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US-Sicherheitsexperte über Ukraine-Streit„Eine neue Generation ist nötig“

Wie Joe Biden und Wladimir Putin über die Ukraine reden, ist überholtes Polittheater, findet Andrew Bacevich.

Zwei mächtige Männer beim theatralischen Videoplausch: Joe Biden und der digitale Putin Foto: The White House/Adam Schultz/imago-images
Dorothea Hahn
Interview von Dorothea Hahn

taz am wochenende: Joe Biden und Wladimir Putin haben in dieser Woche bei einer Videokonferenz über die Ukraine Drohungen und Warnungen ausgetauscht. Ist das ein Zeichen für die Rückkehr zur Normalität in den internationalen Beziehungen?

Andrew Bacevich: Es war vor allem ein theatralisches Ereignis. Putin hat die russische Position bestätigt, Biden die der USA und der westlichen Al­liier­ten. Beide haben sich an ihr heimisches Publikum gerichtet. Viel wichtiger ist, welche Diplomatie hinter den Kulissen stattfindet. Wir müssen hoffen, dass beide Seiten es schaffen, die Differenzen auszugleichen, um einen Krieg in der Ukraine zu vermeiden. Der wäre in niemandes Interesse, auch nicht im russischen. Das gibt Anlass zu Hoffnung – ist aber keine Garantie.

Welche Druckmittel hat Joe Biden in der Hand?

Die USA und der Westen zeigen sich einig darin, Russland bestrafen zu wollen, falls es zu einer Militäraktion in der Ukrai­ne käme. Putin ist kein netter Kerl, aber eine rationale Person. Die russische Ökonomie ist in das internationale Banksystem integriert. Würde sie daraus verbannt, wie die USA und die EU drohen, hätte das enorme Konsequenzen für die Russen.

Putin ließ sich 2014 in der Krim-Krise nicht von Sanktionen beeindrucken. Warum sollte es diesmal anders sein?

Im Interview: Andrew Bacevich

Der Antimilitarist Andrew Bacevich, 1947 geboren, war Oberst in der US-Armee und macht sich heute für Diplomatie statt militärischer Einsätze stark. Er hat an verschiedenen Universitäten Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik gelehrt, ist Präsident des Quincy Instituts für verantwortungsvolles Staatshandwerk in Washington und schreibt Bücher, zuletzt: „After the Apoca­lypse“, ein Plädoyer für eine nichtinterventionistische US-Außenpolitik.

Davor hat er Angst

„Ich fürchte, dass die ame­ri­kanische Verfassungsordnung zusammenbricht. Unsere Demokratie ist in einer Weise gefährdet, die ich nie für denkbar gehalten hätte.“

Das gibt ihm Hoffnung

„Ich hoffe, dass meine Mitbürgerinnen und Mitbürger ihre Orientierung wiederfinden. Zuerst müssen sie die selbst geschaffenen Gefahren erkennen, denen wir bei uns in den USA ausgesetzt sind.“

Die russischen Argumente in Bezug auf die Krim waren um einiges stärker, denn diese Region ist lange Zeit ein Teil von Russland gewesen, ihre strategische Bedeutung für die nationale Sicherheit Russlands ist unbestreitbar. Das rechtfertigt keine Militäraktion, aber es macht sie verständlich.

Sie können Putins Perspektive also nachvollziehen?

Wir Amerikaner sollten uns an unsere eigene Geschichte erinnern. Ich war jung, als die Kennedy-Regierung 1962 feststellte, dass die Sowjetunion Raketen nach Kuba bringen wollte. Wir fanden das Eindringen in unsere Einflusszone komplett inakzeptabel und waren bereit, einen Krieg zu riskieren. Es war eine Lektion für die Sowjets: Bleibt raus aus der US-Einflusszone! In Osteuropa und auch im Südchinesischen Meer geht heute Ähnliches vor sich. Die Russen und die Chinesen haben legitime Sicherheitsinteressen.

Wo sehen Sie Auswege aus der Krise?

Putin ist laut und deutlich gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Aber er verlangt im Augenblick etwas – eine generelle Absage an die Nato-Osterweiterung –, das er nicht bekommen wird. Das käme einer Vetomacht für Russland über die Nato-Politik gleich. Die Lösung der Krise wäre ein Mittelweg: Es muss einerseits Sicherheitsgarantien an Russland geben. Andererseits muss vermieden werden, dass die Ukraine offen ein Teil der russischen Einflusssphäre wird.

Joe Bidens Amtsantritt hat hohe Erwartungen geweckt. Wie bewerten Sie ihn nun, nach elf Monaten als Präsident?

Nicht gut. Aber das liegt auch daran, dass die Erwartungen an ihn unrealistisch waren. Er hat gesagt: Wählt mich, und alles wird geregelt. Die Feindseligkeit, die Trump ausgelöst hatte, brachte viele dazu, Bidens Versprechen ernster zu nehmen, als sie es verdienten. Es ist eines der schmutzigen kleinen Geheimnisse der amerikanischen Politik, dass wir schon viel zu lange der falschen Vorstellung anhängen, dass die Entscheidungen, die im Weißen Haus getroffen werden, über das Schicksal des Planeten entscheiden.

Biden ist also nicht der mächtigste Mann der Welt?

Er hat gesagt, die USA sind zurück und sitzen wieder am Kopf des Tischs. Das sind hohe Ansprüche. Wir wären besser dran, würden wir sie abschütteln. Diese eine vorherrschende Nation gibt es nicht. Nach Ende des Kalten Kriegs haben wir uns eingeredet, dass die Geschichte zu einem Ende gekommen und der Präsident der USA für alles zuständig wäre. Aber das war eine Illusion. Die Amerikaner sind konditioniert worden, zu glauben, dass wir die einzige Supermacht sind und es verdienen, sie für immer zu bleiben. Vielen fällt es schwer, intellektuell mit den geopolitischen Veränderungen der letzten 30, 40 Jahre Schritt zu halten.

In diesem Herbst haben die USA das größte Militärbudget ihrer Geschichte beschlossen.

Das zeigt, wie sehr sich das politische US-Establishment an die Idee klammert, dass wir die einzige existierende Supermacht seien. Trotz der Enttäuschung des Irak-Kriegs und trotz des Scheiterns des Afghanistan Kriegs, die beide nicht ernsthaft analysiert worden sind.

Welche Supermächte sehen Sie auf der internationale Bühne?

Die USA gehören sicher dazu. Außerdem China, das heute als fast gleichrangig zu betrachten ist. Dann folgen die Mächte aus der zweiten Reihe. Die EU. Russland. Und möglicherweise Japan und Länder wie die Türkei. Es gibt eine ganze Reihe von Akteuren, deren Interessen zufrieden gestellt werden müssen, wenn wir so etwas wie internationale Stabilität haben wollen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Außenpolitisch hat Joe Biden es mit jeder Menge Krisen zu tun. Neben der Ukraine war da der chaotische Rückzug aus Afghanistan und die Zunahme der Spannungen im Südchinesischen Meer.

Der Abzug aus Afghanistan war total vermasselt. Das rechtfertigt Schuldzuweisungen. Aber ich halte das strategische Scheitern von 20 Jahren Krieg für wichtiger als das Chaos bei den Evakuierungen. Wir haben versucht, das Land zu befrieden, eine Nation aufzubauen, Sicherheitskräfte zu bilden. Und wir sind mit allem gescheitert. Dafür sollten wir nicht Biden, sondern seinen Vorgängern George W. Bush und Barack Obama verantwortlich machen.

Und was halten Sie von Bidens Chinapolitik?

China nimmt heute die Rolle einer Großmacht für sich in Anspruch. Daran müssen wir uns gewöhnen. Als die USA im Zweiten Weltkrieg gegen das impe­ria­le Japan vorgingen und es besiegten, wurden die USA zur entscheidenden Macht im Pazifik. Dieser Status war lange unangefochten. Das hat sich nun geändert, und die USA sind unzufrieden damit, dass eine Nation in der Region nicht bereit ist, sich ihrer Hegemonie zu beugen. Der U-Boot-Deal mit Großbritannien und Australien ist dafür ein Zeichen. Aber ich glaube nicht, dass die Biden-Regierung einen klaren Plan für den Umgang mit China hat.

Als Präsidentschaftskandidat hat Joe Biden mit seiner Erfahrung geworben und damit, dass er sowohl die US-Senatoren als auch Xi Jinping und Wladimir Putin persönlich kennt. Hilft ihm das jetzt?

Nicht besonders. Zu einem gewissen Grad ist er vielleicht sogar ein Gefangener seiner Vergangenheit. Man könnte sagen, dass wir eine neue Generation von Führungskräften brauchen.

Haben die USA diese Verjüngung nicht bereits hinter sich?

Barack Obama hat versucht, ein neuer Präsident zu sein. Aber er war nicht in der Lage, es umzusetzen. Auf eine andere, seltsame Art wollte auch Trump diese Person sein – einer, der erklärt, dass der Status quo und das Denken des außenpolitischen Establishments veraltet sind. Aber er war weder intellektuell noch charakterlich fähig, eine Alternative zu bieten. Dies ist eine große Lücke in unserer Politik. Wir haben eine Republikanische Partei, die keine Prinzipien hat. Sie existiert nur noch, um zu blockieren. Und wir haben eine Demokratische Partei, die in Fragen der Außenpolitik weitgehend in der Vergangenheit stecken geblieben ist. Wir brauchen eine außenpolitische Vision, die den Bedingungen der Ära nach dem Kalten Krieg entspricht.

Immerhin will Biden eine Politik, die auf den Klimawandel reagiert.

Ja, in der Hinsicht hat er sich klar und leidenschaftlich geäußert. Aber er kann über die Klimakrise sagen, was er will – wenn der Kongress nicht mitmacht, hat er kaum Möglichkeiten, Veränderungen wirklich durchzusetzen. Als Amerikaner muss ich sagen, dass unsere Bevölkerung nicht die nötige Ernsthaftigkeit gegenüber dem Klimawandel an den Tag legt. Wir klammern uns an unseren „Way of Life“, in dessen Mittelpunkt Konsum, eine große Auswahlmöglichkeit und Flexibilität stehen. Das ist unsere Definition von Freiheit.

Was müsste geschehen, um diese Idee von Freiheit zu verändern?

Es kann sein, dass das erst passiert, wenn andere in der Welt die Führung übernehmen.

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21 Kommentare

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    wirklich ernsthaft über eine NATO Mitgliedschaft geredet wird erst seit dem Einmarsch Russlands, worum es auf dem Maidan ging war eine Perspektive für einen EU Beitritt. Die EU ist aber noch gefährlicher für Putin als die NATO, weil sie den Menschen in der Ukraine zu mehr Wohlstand und Rechten verholfen hätte.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      EU Mitgliedschaft bedeutet automatisch mehr Wohlstand? Erzählen Sie das mal auf dem Balkan...

      Und was sie Sache mit der NATO Mitgliedschaft betrifft. Der Plan ist älter und hat nichts mit der Krim und dem Donbass zu tun:

      www.theguardian.co...pr/01/nato.georgia

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Der Plan war eine Idee die aber nie wirklich eine Chance auf Umsetzung hatte. Und ja EU Mitgliedschaft bedeutet mehr Wohlstand.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          EU Mitgliedschaft schafft Voraussetzungen. Die Hauptarbeit muss im Land gemacht werden. Und das ist eben nicht überall der Fall. Den Ukrainern würde kaum Wohlstand beschert, weil sie weiter durch Oligarchen ausgepresst werden. Es gibt seit Jahren ein Abkommen mit der EU, das Wohlstand bringen sollte. Profitiert haben aber nur ein paar Leute.

          Und natürlich war die NATO Mitgliedschaft mehr als eine Idee. Allerdings wollten die Europäer nicht. Und dann hat sich die Situation in der Ukraine und in Georgien geändert...

  • "Wir brauchen eine außenpolitische Vision, die den Bedingungen der Ära nach dem Kalten Krieg entspricht."

    Könnte das vielleicht eine Außenpolitik sein, die auf Kooperation statt auf Hegemonie und die Sicherung von Einflusssphären ausgerichtet ist? Oder bin ich da jetzt naiv?

    Mir schaudert jedenfalls ein bisschen vor der Aussicht, dass jetzt "andere in der Welt die Führung übernehmen". Mit dem Führungsanspruch von "Supermächten" hat in den letzten Jahrzehnten nur ein kleiner Teil der Welt gute Erfahrungen gemacht.

  • "Hätte er die Idee, Ostukraine zu annektieren, hätte er schon seit Jahren versucht."

    Warum auch in Stücken vorgehen? Wenn Putin zugreift, nimmt er die ganze Ukraine.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Die USA hat ein zehnmal so hohes Militärbudet wie Russland.



    Trotzdem kann Russland theoretisch Atomraketen auf New York feuern.

    Wozu also die 10-fache Übermacht?

    Die Russen fühlen sich durch den US-Raketengürtel, den man in Osteuropa installiert hat, bedroht. Zudem wurden Zusagen nicht eingehalten.



    Die Antwort der Militärs wäre eigentlich Raketen in Kuba zu stationieren.



    Das wird alles so einseitig dargestellt.



    Spätestens seit der Lüge über Saddams Massenvernichtungswaffen sollten wir nichts mehr glauben!



    Propagand wirkt immer noch!

  • Naja, gut, Putin lässt seine Truppen doch nur vor der ukrainischen Grenze aufmarschieren, weil er direkte Gespräche mit Biden wünscht … weil eine NATO-Osterweiterung nicht in russischem Interesse sein kann. Ohne 100.000 Soldaten in der Kulisse würde er wohl kein Stück ernst genommen.



    Und ich stimme zu: das Ukraine-Problem kann nur in bilateralen Verhandlungen zwischen den USA und Russland gelöst werden, irgendwelche proukrainischen Solidaritätsbekundungen einer grünen deutschen Außenministerin sind da komplett irrelevant.



    Wenn Putin die Ukraine wirklich - wie oft unterstellt - zum Frühstück verspeisen wollte, hätte er seinerzeit mit der Trump-Administration ein leichteres Spiel gehabt … der russischen Seite geht es nicht darum, einen Kalten in einen Heißen Krieg zu überführen, sondern um verbindliche Zusicherungen von Sicherheitsgarantien, die nur die USA als (immer noch) führende NATO-Macht gewähren können.



    Logischerweise bedeutet das dann, dass die Ukraine nicht Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden kann. Und ich denke, dass das in den USA letzten Endes wesentlich realistischer gesehen wird als in manchen westeuropäischen freedom&democracy-Projektionen.

  • Sehr gut notiert, die Außenpolitik der Vereinigten Staaten entspricht der Kalten Krieg Ära. Und die Nato auch, übrigens. Zweite gute Beobachtung: Putin sei keiner netter Kerl, aber sei rational. Hätte er die Idee, Ostukraine zu annektieren, hätte er schon seit Jahren versucht.

    • @Bescheidener Kunsthandwerker:

      Ja, sehe ich auch so … und mit Trump als US-Präsident hätte er da ein leichtes Spiel gehabt, wenn das seine Absicht wäre. Natürlich sind die russischen Bevölkerungsgruppen in der Ostukraine, am Dnjestr (Moldawien) und im Baltikum ein politisches Faustpfand in den Händen Putins … warum aber sollte er es nicht nutzen, wenn die NATO sozusagen vor der russischen Haustür steht?

      • @Abdurchdiemitte:

        "...und mit Trump als US-Präsident hätte er da ein leichtes Spiel gehabt..."

        Mit Trump als Präsident hat er seinen Einfluss kaum ausdehnen können. Unter dem Duo Obama - Biden hat er die Krim kassiert und sich im Nahen Osten breit gemacht.

        Es ist etwas einfach, immer wieder Trump vorzuschieben.

  • "Er hat gesagt, die USA sind zurück und sitzen wieder am Kopf des Tischs. Das sind hohe Ansprüche. Wir wären besser dran, würden wir sie abschütteln. Diese eine vorherrschende Nation gibt es nicht. Nach Ende des Kalten Kriegs haben wir uns eingeredet, dass die Geschichte zu einem Ende gekommen und der Präsident der USA für alles zuständig wäre. Aber das war eine Illusion. Die Amerikaner sind konditioniert worden, zu glauben, dass wir die einzige Supermacht sind und es verdienen, sie für immer zu bleiben. Vielen fällt es schwer, intellektuell mit den geopolitischen Veränderungen der letzten 30, 40 Jahre Schritt zu halten."

    Kann man das bitte an die zuständigen Politiker weiterleiten?

    Wäre an der Zeit, dass sie in der Realität ankommen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Putin weiß aber, dass er mit Biden reden muss, um eine Lösung des Ukraine-Konflikts zu erreichen (denn er weiß auch, dass das Sowjetimperium nicht zuletzt deshalb kollabiert ist, weil es sich im militärischen Wettlauf mit dem Westen zu Tode gerüstet hat) … das Russland Putins ist aber auch nicht mehr das am Boden liegende Russland des Alkoholikers Jelzin, der Anfang der 90er dem Westen noch willfährig aus der Hand gefressen hat.

      • @Abdurchdiemitte:

        Na ja. Sollte Putin entschieden haben, die Ukraine zu erobern, muss er das nicht mit Biden besprechen...

        Das ist aber nicht der Punkt. Wichtig ist, dass die verantwortlichen Politiker im Westen begreifen, dass sie nicht die Herren der Welt sind. Das Kräfteverhältnis in der Welt hat sich grundlegend verändert. Und es ist eine gefährliche Illusion, wenn die Verantwortlichen in Washington immer noch glauben, sie wären die alleinigen Bestimmer. Vernünftige Politik fängt damit an, die Lage zu begreifen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Putin möchte wohl in erster Linie eine weitergehende NATO-Osterweiterung, sprich eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine verhindern … deshalb das Säbelrasseln im Donbass. Eine Annektierung der Ukraine ist nicht in seinem Interesse, denn es wäre aus russischer Sicht ein Pyrrhussieg, der den Mechanismus des Totrüstens wieder in Gang setzen würde, bei dem die Sowjetunion schon im Kalten Krieg den Kürzeren gezogen hat. Putins Strategie, direkt mit Biden ins Gespräch zu kommen, ist also in Wahrheit eine Defensivstrategie … auch wenn das in westlichen Medien oft anders gesehen wird.



          Und ja, Bacevich hat recht: Russland hatte 2014 einige gute Gründe, die Krim zu annektieren … gut, dass das in den USA ebenso gesehen wird.

          • @Abdurchdiemitte:

            "...der den Mechanismus des Totrüstens wieder in Gang setzen würde..."

            Das ist ein Irrtum und zeigt, wie Manche Leute gedanklich noch im kalten Krieg feststecken. Russland ist nicht die Sowjetunion. Die Sowjetunion wollte einen Systemwettbewerb gegen den Westen gewinnen. Putin ist das System im Westen völlig Wurst. Er ist auch nicht so dumm anzunehmen, dass er ein Wettrüsten gegen die USA gewinnen kann. Die Wirtschaftsdaten sind völlig eindeutig. Ihm reicht es völlig, (Atom-) Streitkräfte zu unterhalten, die die USA sicher mit in den Untergang ziehen können, wenn es zum Konflikt kommt. Und die hat er schon heute. Er muss also nur den Status halten. Mehr als einmal kann man den Gegner nicht vernichten. Die Idee, Russland totzurüsten wird also kaum funktionieren. Eine weitere Fehleinschätzung in Washington und bei einigen Europäern.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Noch zur Ergänzung: dass eine Handvoll bewaffneter militanter russischer Separatisten im Donbass mehr Ärger bereiten können als das gesamte russische Atomwaffenarsenal, haben wir in diesem Konflikt doch gesehen … und ich denke, dass ist in Kiew auch die größere Sorge als die Angst vor russischen Atomraketen.

              • @Abdurchdiemitte:

                Man muss schon zwischen der Ukraine und den USA unterscheiden. Sind für Putin zwei Baustellen.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Die beiden Baustellen dürften aus Putins Sicht allerdings insofern miteinander verbunden sein, als er sich Gedanken darüber machen muss, wie weit er in der Ukraine gehen kann, ohne für Russland allzu unvorteilhafte Gegenreaktionen des Westens zu provozieren.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Ob es der Sowjetunion am Ende noch darauf ankam, einen Systemwettbewerb gegen den Westen zu gewinnen … oder war es nicht eher schiere Selbstbehauptung, aus der ökonomischen wie ideologischen Defensive heraus geboren? Nur die Drohung des atomaren “Gleichgewicht des Schreckens” hat dieses realsozialistische Modell doch noch am Leben erhalten.



              Dass Putin daran gelegen sein muss, den geostrategischen Status Quo zu erhalten, darin sind wir uns einig … nichts anderes habe ich behauptet. Entgegen der schrillen Töne aus Kiew und anderswo steht die staatliche Existenz der Ukraine aber überhaupt nicht zur Disposition … dass Putin möglicherweise einige territoriale Korrekturen einfordern wird, steht auf einem anderen Blatt (obwohl auch das überhaupt nicht nötig wäre, denn mit der russischsprachigen Bevölkerung dort hätte er einen hervorragenden Hebel, um in den Nachbarländern Destruktionspolitik betreiben zu können). Und dabei von Völkerrechtsbruch zu reden, wäre wohl reichlich übertrieben, wie es Bacevich aus US-Sicht für die Krim-Krise 2014 dargelegt hat … warum also sollten dann Deutschland und die EU in der Ukraine-Frage päpstlicher als der Papst (die USA) sein?

              • @Abdurchdiemitte:

                "...steht die staatliche Existenz der Ukraine aber überhaupt nicht zur Disposition…"

                Falls Putin die Absicht hat, zu marschieren, wird er keine halben Sachen machen. Nur ein Stück zu nehmen, löst kein Problem. Der Ärger wäre nur ein paar Kilometer weiter westlich...