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Unteilbar-Aktivistin zu Sachsen-Anhalt„Zivilgesellschaft ist in Gefahr“

Das Bündnis Unteilbar mobilisiert zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Initiatorin Susanne Wiedemeyer über mögliche Folgen, sollte die AfD stärkste Kraft werden.

Nicht zu übersehen: AfD-Wahlplakate an der B71 in Magdeburg Foto: Michael Taeger/imago
Sarah Ulrich
Interview von Sarah Ulrich

taz: Frau Wiedemeyer, zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat das Unteilbar-Bündnis eine Kampagne gestartet. In Ihrem Aufruf sprechen Sie von einer „drohenden Regierungsbeeinflussung durch die extreme Rechte.“ Wie sieht denn die politische Lage in Sachsen-Anhalt kurz vor der Wahl aus?

Susanne Wiedemeyer: Untersuchungen belegen, dass es eine bestimmte Klientel gibt, das rechtspopulistische, extreme, menschenfeindliche Einstellungen hat. Wir gehen aktuell davon aus, dass die AfD bei den Wahlen etwa 25 Prozent haben wird. Insgesamt ist unsere Einschätzung, dass die extreme Rechte keinen vermehrten Zulauf hat, aber da die CDU Rückgänge verzeichnen muss, verschieben sich die Kräfteverhältnisse, und die AfD könnte die stärkste Fraktion im Landtag stellen. Was wir auch nicht einschätzen können, ist, wie viele Leute zusätzlich noch aus Protest wählen, weil sie die Nase voll haben.

Die Nase voll wovon?

Von den Coronamaßnahmen. Der Wind dagegen ist zwar nicht so groß wie in anderen ostdeutschen Bundesländern, aber es könnte dennoch sein, dass die Protestwähler in diese Richtung kippen. Unsere große Angst ist, dass die AfD stärkste Partei wird, auch, weil die CDU schwächelt.

In einer neuen Umfrage liegt die AfD tatsächlich vorn. Was würde ein solches Ergebnis bei der Wahl bedeuten?

Die AfD könnte die Gelder für wichtige Demokratiearbeit streichen. Insbesondere für kleine Vereine, die die Basis unserer Zivilgesellschaft bilden, ist diese Lage bedrohlich. Ohne die Gelder gibt es weniger Vielfalt, und zahlreiche wichtige Projekte und Vorhaben könnten nicht umgesetzt werden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht gegeneinander ausgespielt werden und uns gemeinsam dagegen wehren. Die mühsam aufgebaute und sehr aktive Zivilgesellschaft in Sachsen-Anhalt ist damit in Gefahr.

Schon 2017 stimmte die CDU gemeinsam mit der AfD für die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Thema „Linksextremismus“. Welche Probleme für die Vereine gab es da?

Es gab immer wieder Anfragen bei Vereinen, denen unwahre Dinge unterstellt wurden, was die Arbeit erschwert und blockiert hat. Die Drohung der AfD ist, Anträge im Landtag zu stellen, damit die Gelder für die Vereine gestrichen werden. Um dagegen gemeinsam handeln zu können und sich gegenseitig den Rücken zu stärken, haben wir das Bündnis aufgebaut.

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Um welche Arbeit geht es da konkret?

Zum Beispiel der Verein „Miteinander“. Das ist eine der Strukturen, die sich seit Jahren mit Rechtsextremismus im Land beschäftigen und sehr wichtige Arbeit für Demokratiebildung leisten. Unter anderem gewährleistet der Verein eine Beratung für Opfer rassistischer Angriffe. Außerdem gibt es unterschiedliche Beratungsstellen, zum Beispiel für kleine Bündnisse, die auf die Vielfalt in ihrem Dorf aufmerksam machen wollen.

Sachsen-Anhalt ist als Land der Nicht-Wähler:innen bekannt. Bei der letzten Landtagswahl lag die Wahlbeteiligung gerade mal bei 55,8 Prozent. Eine aktuelle Statistik besagt außerdem, dass vor allem von den jungen Menschen sehr wenige wählen gehen. Wie wollen Sie die Nicht-Wähler:innen mobilisieren?

Unsere Aktionen stehen unter dem Titel „Solidarität statt Ausgrenzung.“ Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass es in Sachsen-Anhalt eine solidarische Zivilgesellschaft gibt, die sich aktiv einbringt und in ihrer Vielfalt zusammensteht. Im besten Fall wollen wir verhindern, dass mehr Menschen die extreme Rechte wählen.

Weiterhin muss klar sein, dass auf keinen Fall irgendeine Partei mit der extremen Rechten Sondierungen oder Verhandlungen aufnehmen darf. Ich kann nur immer wieder betonen, dass man wählen gehen soll – und demokratisch wählen muss. Wir können zwar keine Großveranstaltungen durchführen, haben im Rahmen der Kampagne aber pandemiekonforme Veranstaltungen geplant.

Dirk Mahler/DGB
Im Interview: Susanne Wiedemeyer

ist stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirk Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt. Außerdem leitet sie das Landesbüro in Sachsen-Anhalt. Sie ist eine der In­itia­to­r:in­nen des „Unteilbar“-Bündnisses in Sachsen-Anhalt.

Zum Beispiel?

Wir haben bereits im April unsere Auftaktveranstaltung durchgeführt. Am 29.5. wollen wir dann in Halle ein „Band der Solidarität“ knüpfen. Verschiedene Aktionsorte werden im Rahmen einer Menschenkette verbunden. Es wird ebenso ein Gesamtbühnenprogramm geben, welches über ein freies Radio ausgestrahlt und punktuell im Internet gestreamt wird.

Außerdem machen wir viel in den einzelnen Organisationen vor Ort, damit erreichen wir auch viele Menschen. Aktuell haben bereits 150 Organisationen und Einzelpersonen unterschrieben, von „Omas gegen Rechts“ über Gewerkschaften bis hin zu Pro Asyl und der AWO.

Halten Sie es denn auch für möglich, dass die CDU trotz ihrer betonten Abgrenzung zur AfD kippen kann und womöglich doch ein Bündnis mit den Rechten eingeht?

Ich hoffe ganz fest, dass das nicht passieren wird und die CDU weiterhin zu ihren klaren Beschlüssen steht. Aber je stärker die AfD wird, desto größer ist das Restrisiko, dass andere Regierungsszenarien in der Diskussion aufkommen.

Was braucht Sachsen-Anhalt für die Zukunft?

Eine offene und solidarische Gesellschaft, die andere Menschen aus anderen Ländern Willkommen heißt. Außerdem gute Arbeitsplätze, die gut bezahlt werden und bei denen es keinen Ost-West-Unterschied gibt – sonst hat man das Gefühl, dass man Bürger zweiter Klasse ist.

Und es muss uns gelingen, die Transformation für den Strukturwandel gut hinzubekommen. Wir müssen neue Industriearbeitsplätze in den Regionen schaffen, wo andere wegfallen. Natürlich geht es auch schon mit der Jugendarbeit los – wir brauchen ebenso auch gut ausgestattete Schulen. Insgesamt müssen alle Angebote der Daseinsvorsorge gestärkt werden, gerade auch um die Pandemiefolgen abzumildern. Es muss ein lebenswertes Land bleiben.

Ist es das denn?

Ich finde schon. Ich bin da positiv gestimmt und sage: Wir kriegen das hin. Wenn ich das nicht tun würde, müsste ich meine Koffer packen.

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19 Kommentare

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  • Mich verunsichert immer mehr die Tatsache, dass es massenhaft "zivilgesellschaftliche" Organisationen gibt, die nur durch Staatsknete überleben können. Was ist das für eine Gesellschaft, die mit Steuergeldern Organisationen finanziert, die letztendlich auch nur die Machtstrukturen zementieren?

    Die beste Werbung für die AfD machen deren Gegner, indem sie jeden Furz skandalisieren und deren Wählerschaft von oben abkanzeln als Nazis.

    Gegen faschistische Ideoloigie hilft nur eine konsequente demokratische Praxis und kein aufgeblähtes Parlament mit abgedroschenen BerufspolitikerInnen. Wir brauchen DRINGEND mehr Demokratie.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    "Sachsen-Anhalt ist als Land der Nicht-Wähler:innen bekannt. Bei der letzten Landtagswahl lag die Wahlbeteiligung gerade mal bei 55,8 Prozent."



    Von der Schweiz weiß man, daß in jedem Kanton der jeweils eigene Dialekt gesprochen wird, die Amtssprache aber Schriftdeutsch (schweizer) ist.



    Vielleicht sollt man es in Sachsen-Anhalt mal andersrum probieren.



    Die CDU in S-A wird kippen. Kurz- bis mittelfristig die gesamte CxU. Auch wenn's nur ein Verein ist:



    taz.de/Maassen-Fre...Max-Otte/!5771529/

  • Wir denken auch, dass alle, die nicht wollen, dass die Blau-Braunen in Sachsen-Anhalt stärkste Kraft werden, ihr Kreuzchen bei Haseloff setzen sollten.

  • Die Zivilgesellschaft wird durch vieles gefährdet, aber sicher nicht durch eine demokratische Wahl. Wer solche Parolen raushaut sollte seinen Tunnel ganz schnell verlassen, sonst wird er selbst ein Problem für die Zivilgesellschaft.

    • @TazTiz:

      Das kommt darauf an, würde ich meinen. Die Nazis wurden auch gewählt und bürgerliche Parteien halfen ihnen dabei parlamentarische letzte Demokratie-Reste auszuhebeln und eine Diktatur zu errichten. U.a. Oppositionelle wurden in Folge verfolgt ...



      Auch aktuell fragt sich, wie sich die bürgerlichen Parteien verhalten. Rücken sie nach rechts? Gängeln sie selbst Widerstand gegen Nazis, weil sie den Widerstand als "linksextrem" deuten, mit rechts gleichsetzen und bekämpfen ...

  • Es ist wirklich schade, dass man argumentativ zwandsläufig in den Dunstkreis der AfD gerät, wenn man gegen die Ausführungen von Frau Wiedemayer argumentiert.

    Das liegt zum einen daran, dass die AfD in altbekannter Manier populistische Allgemeinplätze besetzt und zum anderen daran, dass man natürlich niemals einer Meinung mit denen sein darf.

    Und damit verfällt man in eine argumentative Dackellähmung - und genau das ist das Ziel der AfD-Taktik.

    Aber mal zu den Fakten: Die CDU hat zurecht Angst.



    Aber das liegt nicht an der AfD sondern an ihr selbst.



    Der Wähler ist ja vielleicht dumm - aber dass die CDU ja offenbar ganz bewusst den Corona-Abzockern Tür und Tor öffnet ist ja jetzt wieder rausgekommen.



    Und der Coronatest-Betrug ist ja nur das neueste Blümchen auf dieser Wiese.

    • @Bolzkopf:

      Die rhetorische Figure zunächst zu raunen, man dürfe dieses oder jenes ja gar nicht sagen, nur um es im nächsten Satz dann doch auszusprechen und zwar mit der maximalen Konsequenz Widerspruch ertragen zu müssen, weckt bei mir in der Tat Assoziationen zu gewissen Kreisen.



      Weder die korrupten Geschäftspraktiken einiger Unions-Politiker*innen noch der Abrechnungsbetrug mancher Firmen mit Corona-Tests sind eine valide Begründung oder Rechtfertigung dafür Rechtsradikale zu wählen.

      • @Ingo Bernable:

        Das ist wahr - es ist kein Grund rechts zu wählen (es gibt ja gottlob genug andere...)



        Aber die Rechtswähler nutzen das natürlich als willkommene Rechtfertigung.

  • Auch ohne die AfD wird die Luft für Vereine, die nur aufgrund von Fördermitteln existieren, knapper werden. Die Mittel werden knapper aufgrund leerer Kassen.

  • Wenn die AfD auf Kosten anderer Parteien Stimmen gewinnt, muss dagegen angearbeitet werden. Andernfalls besteht die Gefahr einer Regierungsbeteiligung, die von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler nicht gewünscht wird und der jungen Demokratie in den östlichen Bundesländern massiven Schaden zufügen würde. Die aussichtsreichste Strategie in diesem Kampf wäre eine Profilschärfung der demokratischen Angebote.

  • "dass die CDU trotz ihrer betonten Abgrenzung zur AfD kippen kann und womöglich doch ein Bündnis mit den Rechten eingeht?"

    Auch die CxU ist klar rechts... nicht so national, nicht so faschistisch, aber rechts

    • @danny schneider:

      Alles eine Frage des Standpunktes. Für einen überzeugten Marxistischen ist vermutlich auch "Die Linke" rechts. Man darf halt nicht vergesden: rechts sein ist in diesem Land nicht per se verboten, solange man nicht soweit rechts ist, dass man sich außerhalb der verfassungsgemäßen Ordnung bewegt oder gegen andere Gesetze verstößt.

  • Nun ja, bleiben wir mal auf dem Teppich. Sachsen-Anhalt hat - wie andere ostdeutsche Länder auch - einen hohen AfD-Wähleranteil, der aber ein Viertel nicht überschreitet. Und es sieht bisher danach aus, dass es dabei bleiben wird. Ich schätze auch nicht, dass fehlende Industriearbeitsplätze, Westlohn-Abstand etc. für die AfD-Entwicklung ursächlich wäre; das ist bspw. in Sachsen mit vielen Industrie-Ansiedlungen erheblich anders und trotzdem hat man dort dasselbe politische Problem.



    Kritischer für Sachsen-Anhalt ist eher die Rechtsaußenfraktion innerhalb der CDU - siehe die Entwicklung in Sachen Rundfunkgebühr, die diese Fraktion fast zerrissen hätte. Denen traue ich alles zu.

    • @Claudio:

      "Mit Glück" (das mensch das bei 25 % für eine Fascho-Partei mal sagen würde) womöglich kann das für diese Wahl zu treffen. Und zukünftig?



      Ihre Sorge um das Verhalten der CDU hingegen kann ich nachvollziehen.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Solche Vereine müssen sich unabhängig machen von staatlichen Geldern! Keine Gelder annehmen und Spenden sammeln! Nur so ist eine unabhängige Arbeit möglich.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Sehe ich genauso. Eine "Zivilgesellschaft", die auf Staatsknete angewiesen ist und im Zweifel die Schere im Kopf hat, damit die jeweilige Regierung sie weiter lieb hat und die Gelder nicht streicht, ist wenig wert.

      Abgesehen davon: Die AfD kann, auch wenn sie stärkste Partei wird, keine Mittel streichen. Dafür bräuchte sie eine Mehrheit im Landtag, und die bekommt sie nur dann, wenn andere Fraktionen mit ihr stimmen.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @02854 (Profil gelöscht):

      ... so bleibt gleich mehr Staatsknete für die AfD.



      Andere Möglichkeit: als Partei organisieren. Da ist die Finanzierung gesichert und man kann tun und lassen was man möchte.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Offensichtlich noch nie in solch einem Verein oder Initiative mitgearbeitet. Spenden für solche Organisationen sind in der Regel für den hohlen Zahn. Das reicht noch nicht einmal für die Raummiete einer Beratungsstelle.

      • @Andreas J:

        Genau so ist es. Deswegen sind solche Vereine auch nur die verlängerte Werkbank der Regierenden. Hat wenig mit Engagement oder Bürgerwillen zu tun. Da sollte frau sich durchaus mal ehrlich machen.

        Außerdem: Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe. Dass die Regierenden immer die gleichen bleiben, ist in einer Demokratie eben nicht ausgemacht.