Union streitet über BSW: Oops, er hat es wieder getan
CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnet das BSW als links- und rechtsextrem und schließt eine Zusammenarbeit aus. Die Ost-CDU hält davon nicht viel.
Das BSW war bei der Europawahl im Osten mit 14 Prozent drittstärkste Kraft geworden. Im Herbst wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. In Thüringen und Sachsen bekamen AfD, BSW und Linkspartei bei der Europawahl mehr als 50 Prozent. Mit wem die CDU dort im Herbst regieren will, sagte Merz nicht.
Der CDU-Vorsitzende ist berüchtigt für spontane, erklärungsbedürftige Eingebungen in Interviews. So bezeichnete er ukrainische Flüchtlinge 2023 als „Sozialtouristen“ – und musste sich später dafür entschuldigen. Kritik aus der CDU hagelte es auch, als Merz behauptete, Deutsche würden keine Zahnarzttermine bekommen, weil abgelehnte Asylbewerber sich in Deutschland die Zähne machen ließen. Bei dem BSW-Statement handelt es sich offenbar um einen weiteren Zahnarzt-Moment des CDU-Vorsitzenden, der Kanzlerkandidat werden will.
So ruderte Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, am Dienstag zurück. Koalitionen mit dem BSW halte er nicht für möglich – und schob nach: „heute“. Beim BSW kenne man Sahra Wagenknecht. Es sei noch zu früh, die neue Partei politisch einzuschätzen. Daher sei es falsch, „schon alles a priori auszuschließen“. Ähnlich argumentieren seit Monaten CDU-Politiker*innen aus Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die damit oft nicht zitiert werden wollen. Denn allen ist klar, dass die Lage nach den Landtagswahlen im September wegen hoher AfD-Werte sehr kompliziert werden kann.
Wanderwitz auf X
Unterstützung bekam Merz von Marco Wanderwitz, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Sachsen und Ex-Ostbeauftragter der Bundesregierung: „Friedrich Merz hat absolut recht. Gut, dass er es ausspricht“, so Wanderwitz auf X. „Frau Wagenknecht hatte es noch nie mit der Demokratie.“
Doch Wanderwitz ist eine Einzelstimme. Mario Voigt, CDU-Chef in Thüringen, wies Merz’ neuen Kurs deutlich zurück. Voigt lobte die BSW-Politikerin Katja Wolf als „pragmatische Kommunalpolitikerin“. Wolf, bislang Oberbürgermeisterin in Eisenach, war von der Linkspartei zum BSW gewechselt. Das BSW sei in Sachen „Migrations- und in der Bildungspolitik“ vernünftiger als die Grünen, so Voigt. Ein deutliches Dementi Richtung Parteivorsitz. Der habe nur „für die Bundesebene gesprochen“. Will sagen: nicht für Thüringen.
Parteigründerin Wagenknecht bezeichnete Merz’ Äußerung als „politischen Kindergarten“. Ein Nein zu Bündnissen von CDU und BSW werde „die neuen Bundesländer unregierbar machen“, so Wagenknecht zum Spiegel. Die Ex-Linke polemisierte, dass jede Stimme für die CDU eine für Rentenkürzungen sei. Merz wolle „Deutschland mit der Lieferung von Taurus-Raketen zur Kriegspartei in der Ukraine machen“.
Der BSW-Generalsekretär Christian Leye bezeichnete Merz’ Linksextremismus-Vorwurf als „intellektuelle Bankrotterklärung“. Das BSW strebe nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Die Kategorisierung als rechtsextrem sei, so Leye zur taz, „hanebüchen und angesichts der tatsächlichen Gefahr von Rechtsextremen extrem gedankenlos und gefährlich“.
Gedankenlos – diese Bezeichnung für Merz’ Freistil-Strategie dürfte auch nachdenklichen CDU-Leuten im Osten einleuchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr