Untersuchungsausschuss zu Wirecard-Pleite: Überflüssiges Gremium
Der Untersuchungsausschuss zu Wirecard ist unnötig. Auch ohne ihn ist klar: Versagt haben die Wirtschaftsprüfer.
D ie Pleite des DAX-Konzerns Wirecard war zweifellos ein Skandal. Doch so erstaunlich es klingen mag: Nicht jeder Skandal rechtfertigt einen Untersuchungsausschuss. Es ist überflüssig, dass Grüne, FDP und Linke jetzt ein Extragremium zu Wirecard einsetzen wollen.
Die Opposition spricht zwar davon, dass sie dann „noch mehr“ Zeugen befragen und „noch mehr“ Akten einsehen könnte. Doch diese zusätzlichen Befragungsrunden werden keine neuen Erkenntnisse zutage fördern. Die Lage ist nämlich recht eindeutig: Das Bundeskanzleramt wusste von nichts; im Finanzministerium wusste man nur, was in der Zeitung stand; und die Finanzaufsicht Bafin war nicht wirklich zuständig und hat ansonsten gepennt. An diesen bedauerlichen Tatsachen wird sich auch nichts ändern, wenn man „noch mehr“ Zeugen befragt.
Zudem lag das zentrale Problem nicht bei der Bundesregierung – sondern bei den Wirtschaftsprüfern. EY hat Wirecard zehn Jahre lang durchleuchtet und die Bilanzen jedes Mal als ordnungsgemäß testiert. Wenn aber den Prüfern nichts auffällt, ist es schwer, von außen Unregelmäßigkeiten zu entdecken. Denn die Prüfer sind die Einzigen, die alle wichtigen Kontobewegungen systematisch nachvollziehen. Die Regierung für die Fehler bei Wirecard verantwortlich zu machen, ist ungefähr so, als würde man der Polizei die Schuld geben, wenn ein Dieb einen Laden ausräumt.
Wie seltsam ein Untersuchungsausschuss zu Wirecard ist, zeigt auch ein Vergleich mit anderen Untersuchungsausschüssen. Momentan befasst sich zum Beispiel ein Sondergremium mit der Pkw-Maut. Und zwar völlig zu Recht. Hier hat Verkehrsminister Andreas Scheuer schwere Fehler gemacht, die den Steuerzahler am Ende bis zu 560 Millionen Euro kosten dürften. Es könnten aber auch noch mehr werden.
Blauäugige Kreditvergabe
Die Vorgänge bei Wirecard liegen hingegen völlig anders. Dort haben nicht Minister versagt, sondern die Wirtschaftsprüfer. Und es wurden nicht die Steuerzahler geschädigt, sondern vor allem jene Banken, die blauäugig Kredite an Wirecard vergeben haben.
Natürlich muss die Politik auf den Skandal reagieren. Aber nicht durch einen Untersuchungsausschuss. Stattdessen stellt sich die Frage, wie man einen ähnlichen Betrug künftig verhindern kann. Vorschläge gibt es genug. Um nur eine Idee zu nennen: Man könnte Whistleblower belohnen, damit sich kritische Insider frühzeitig an die Behörden wenden. Aber um diese Vorschläge zu diskutieren, reicht der Finanzausschuss des Bundestags völlig aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann