Türkischer Einfluss auf deutsche Moschee: Das Ende der Import-Imame
Ankara ist bereit, künftig keine Geistlichen mehr nach Deutschland zu entsenden. Doch damit sind längst nicht alle Fragen geklärt.
Auf der Islamkonferenz, die am Mittwoch zu Ende ging, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt, dass die Imamausbildung in Deutschland „signifikant“ ausgebaut werden solle. Ziel sei es, „die Entsendung von Imamen aus der Türkei in der Folge ganz zu beenden“. Auf diese Punkte hatten sich am vergangenen Wochenende auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin verständigt. Wegen Erdoğans Äußerungen zum Nahostkonflikt fand die Nachricht jedoch kaum Beachtung. Dabei wäre sie eine Zäsur.
Seit rund 30 Jahren entsendet die türkische Religionsbehörde Diyanet Imame nach Deutschland. Sie sind vor allem beim türkischen Islamverband Ditib tätig, dem mit 900 Gemeinden größten Moscheeverband in Deutschland. Immer wieder wird Kritik laut, dass die türkische Regierung dadurch Einfluss auf deutsche Moscheegemeinden nehme. Der Eindruck verstärkte sich, als Ditib-Imame nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei 2016 unter Verdacht standen, Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland auszuspionieren.
Bis heute tut sich der Verband schwer, seine Unabhängigkeit von Ankara unter Beweis zu stellen. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, bezeichnete derlei Versuche der Organisation als „nicht glaubhaft“. Sollte Ditib bereit sein, künftig nur noch Imame einzustellen, die in Deutschland ausgebildet worden sind, wäre das „vielleicht ein erster Versuch“, sagte Kaddor am Mittwoch im Deutschlandfunk.
Woher kommt das Geld?
Ob Ditib diesen Schritt ganz gehen wird, war allerdings nicht klar. Eine entspreche Anfrage der taz ließ die Organisation zunächst unbeantwortet. In der Vergangenheit hatte der Verband darauf verwiesen, dass Imame bereits teilweise an einer eigenen Akademie in Deutschland ausgebildet würden. Das Innenministerium teilte auf Anfrage lediglich mit, dass der Austausch mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet und Ditib zur stärkeren Unabhängigkeit von Ankara „weit vorangeschritten“ sei.
Bülent Uçar, Islamwissenschaftler
Wo die Imame ausgebildet werden, ist für Islamwissenschaftler Uçar nicht die allein entscheidende Frage. In diesem Jahr hat das Islamkolleg Deutschland die ersten staatlich ausgebildeten Imame verabschiedet. Doch nicht alle finden eine gut bezahlte Anstellung, berichtet Uçar: „Die fünf Moscheeverbände, mit denen wir kooperieren, haben wenig finanzielle Spielräume.“ In der Regel bekämen Imame zwar Wohnungen gestellt, mehr als 1.000 Euro Gehalt seien aber nicht drin.
Uçar fordert deshalb, dass der deutsche Staat Moscheegemeinden mit jüdischen, katholischen und evangelischen Gemeinden gleichstellt und ebenso finanziell unterstützt. Ansonsten drohe, dass die verstärkte Imamausbildung in Deutschland die beabsichtigte Wirkung verfehle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen