Tierquälerei in der Fleischindustrie: Schlachthöfe im Blick
Streit über Video-Überwachung: schleswig-holsteinische Landkreise dafür, das Landwirtschaftsministerium hat Bedenken.
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) beschuldigte die Tierärzt*innen und damit die Kreise. Die schlagen Videoüberwachung in den Schlachtereien vor. Doch das Ministerium hat rechtliche Bedenken und verweist auf die Erfahrungen in Niedersachsen.
Im Massentierhaltungsland Niedersachsen startete 2019 eine freiwillige Überwachung, nachdem sich Skandale in Schlachtereien häuften. Doch 2020 stoppte die Bundesregierung den Vorstoß von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Kameras in den Betrieben zur Pflicht zu machen. Begründet wird das mit Sorgen um den Datenschutz: Die Dauerüberwachung aller Beschäftigten sei unverhältnismäßig, befand das damalige CDU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium.
„Da die rechtlichen Rahmenbedingungen seither unverändert sind, bleiben auch die rechtlichen Bedenken bestehen“, heißt es aus dem Kieler Ministerium auf taz-Anfrage. Gleichzeitig weist das Ministerium darauf hin, dass die Kreise dafür zuständig seien, für Tierwohl und Lebensmittelsicherheit zu sorgen.
Andere Länder handeln
Protest kommt vom Landkreistag: „Eigentlich müsste nun allen klar sein, dass es ein systemimmanentes Defizit in der Überwachung der Schlachthöfe gibt“, sagt Sönke Schulz, Geschäftsführer des Landkreistages. „Doch anstatt dieses Problem gemeinsam anzugehen, versteckt sich das Ministerium hinter datenschutzrechtlichen Bedenken.“ Das sei „absolut nicht nachvollziehbar“, findet Schulz.
Zuständig für die Schlachterei in Flintbek ist der Kreis Rendsburg-Eckernförde. Kreisveterinärin Manuela Freitag sagte der Landeszeitung, die Schlachterei sei in den vergangenen Jahren mehrfach und unangekündigt kontrolliert worden. Dabei sei es aber vorrangig um die Frage gegangen, ob das Fleisch für den Verzehr geeignet sei.
„Eine permanente Überwachung ist rein rechtlich nicht möglich“, sagt Freitag. Daher hatte der Landrat des Kreises, Oliver Schwemer, eine freiwillige Videoüberwachung als Modellversuch vorgeschlagen und sich für eine landesweite Lösung ausgesprochen.
Die Kritik weist das Ministerium zurück: Man nehme das Lebensmittel- und Tierschutzrecht sehr ernst und habe sich klar zu einer Prüfung der bestehenden Kontrollsysteme positioniert. Daher begrüßte das Haus den vorgeschlagenen Versuch des Kreises Rendsburg-Eckernförde durchaus. Über die noch offenen Fragen soll gesprochen werden – ein Treffen ist für Ende Oktober geplant.
Während in Deutschland noch geredet wird, handeln andere Länder: Spanien hat Ende August die Überwachung als erstes EU-Land vorgeschrieben, in Großbritannien stehen seit 2018 Kameras in den Schlachthöfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch