Treffen der G7-Außenminister:innen: Weniger Protestierende als erhofft
In Münster findet die G7-Außenminister:innenkonferenz statt. Die Demos gegen russische Uranlieferungen und für den Frieden waren eher klein.
![Annalena Baerbock , Außenministerin, James Cleverly (l), Außenminister von Großbritannien, Antonio Tajani (2.v.l.), Außenminister von Italien, Antony Blinken, Außenminister der USA und Catherine Colonna, Außenministerin von Frankreich kommen zu einer Arbeitssitzung im Friedenssaal des Historischen Rathauses Annalena Baerbock , Außenministerin, James Cleverly (l), Außenminister von Großbritannien, Antonio Tajani (2.v.l.), Außenminister von Italien, Antony Blinken, Außenminister der USA und Catherine Colonna, Außenministerin von Frankreich kommen zu einer Arbeitssitzung im Friedenssaal des Historischen Rathauses](https://taz.de/picture/5892245/14/382881026-1.jpg)
Enttäuscht dürften allerdings viele der Veranstalter:innen der insgesamt 13 Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen gewesen sein, die für den Zeitraum des angesetzten Gipfeltreffens bis Freitagabend angemeldet wurden: Bei einsetzendem Regen gingen am späten Donnerstagnachmittag weniger als die erhofften rund 10.000 Demonstrant:innen auf die Straßen der heimlichen Hauptstadt Westfalens. Nur zu dem von einem breiten Bündnis getragenen Klimaprotest, darunter Fridays for Future und Greenpeace, kamen rund 2.500 Menschen, mehr als die angemeldeten 2.000.
„Global Climate Justice“ und „1,5 Grad – bis hierher und nicht weiter“ stand auf ihren Transparenten. Schon bei der Auftaktkundgebung auf dem Schlossplatz forderte der Wissenschaftler Volker Quaschning, Hochschullehrer an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, eine massive Steigerung der Investitionen in Erneuerbare Energie. Die Gruppe der sieben großen Industriestaaten USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada, die etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, seien noch immer für ein Drittel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, kritisierte der Mitgründer des Netzwerks Scientists for Future.
Uran aus Russland wird weiter geliefert
Obwohl alle G7-Staaten das Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad unterzeichnet hätten, steuere die Gruppe auf 2,7 Grad zu, hatte die Sprecherin des Bündnisses, Matilda Kohnen, schon im Vorfeld erklärt. Seit 2015 habe etwa Deutschland jährlich nur 26 Milliarden Euro in die Energiewende investiert, aber pro Jahr fossile Energieträger wie Gas, Öl und Kohle im Wert von rund 88 Milliarden Euro importiert – davon 17 Prozent aus Russland.
Erst damit sei die Finanzierung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine möglich geworden, kritisierte auch Wladimir Sliwjak, Träger des Alternativen Nobelpreises. Die Milliarden aus den Energieimporten stützten nicht nur Russlands Präsident Wladimir Putin, sondern „Diktatoren überall auf der Welt“, erklärte der Mitgründer der russischen Umweltorganisation Ecodefense, dem in seiner Heimat Haft droht, weshalb er nach Deutschland geflohen ist.
Sliwjak forderte außerdem ein schnelles Ende von Lieferungen von angereichertem Uran aus Russland in die Brennelementefabrik im emsländischen Lingen, die viele westeuropäische Atomkraftwerke mit Brennstoff versorgt. Transporte von Atombrennstoff in zivile Anlagen sind von den Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union noch immer ausgenommen.
Ein Ende ist hier nicht in Sicht: Zuletzt hatte angereichertes Uran aus Russland Lingen am 28. und 29. September erreicht. Und erst an diesem Donnerstag meldete die Seite marinetraffic.com, dass der russische Atomfrachter Mikhail Dudin von St. Petersburg kommend erneut Kurs auf den niederländischen Hafen Rotterdam genommen hat. Von dort wird der russische Atombrennstoff per LKW nach Lingen transportiert.
Zu den weiteren Protesten in Münster kamen dagegen nur relativ wenige Demonstrant:innen. Bei einer Kundgebung zur Unterstützung der Proteste im Iran zählte die Polizei am abgelegenen Hafenplatz nur etwa 100 Teilnehmer:innen. Und obwohl die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK) mit dem Theologen Eugen Drewermann einen Star der Friedensbewegung der Achtziger Jahre aufbot, waren am Abend kaum mehr als 100 Menschen bei ihrem Protest unter dem Motto „Verhandeln statt schießen! Frieden schließen“ auf dem zentralen Prinzipalmarkt.
Brechen der Ukraine wird G7 nicht akzeptieren
In Sichtweite des Münsteraner Rathauses, in dessen Friedenssaal im Jahr 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde und in dem die Außenminister:innen der G7 tagen, präsentierte Drewermann seine Forderung nach radikalem Pazifismus.
Mehrfach zitierte der 82-jährige Theologe mit Blick auf den Ukrainekrieg die Bibelstelle Matthäus 5:39, nach der einem Aggressor „auch die andere Wange hingehalten“ werden solle. Frieden könne nur „durch Verhandlungen“, nicht durch die „Illusion des Siegfriedens“ des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski erreicht werden, meinte Drewermann und kritisierte die von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“, die in seinen Augen für ein „riesiges Aufrüstungsprogramm“ stehe.
Die grüne Außenamtschefin Annalena Baerbock erklärte dagegen zu Beginn des Treffens der Außenminister:innen, die Gruppe der 7 werde Putins „Strategie des Brechens der Ukraine“ nicht akzeptieren. Der russische Staatschef versuche, die Menschen in der Ukraine „verhungern, verdursten und erfrieren zu lassen, indem er gezielt zivile Infrastruktur angreift“, sagte Baerbock – und versicherte, die G7 würden das „mit allem, was wir haben, versuchen zu verhindern“. Weitere sicherheitspolitische Ergebnisse, etwa mit Blick auf China und den Iran, werden am Freitagabend erwartet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche