urteil im Stutthof-Prozess ist wegweisend – und führt gleichzeitig ins Leere. Denn knapp 80 Jahre nach dem NS-Staat leben fast keine Täter mehr.

Das ehemalige KZ Stutthof Foto: Jan Dzban/dpa

N eunundsiebzig Jahre, drei Monate und zwölf Tage nach der Befreiung vom Nationalsozialismus sind die Voraussetzungen für eine Verfolgung der NS-Verbrecher endlich so weit gediehen, wie es wünschenswert ist.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass, wer in einem KZ gearbeitet hat, auch dann Schuld auf sich geladen hat, wenn er oder sie keine Waffe in der Hand trug, sondern die Massenmorde dienstbeflissen am Schreibtisch und mit der Schreibmaschine begleitete. Das Gericht hat auch klargestellt, dass es nicht unbedingt einer Pistole, einer Schlinge oder des Giftgases Zyklon B bedurfte, um zu morden, sondern dass auch die grausamen Lebensbedingungen für die Häftlinge als Mord zu werten sind.

Dieses Urteil schreibt Rechtsgeschichte und ist zugleich bedeutungslos, jedenfalls soweit es die NS-Täter betrifft. Denn fast 80 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes gibt es keine Täter mehr, die man noch verurteilen könnte. Die Biologie hat die Strafjustiz geschlagen, was so einiges über das Tempo der NS-Aufarbeitung aussagt. Die letzten noch lebenden Beschuldigten sind um die einhundert Jahre alt.

Die meisten Täter blieben unbestraft

Sie werden aller Voraussicht nach davonkommen, so wie das Gros der NS-Täter unbestraft geblieben ist – dank einer schlafmützigen Justiz, die bis zur Jahrtausendwende die allermeisten Beschuldigten laufen ließ. Eine Justiz, die mit der Lüge von der alleinigen Schuld Hitlers, Himmlers und Konsorten aufräumte, passte nicht in die Anfangsjahre der Bundesrepublik.

Wer doch vor Gericht geriet, galt den Richtern, von denen viele zuvor selbst im Dienst der Nationalsozialisten gestanden hatten, oft genug als „Irregeleiteter und Verführter“ und kam mit ein paar Jahren davon – so geschehen 1955 beim Kommandanten des KZ Stutthof, Paul Werner Hoppe, dem Vorgesetzten der jetzt verurteilten Irmgard Furchner.

Das Urteil zeigt, dass sich die Bundesrepublik gewandelt hat

Dennoch hat das Urteil des Bundesgerichtshofs eine weitere Bedeutung über die Rechtsgeschichte hinaus. Es macht gegenüber den Kindern und Kindeskindern der Opfer deutlich, dass sich die Bundesrepublik gewandelt hat. Der Staat entschuldigt die Verbrechen der Nazis nicht länger, er stellt sich nicht schützend vor die Täter. Er verurteilt sie.

Zweitens aber ist dieses Urteil selbstverständlich keines, das man nur auf NS-Straftäter beziehen kann. Auch im Völkerstrafrecht könnte es künftig um furchtbare Lager, grausame Lebensbedingungen und kleine Angestellte, die jene Zustände schaffen, gehen. Und auch dort gilt: Schuld sind nicht nur die hohen Tiere und die bewaffneten Befehlsempfänger, sondern auch diejenigen, die die E-Mails der Mörder bearbeiten und die Zahlungen auf ihre Konten abwickeln.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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37 Kommentare

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  • Wenn man versucht das Urteil auf das Heute zu übertragen, was ja eine Absicht eines Urteils sein muss: Frau F. hat im Alter von 17 Jahren eine Stelle im öffentlichen Dienst, einer Justizvollzugsanstalt nach damaligen Maßstäben angetreten. Damals war bekannt und akzeptiert, dass der Staat das Recht hat Todesurteile zu vollstrecken (In der DDR wurden bis 1981 insgesamt 166 Todesurteile vollstreckt, die Todesstrafe 1987 aufgehoben). Die dazu notwendigen Vorgänge hatte Frau F. auf Anweisung ihres Vorgesetzten zu dokumentieren und weitere Schriftverkehre zu führen. Mit Schließung des Lagers endet ihre Tätigkeit dort. - Eine heute 17-jährige erhält eine begehrte Stelle im Schreibdienst einer heutigen Justizvollzugsanstalt und schreibt wie Frau F. auf Anweisung des Direktors der JVA Anweisungen betreffend die Inhaftierten. Später stellt sich heraus, dass diese Anweisungen strafwürdig waren. Ist das, wie im Fall von Frau F. Beihilfe, muss die Sekretärin des Direktors der JVA ebenfalls bestraft werden ?

  • Man sollte nicht übersehen, dass Irmgard Furchner zu Beginn der NS Diktatur 8 Jahre alt und in der Folge, wie alle diese Jahrgänge der NS Indoktrination ausgesetzt war. Für sie war es auf Grund ihrer altersgemäßen Entwicklung nicht erkennbar, dass der Staat, der sie erzogen hat ein Unrechtsstaat war, sondern sie hat sich wie alle Kinder und Jugendlichen bemüht ihr Leben im Rahmen der gesellschaftlichen und staatlichen Normen gelingen zu lassen. Sie hat im Prozess Reue gezeigt und mitgeteilt , dass sie sich nicht erklären warum sie damals so gehandelt hat. Das ist nicht verwunderlich, denn eine typische Folgen der NS Erziehung, war das Aberziehen der Selbstreflexion. Eine 99-jährige hat eine Lebenserwartung von 2 Jahren, die verhängte Strafe ist also eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ein Unrechtsstaat hat diesem Menschen die Jugend verdorben, dafür muss sie im Alter büssen. Eine bittere Lebensbilanz.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Danke für diesen wichtigen Beitrag.

      Mir fällt es schwer, meinen eigenen Beitrag, "Wie wäre die Sicht: manche der Täter*innen waren "irregeleitet und verführt" und zugleich voll schuldig?", und den Ihren unter einen Hut, also gleichzeitig in mein Weltbild zu bekommen.

  • Schlafmützig war die Justiz keineswegs.



    Vielmehr saßen in den Gerichten, auf den Lehrstühlen der rechtswissenschaftlichen Fakuläten und auch die der Politik noch lange nach 1945 reihenweise die einstigen Täter. Sie hatten sich plötzlich in Widerstandkämpfer verwandelt (die gab es massenweise - besonders auch in der Politik) , in einfache Mitläufer und innerlich Immigrierte (ebenfalls ein Massenphänomen) . Und man sorgte natürlich tatkräftig füreinander. Verfolgt wurde nur dann, wenn es galt, den Schein zu wahren. Ansonsten galt es, unbehelligt zu bleiben, seine Karriere nahlos fortzusetzen und dann einen geruhsamen Lebensabend zu genießen – gepolstert von einer Pension, die natürlich auch die Zeit vor 1945 voll berücksichtigte.

    • @NormalNull:

      Aber Halo “auf den Lehrstühlen der rechtswissenschaftlichen Fakuläten…“

      Eklatantes - erst von Hans-Jochen Vogel - “Mensch - da hatten wir doch keine Ahnung von! Grauenhaft!“* dann zB von mir ab SSem. 68 - Uni Marburg -



      Beispiel - Erich Schwinge - StrafR Prof.



      de.wikipedia.org/wiki/Erich_Schwinge



      “Schwinges und Schwelings Darstellung der Militärjustiz der NS-Zeit wurde erst 1987 durch neue historische Forschungen der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt und Fritz Wüllner widerlegt und fortan als wissenschaftlich unhaltbare Apologetik und schweres Unrecht verharmlosende Schönfärberei kritisiert.“



      & Reschny-Fall



      NS-Täter konnten in der frühen Bundesrepublik mit viel Rücksicht rechnen. Nur selten wurden sie verfolgt und verurteilt. Viele machten Karriere. Wie Erich Schwinge. Eine Parabel.



      Von Helmut Ortner



      www.pressenza.com/...-ehrenwerter-herr/

      unterm——☕️☕️—-*



      “Uni Mbg war die erste die auf war. Ich war 17. Sagt der Professor - is eigentlich bisschen jung für die Uni!“ - “Für die Wehrmacht hat‘s gelangt!“



      “Auch wieder wahr!“



      (Bei Sebastian Haffner wechselten wir elegant das Thema! - 🙀🥳🤭 - ;)

  • Die einzige Möglichkeit, die Angeklagte nach so langer Zeit noch zu verurteilen, bestand juristisch in einer Verurteilung wegen Mordes bzw. der Beihilfe dazu. Wer glaubt denn aber ernsthaft, dass eine Stenotypistin der Beihilfe zum Mord schuldig ist? Das ist in meinen Augen ein klares Fehlurteil, was hoffentlich durch das BVG oder den EuGH korrigiert wird! Die Tatsache, dass die deutsche Justiz über Jahrzehnte in beispielloser Art und Weise darin versagt hat, echte Nazi-Mörder und Menschheitsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, darf nun nicht ins Gegenteil umschlagen - nämlich Sekretärinnen eine Mordabsicht anzudichten.

  • Wie wäre die Sicht: manche der Täter*innen waren "irregeleitet und verführt" und zugleich voll schuldig?

    Dann sparen wir uns die Diskussion über entweder das eine oder das andere.

  • Wenn Sekretärinnen fuer die Taten ihrer Chefs haften, macht sich das auf dem Lohnzettel bemerkbar?

    Ich kann einfach nicht beurteilen, ob sie sich ohne Gefahr fuer sich selbst der Arbeit haette entziehen koennen. Aber solang zu warten bis die Chefs tot sind, um dann die Sekretärinnen zu bestrafen find ich irgendwie falsch.

  • Vielleicht bekommt das Urteil noch in Bezug auf die Toten an der Mauer und den Stacheldrahtverhauen der DDR eine besondere Bedeutung!

  • Wesentliches Kriterium hätte meinem Rechtsempfinden nach sein müssen, ob die aktive Verweigerung der Sekretärin den Posten auszuüben, Einfluss auf die Opferzahlen gehabt hätte. An dieser Stelle bin ich mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob dem so ist. Und wo anfangen und wo aufhören. Letztlich hätte man wohl auch die Küchenhilfe in der Kantine mit vor Gericht stellen müssen. Dass es eine kollektive Verantwortung gibt, steht außer Frage, die Frage ist nur, wo endet die Verantwortungskette dergestalt, dass keine Voraussetzungen für Verurteilung mehr gegeben ist.

    Und wie hier schon geschrieben, was machen wir mit den Staatsanwaltschaften und deren Angestellten, die Jahrzehntelang weggeschaut haben, als die Verfolgung der Schlimmsten noch möglich war. Wie steht es mit deren kollektiver Verantwortung?

  • Die justiz hat es jahrzehnte lang versäumt den ns tätern nachzuspuren und lassen es jetzt an der damaligen jugend aus, vollkommen sinnlos

    • @MontyTonty:

      Sinnlos ist das nicht. Zu spät sehr wohl.

  • Das Landgericht Iztzehoe hat so entschieden. Der BGH hat in dieser Sache nichts geurteilt und nichts entschieden. Der BGH hat die Revision gegen das Urteil von Itzehoe zurück gewiesen

    • @Martin Sauer:

      Die Revision zu verwerfen ist eben auch eine Gerichtsentscheidung und zwar über Revisionsgründe.

  • Damit kann endlich die blilig Ausrede 'Melden befreit' geknackt werden. Ich habe den Spruch immer schon gehasst, da er meist nur das eigene Desinteresse wiedergibt, also eine Ausrede is, mitzumachen.

  • Erst nach 80 Jahren "... sind die Voraussetzungen für eine Verfolgung der NS-Verbrecher endlich so weit gediehen, wie es wünschenswert ist." So lange hat die Gesellschaft gebraucht.

    Wenn sie für ihren Gesinnungswandel gegenüber dem Klimawandel auch 80 Jahre braucht - und wir mal Mitte der 1970er als Startpunkt ansetzen -, dauert es noch bis Mitte der 2050er Jahre, bis wir adäquat antworten. Nachvollziehbar, aber für die physikalischen Atmosphärenvorgänge zu langsam.

  • Sorry - aber Herr Klaus Hillenbrand -



    “ dank einer schlafmützigen Justiz,…“



    Wie - bitte - können Sie bei all Ihrer Kenne - so einen derartigen mit Verlaub!



    Unfug zu Papier bringen!



    Sie wissen - wie ich und alle verständigen Zeitgenossen auch - daß das Gegenteil richtig ist •

    kurz - weiteres erspar ich mir - ob solchen hahnebüchenen Unfugs - den Herr Gereon Asmut ein pasr Blätter weiter - mit unsäglicher “irregeleiteter Justiz“ leicht zu toppen weiß!



    &



    Angesichts dieser Dopplung bei zweier beschlagener taz-Köpfe - stehe ich nicht an - zu konstatieren - wie tief die deutsche Schuldabwehr offensichtlich doch immer noch bis heute gründet!

    • @Lowandorder:

      "daß das Gegenteil richtig ist"



      Bitte?"



      WO DENN?!

      Wo sind denn die ganzen Verurteilten, die sich nach dem WWKII in Argentinien abgesetzt und unbehelligt unter falschem Namen leben durften?



      Warum dauert das Ganze bitte 80!!!!! Jahre?

      Die Justiz ist sehr wohl sehr schlafmützig und Ihr Kommentar mit Verlaub - UNFUG!

      • @AlexMasterP:

        Mit Verlaub - höflich wie ich bin - habe ich ehna längst geantwortet und das offensichtliche Mißverständnis grade gerückt! Woll



        Aber dank dauerQuarantäne sitzen die Modderatistas mal wieder was länger drauf - wa.



        Ärgerlich das Ganze. Überflüssig wie ein Kropf! Braucht kein 🐽 •

        • @Lowandorder:

          Hola! Friends - mal im Ernst in Willi sein Mantel - da selbst eure zwei Edelfedern sich in der Einwertung eines der düsternsten Kapitel Deutscher Geschichte - sich komplett vergaloppieren!



          Ist es zum Versuch der Volksbildung meinen weiterführenden Beitrag endlich einzurücken - statt ihn weiterhin in der Abhängkammer vergammeln zu lassen!



          Auch Klaus Hillenbrand und Gereon Asmuth haben es nicht verdient - sojet



          uner💡tet - weiter durchs Leben zu stolpern! Gellewelle&Wollnichtwoll



          Dialektik der Aufklärung halt! Newahr



          Normal •

    • @Lowandorder:

      Öhm ... von zehntausenden Tätern wurden von der deutschen Justiz ein paar tausend verurteilt

      de.wikipedia.org/wiki/NS-Prozesse

      Tausende lebten vollkomen unbehelligt bis zu ihrem Tode in der Bundesrepublik weiter.

      www.rbb-online.de/...verbrecher_in.html

      www.spiegel.de/ges...rger-a-948817.html

      etc. pp.

      IHRE Behauptungen sind also - sorry - Mumpitz

      • @Kaboom:

        Das also - nennens “schlafmützige Justiz?!“

        Na Mahlzeit - das war abgebrütes - Verhalten! Nothing else



        nur zB



        de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Dreher



        &



        de.wikipedia.org/w...C3%A4hrungsskandal



        Als Verjährungsskandal, auch kalte Verjährung[1] oder kalte Amnestie, wird der Eintritt der Verfolgungsverjährung für NS-Verbrechen mit dem Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG) vom 24. Mai 1968 bezeichnet.



        …Anfangs wollten alle an eine Panne glauben, dass Eduard Dreher unabsichtlich gehandelt habe. Der Bundestag war sich 1969 in der Beschreibung als einer gesetzlichen Panne einig. Im Jahre 1981 schrieb der Staatssekretär Günther Erkel (SPD) an Eduard Dreher, wie sehr er es bedaure, dass dieser Gegenstand von „Anwürfen“ geworden sei. Eduard Dreher antwortete: „Es erfüllt mich mit Befriedigung, dass mir das Haus in dieser unerquicklichen Angelegenheit zur Seite steht.“ Ein direkter Nachweis der Urheberschaft Eduard Drehers ließ sich über lange Zeit wegen der Unzugänglichkeit der Akten nicht führen. „Der zeitgeschichtlichen Forschung bleiben mangels Selbstbekundungen nur Unterstellungen, etwas gehobener ausgedrückt: eine rationale Rekonstruktion…

        • @Lowandorder:

          danke f. d. Link zu dem Verjährungs-Skandal. Wusste ich noch nicht. Ja, das war wirklich nicht schlafmützig, sondern gezieltes Austricksen der Demokratie.

          • @Brombeertee:

            Die Vita von Eduard Dreher mal vorweg.



            So ein Schurkenstück der vxxtraKlasse.



            Fällt dir nicht einfach aus der Hose! Woll



            Selbst so ein excellenter Jurist wie Gustav Heinemann - damals JuMi -“hab‘s gelesen - aber nicht kapiert!“



            Die Bombe einer kalten Amnestie eines Großteils der Täter im OwiG zu verstecken - da mußte erstmal draufkommen! Gelle

            In meinem verschollenen Beitrag habe ich auf das Braunbuch hingewiesen!



            Es war ja keineswegs so - als seien die Verstrickungen der Juristen & Richter Staatsanwälte et al. nicht bekannt gewesen! Newahr



            Als junger VerwR war im ersten Dezernat mit KriegsfolgenR befaßt & staunte nicht schlecht - wie fett Belastete - mit durchweg guten Examina - unter Hintanstellung der Wahrheit ala Merz “mein Opa war kein Nazi!“ - suchten Kohle abzugreifen! Woll



            Da half zum Glück die preußische Aktenführung! Mittels derer die “Erzählungen aus dem Wienerwald“ widerlegt werden konnten.



            Normal Schonn



            In den höheren Etagen aber störte das niemand! Im Gegenteil •

            unterm——servíce



            BRAUNBUCH



            KRIEGS- UND NAZIVERBRECHER IN DER BUNDESREPUBLIK UND IN WESTBERLIN



            STAAT • WIRTSCHAFT • VERWALTUNG • ARMEE • JUSTIZ • WISSENSCHAFT



            www.kpd-ml.org/doc/partei/braunbuch.pdf

            • @Lowandorder:

              ... dass in dem Verjährungs-Skandal der Bundestag nicht sich selbst korrrigiert hat - notfalls nach Inkrafttreten des Gesetzes diesen Punkt rückgängig gemacht, das verwundert. Das wäre dann das Schlafmützige. Oder doch Absicht?

              Ich finde es bei solchen politischen Fällen auch problematisch, dass die Verjährung, die Verhandlungsunfähigkeit oder der Tod zur Einstellung bzw. Nicht-Eröffnung des Hauptverfahrens führt. In den Fällen der NS-Täter*innen wäre es für die Gesellschaft wünschenswert, auch in den genannten Fällen eine Klarheit über die Schuldfrage zu haben. Die Frage der Strafe ist nochmal was anderes.

              Und danke auch für diesen Link.

  • "Zweitens aber ist dieses Urteil selbstverständlich keines, das man nur auf NS-Straftäter beziehen kann. Auch im Völkerstrafrecht könnte es künftig um furchtbare Lager, grausame Lebensbedingungen und kleine Angestellte, die jene Zustände schaffen, gehen. Und auch dort gilt: Schuld sind nicht nur die hohen Tiere..."



    Die echten Tiere werden sich für die Wortwahl nie "bedanken".



    Rechnet man die Helfershelfer zusammen und bezieht auch die Kollaboration unter deutscher Besatzung mit ein, wird das ein unglaublicher und ein auch fast unerträglicher Berg an Schuld, nicht mehr abgeladen und abgearbeitet durch die großen Prozesse, sondern versteckt und ignoriert durch Unterlassung von Ermittlungen.



    Beide deutsche Staaten mit demselben Dilemma:



    "Die SED hatte ein ähnliches Problem wie die Bundesrepublik



    Es gab zu viele ehemalige Nazis und Mitläufer, um ein Staatswesen ohne sie aufzubauen. Schon 1951 hatte die Partei anlässlich einer internen Untersuchung selbst in ihren eigenen Reihen etwa 200.000 Alt-Nazis gezählt. Darunter auch Ernst Melsheimer, bis 1945 im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, ab 1945 in der KPD und ab 1949 Generalstaatsanwalt der DDR."



    Quelle: deutschlandfunkkultur.de

  • Nun ist es also gesellschaftlicher Konsens in diesem Lande geworden, dass eine Minderjährige, die in einer Diktatur aufwuchs, mitverantwortlich ist, wenn sie als Sekretärin in einem KZ arbeitete. Ich empfinde das als schwierigen Grenzfall, aber das Gericht wird es sich sicher auch nicht leicht gemacht haben und das ist also so erstmal grundsätzlich in Ordnung.

    Aber: Wenn man solchen Verfolgungseifer nach einem Dreivierteljahrhundert gegenüber einer Schreibkraft an den Tag legt, dann müsste man doch mit mindestens ebensoviel Eifer jeden einzelnen Staatsanwalt, der seit 1949 im Dienst war, wegen Strafvereitelung im Amt dafür verfolgen, dass er eben nicht solchen Eifer an den Tag legte, als man noch der großen Naziverbrecher hätte habhaft werden können. Die durften dann Richter und Ministerpräsidenten werden.

    Solange das nicht geschieht, sehe ich als Grund für dieses Urteil eher Profilierungssucht als ernsthaftes Aufarbeitungsbedürfnis.

    • @Ephraim Nathansson:

      Möchte Ihnen zustimmen. Das wirkt wie Profilierungssucht einer Justiz , die zu spät gekommen ist. Frau F. hatte, wie viele Kinder ihres Jahrgangs keine Möglichkeit sich anders zu entwickeln Das muss man im Jugenstrafrecht berücksichtigen. Ich habe mich gewundert auch über die Höhe des Strafmaßes. Das ist faktisch eine lebenslange Freiheitsstrafe, die es im Jugendstrafrecht gar nicht geben darf. Insoweit habe ich persönlich Schwierigkeiten damit das Urteil als grundsätzlich in Ordnung zu bezeichnen.

  • Ein Urteil,ja. Aber das Rechtsempfinden rebelliert: ein halbes Jahrhundert zu spät.

  • Wir haben jetzt ein Urteil, welches unserer Verfassung und unserem Rechtsempfinden entspricht. Dort sitzen Richter, die fest in unserer Demokratie verankert sind.



    Ja, die Biologie hat gesiegt, die alten Nazis sind tit. Endlich.



    Wer hat denn ernsthaft erwartet, dass nach Jugendstrafrecht irgendetwas bemerkenswertes als Strafe rauskommt?

    Die Angeklagte hat vor der Menschheit versagt. Zuerst, als sie als kleine Streberin zur Mittäterin am Massenmord wurde, dann als sie sich weigerte, ihre Schuld einzugestehen. Sie,.wie viele andere, schuldete unserer Nation das Bekenntnis, damit Taten sich nicht wiederholen. Sie hat wieder versagt. Das Urteil werden wir noch lange zitieren, sie möge vergessen werden.

    Dieses Urteil ist eine klare Absage an alle feigen Mitläufer- und Mittäter- und "Nixgewussthaben"- Lügen, die wir so satt haben. Ein Grund zum Feiern!

    Dieses Urteil werden wir brauchen, wenn die neuen feigen Mittäter der AfD Welle zur Rechenschaft gezogen werden. Du konntest dich mit A....kriecherei früher vielleicht rausreden, heute nicht.

    Wollen wir jammern und die Demokratie als "Überbau" schlecht reden oder das erreichte feiern und weiter vorankommen?

    • @Tazmahall:

      Ich habe bisher zwei Diktaturen erlebt (DDR und China) und finde es bemerkenswert, wenn sich jemand in seinem demokratischen Sessel gemütlich macht und aus dieser Perspektive über Menschen aus einem völlig anderen System urteilt, deren Lebenssituation und Motivation völlig unbekannt sind. Die moralisch Erhabenen hätten - in der Zeit aufgewachsen - sicher heldenhaft gegen das Regime gekämpft und im Nachgang noch die AfD besiegt.

    • @Tazmahall:

      Es ist sehr einfach, eine damals 18-jährige Sekretärin als „kleine Streberin, die zur Mittäterin am Massenmord wurde“ zu bezeichnen, während die wahren Täter jahrzehntelang von der Bonner Republik geschützt wurden, mit Konrad Adenauer als erster.

      Andererseits haben Götz Aly und andere deutsche Historiker gezeigt, dass sich die deutsche Bevölkerung der Grausamkeit deutscher Soldaten an der Ostfront und des Holocaust bewusst war. Die Ausrede „Davon wussten wir nichts“ trifft nicht zu (lesen Sie die gesamte Biografie, die der bpb zu diesem Thema vorliegt). Und obwohl sie wussten, was geschah, backten deutsche Bäcker Brötchen für die netten Nazis und die korrekten Wehrmachtsoffiziere, die freundlicherweise vorbeikamen, um sie zu kaufen. Alle wussten "davon", und trotzdem wurden in Cafés und Restaurants in ganz Deutschland die Nazis und Wehrmachtsangehörige bedient. Alle in Deutschland haben ihren benachbarten Nazi- oder Wehrmachtssoldaten auf der Straße begrüßt. Warum eigentlich musste eine 18-jährige Sekretärin rebellieren, wenn das vor ihr noch niemand in ganz Deutschland getan hatte und auch niemand tun würde?

      • @Bescheidener Kunsthandwerker:

        Möchte Ihnen zustimmen. Es wird in alle Kommentaren übersehen , dass Frau F. zu Beginn der NS- Diktatur 8 Jahr alt war und somit den totalitären Erziehungsmethoden ausgesetzt war. Die ersten NS - Gesetze waren von 1933 (Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses) , die Eltern haben ihre Kinder von daher dazu angehalten auf gar keinen Fall aufzufallen, weil es schlicht und einfach z.B. wegen der Aktion T4 lebensgefährlich war. Überspitzt wirft das Urteil einer 8 - jährigen vor, dass sie sich nicht dem antifaschistischen Widerstand angeschlossen hat. Das ist in Schreibtischurteil, wie es, besonders im Jugendstrafrecht nicht sein soll.

      • @Bescheidener Kunsthandwerker:

        Tja, warum hat nur die Gruppe um die Geschwister Scholl, die Edelweißpiraten und ein Georg Elser nur rebelliert, „wenn das noch niemand in ganz Deutschland getan hatte und auch niemand tun würde?“

        • @MBG:

          Frau Furchner ist Jahrgang 1925, Georg Elser war Jahrgang 1903, Hans Fritz Scholl war Jahrgang 1918, Sophie Scholl Jahrgang 1922. Die "Edelweißpiraten" waren zwischen Jahrgang 1903 und 1928 und wurden 1944 öffentlich ermordet, 400 Schaulustige waren anwesend. Warum haben 400 Schaulustige das Massaker nicht verhindert ? Hans und Sophie Scholl wurden 1943 ermordet , Georg Elser wartete in Dachau auf sein Todesurteil. Das war bekannt, das war die Lage. Wollten Sie als 16 - jähriger so enden, hätten Sie das Ihren Angehörigen gewünscht ?

  • Klar, das dürfte es jetzt gewesen sein.



    Das Zeichen ist viel zu spät gesetzt, aber ist gesetzt: Opa war zuweilen ein gehorsamer Mörder. Damit müssen wir leben, daraus können wir aber auch lernen.



    Etwa erneute rassistische Abwertung nicht mehr zuzulassen.

  • "Sie werden aller Voraussicht nach davonkommen, so wie das Gros der NS-Täter unbestraft geblieben ist – dank einer schlafmützigen Justiz, die bis zur Jahrtausendwende die allermeisten Beschuldigten laufen ließ."

    Das ist zwar richtig, aber eben auch nur ein Teil der Geschichte. Zur ganzen Geschichte gehört, dass man im Zuge der Entnazifizierung - noch unter allierter Aufsicht - beschlossen hatte, die schweren Fälle zunächst zurückzustellen, um die Zahl der millionenfachen Mitläufer möglichst schnell abarbeiten zu können. Aus verschiedenen Gründen ist die Entnazifizierung dann streckenweise ziemlich desaströs verlaufen, so dass sich auch die allgemeine Stimmung, die zunächst zustimmend war, schließlich gegen jede Aufarbeitung wendete. Das kulminierte in regelrechten Kampagnen der Kirchen für Leute wie den SS-Gruppenführer Ohlendorf (verantwortlich für ca. 90000 Morde), dessen Todesurteil nur vollstreckt wurde, weil sich die Amerikaner in diesem Fall strikt gegen eine Begnadigung sperrten. Aber es war eben leider diese Öffentlichkeit und diese allgemeine Stimmung, die das ideale Klima für eine vielfach noch tiefbraune Justiz schufen.