Todesfahrt in Mannheim: Sorgt endlich für echte Sicherheit
Rechte schlachten die Amokfahrt in Mannheim aus, dabei dachte der Täter selbst rechtsextrem. Zeit für eine Sicherheitspolitik, die diesen Namen wirklich verdient.

E s passiert schon wieder: Eine Gewalttat hat in Deutschland Menschen das Leben gekostet – und andere instrumentalisieren sie für ihre politischen Zwecke. Doch beim mutmaßlichen Attentat von Mannheim, bei dem bisher zwei Menschen gestorben sind und viele verletzt wurden, bleibt die rechte Instrumentalisierung bislang eher subtil. Warum ist das so?
Recherchen legen nahe, dass der mutmaßliche Attentäter von Mannheim in der Vergangenheit rechtsextremes Gedankengut geäußert oder zumindest damit sympathisiert hat. Dennoch hat ein großer Teil der medialen und politischen Öffentlichkeit bereits entschieden: Ein politisches Motiv wird ausgeschlossen, der Fall kann zu den Akten gelegt werden.
Dass der mutmaßliche Täter psychisch erkrankt war und deshalb mit seinem Wagen in eine Menschenmenge raste, mag zutreffen – doch es ist viel zu früh, dies als endgültige Erkenntnis festzuhalten. Eine ergebnisoffene Analyse und Ermittlungen in alle Richtungen sind notwendig, um daraus zu lernen und die Bevölkerung besser zu schützen.
Die bittere Erkenntnis wenige Stunden nach dem Attentat: Weiß-deutsche Täter werden anders behandelt als jene, die nicht weiß sind.
Deutsche Doppelstandards
In Deutschland herrscht ein Doppelstandard: Je nach Herkunft des Täters wird eine Tat unterschiedlich bewertet. Die Fixierung auf Hautfarbe und Namen verdrängt andere relevante Fragen: Warum nehmen so viele Männer mit psychischen Erkrankungen keine Hilfe in Anspruch? Sind die bestehenden Hilfsangebote ausreichend? Und warum sind deutsche Innenstädte oft nicht besser gesichert?
Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben – das erkennen mittlerweile auch immer mehr Innenpolitiker*innen an. Doch was tatsächlich zu mehr Sicherheit beitragen könnte, wäre der Verzicht auf Doppelstandards. Jeder Attentäter, jede potenzielle Gefahr sollte nüchtern analysiert werden. Unabhängige, seriöse wissenschaftliche Erkenntnisse müssen im Mittelpunkt stehen – nicht politisch motivierte Kampagnen.
Doch auch im Mannheimer Fall: Wenige Augenblicke nach den ersten Eilmeldungen versuchten verschiedene Seiten das Blame-Game zu betreiben, in der Hoffnung, dass der Attentäter schon ein Asylbewerber sein oder mindestens einen nicht-deutschen Namen tragen würde.
Auf verschiedenen sozialen Medien, besonders auf der Hassschleuder X, machten AfD-Trolle mit blauen Herzen im Profil schnell „importierten Terrorismus“ oder „die Islamisierung“ für die Gewalttat verantwortlich. Andere versuchten absurderweise pro-palästinensische Demonstrant*innen pauschal zu diffamieren. Kurz: ihre eigene politische Agenda zu bedienen.
Wirksame Maßnahmen sind bekannt
Dabei führt genau dieser politisierte Ansatz nirgendwohin: Während des Wahlkampfs wurden die mutmaßlichen Attentate von Magdeburg, Aschaffenburg und München von nahezu allen Parteien für ihre Zwecke instrumentalisiert. Drei nicht-weiße Täter, deren Gewalttaten Menschen das Leben nahmen und ganze Gemeinschaften in eine Krise stürzten, wurden vor allem unter einem migrationspolitischen Blickwinkel diskutiert.
Das Gedenken an die Opfer oder konkrete Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit rückten in den Hintergrund. Stattdessen schielten viele Politiker*innen auf die Prozentpunkte, die sie durch populistische Narrative gewinnen könnten.
Dabei ist längst bekannt: Mehr Sicherheit entsteht durch eine bessere Betreuung psychisch erkrankter Menschen, eine effektivere Nutzung der bereits (zu sehr) erweiterten Kompetenzen der Sicherheitsbehörden und eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern. Doch anstelle pragmatischer Lösungen setzen viele parteipolitische Akteur*innen auf migrationspolitische Panikmache, hasserfüllte Parolen im Wahlkampf – und politische Gleichgültigkeit danach.
Deutsche Debatten machen uns alle unsicherer. Es ist höchste Zeit, eine Sicherheitspolitik einzufordern, die diesen Namen wirklich verdient.
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