Umfrage unter Schwarzen Menschen: Der tägliche Rassismus
Der Afrozensus zeigt, wie häufig Schwarze Menschen in Deutschland diskriminiert werden – und wie nötig unabhängige Beschwerdestellen sind.
Awet Tesfaiesus, die erste Schwarze Bundestagsabgeordnete (Grüne) sagte der taz: „Um Diskriminierungserfahrungen herauszuholen aus dem Nebel einer angeblichen Subjektivität, braucht es belastbare Zahlen und Fakten. Der Afrozensus ist daher ein Meilenstein im Kampf gegen Diskriminierung in Deutschland“.
Insgesamt leben in Deutschland rund 1 Million Menschen afrikanischer Herkunft. Statistisch ist über diese Gruppe wenig bekannt. Deutsche Behörden fassen ihre Daten allein unter dem Merkmal „Migrationshintergrund“ zusammen, kritisiert Daniel Gyamerah von der Organisation Each One Teach One (Eoto). Das aber werde der Lebensrealität Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen im Land nicht gerecht.
Für den Afrozensus hat Eoto zusammen mit der Organisation Citizens For Europe (CFE) deshalb erstmals eine größere Anzahl Schwarzer Personen zu ihren Alltagserfahrungen befragt. Fast 6.000 Personen nahmen an der Onlinebefragung zwischen Juli und September 2020 teil. Ihre Antworten legen nahe, dass antischwarzer Rassismus in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet ist.
Doppelte Diskriminierung trifft noch härter
So gab mehr als die Hälfte der Befragten an, schon mal ohne Grund von der Polizei kontrolliert worden zu sein. Eine ebenso große Gruppe gab an, schon für einen Dealer gehalten worden zu sein.
Fast 80 Prozent sagten, beim Onlinedating sexualisierte Kommentare zu ihrem Aussehen oder ihrer vermeintlichen Herkunft erhalten zu haben. Und mehr als 90 Prozent erlebten, dass ihnen jemand ungefragt durch die Haare gewuschelt hat. „Das Problem ist strukturell“, so Gyamerah.
In allen 14 abgefragten Lebensbereichen sind Schwarze Menschen von Diskriminierung oder Rassismus betroffen, heißt es in dem Bericht. So gaben beispielsweise zwei von drei Befragten an, in Schule oder an der Uni wegen ihrer Herkunft schlechtere Noten bekommen zu haben. Ebenso viele berichteten, dass Ärzt:innen ihre Beschwerden nicht ernst nehmen. Diskriminierende Erfahrungen machen Schwarze Menschen auch in den anderen Bereichen: der Wohnungssuche, auf Ämtern und Behörden, im Job, in der Freizeit und so weiter.
Die Autor:innen betonen, dass Diskriminierung wahrscheinlicher werde, wenn die Betroffenen gleichzeitig noch zu anderen unterprivilegierten Gruppen gehörten. Dazu zählen ein niedriger Bildungsgrad, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit oder eine bestimmte geschlechtliche Identität.
So gaben beispielsweise rund 70 Prozent der Befragten an, bei der Wohnungssuche schon diskriminiert worden sein. Bei Schwarzen, die gleichzeitig Muslime sind, waren es rund 90 Prozent. „Wir haben über alle Lebensbereiche hinweg festgestellt, dass die eher deprivilegierten Teilgruppen häufiger Diskriminiserungserfahrungen machen“, so Projektleiterin Teresa Bremberger von Citizens For Europe.
Eoto und CFE fordern die Bundesregierung auf, das Empowerment der Schwarzen Community zu fördern und Beratungsstellen für Betroffene einzurichten. Auch Bernhard Franke von der Antidiskriminierungsstelle hält dies für dringend notwendig – und lobt, dass die Ampelkoalition hier tätig werden will.
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