Tesla, der Ökostrom und die Krisen: Öl war leider nie knapp

Selbst Kriege drosseln das Ölangebot nicht. Viele, allen voran Tesla und die Autofahrer, glauben, dass auch Ökostrom beliebig verfügbar sei.

Eine Zapfsäule in der Wüste

Verlassene Tankstelle in Silas, Saudi-Arabien Foto: Hamad Mohammed/reuters

Wird Öl etwa knapp? Droht eine neue Weltwirtschaftskrise? Diese Fragen tauchten sofort auf, als bekannt wurde, dass die USA den iranischen General Qasim Soleimani mit einer Rakete getötet hatten. Doch ist mit einer Rezession nicht zu rechnen, wenn man den Spekulanten glauben darf. Die Finanzanleger blieben nämlich bemerkenswert gelassen.

Öl verteuerte sich zwar – aber nur um 3,5 Prozent. Offenbar erwarteten die Rohstoffspekulanten nicht, dass sich das Öl verknappen könnte, falls es zu einer Eskalation im Nahen Osten kommt. Ähnlich entspannt waren auch alle anderen Börsianer: Nach der US-Attacke auf Soleimani fiel der deutsche Aktienindex DAX nur um rund 3 Prozent und hat sich inzwischen erholt.

Die Börsianer reagieren so gelassen, weil sich Geschichte wiederholt. Leider ist es ja nicht das erste Mal, dass es im Nahen Osten militärisch brenzlig wird. Erst im September 2019 hatten iranische Drohnen die saudische Ölindustrie beschädigt, sodass plötzlich 5,7 Millionen Barrel Öl pro Tag auf den Weltmärkten fehlten. Auch dieser Angriff blieb ökonomisch folgenlos.

Momentan kostet das Barrel Öl, je nach Sorte, zwischen 60 und 65,50 Dollar. Das ist nicht teuer, sondern erstaunlich billig. Im Jahr 2007 mussten fast 150 Dollar pro Barrel gezahlt werden, und trotzdem boomte damals die Weltwirtschaft.

Hohe Ölpreise sind weitaus leichter zu ver­kraften, als gemeinhin angenommen wird, weil das Geld ja nicht auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Die meisten Ölländer sind dringend auf ihre Exporteinnahmen angewiesen: Sobald sie mehr Dollar für ihr „schwarzes Gold“ bekommen, ­gehen sie weltweit auf Shoppingtour – und entscheiden sich meist für die Güter der Industrieländer.

Ein Tesla verbraucht pro Jahr mehr Strom als eine dreiköpfige Familie in ihrem Privathaushalt

Die Weltwirtschaft floriert also weitgehend unabhängig davon, wie sich der Ölpreis entwickelt und ob es zu militärischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten kommt. Diese Nachricht ist nicht ganz so beruhigend, wie sie klingt. Denn sie bedeutet auch, dass es keinerlei ökonomischen Druck gibt, sich vom Öl zu verabschieden.

Instinktiv haben das alle Autobesitzer verstanden, die munter SUVs kaufen. Wie das Kraftfahrtbundesamt am Mittwoch mitteilte, sind im Jahr 2019 etwa 760.000 SUVs neu zugelassen worden. Sie alle verbrennen Öl, als ließe sich der Klimawandel getrost ignorieren. Umgekehrt blieben echte Elektroautos eine Rarität: 2019 wurden nur ganze 63.281 Pkws angemeldet, die ausschließlich per Batterie angetrieben werden.

Aber das soll sich angeblich ändern: Tesla will eine „Gigafabrik“ nahe Berlin bauen, wo jährlich 500.000 Elektroautos vom Band rollen ­sollen. Selbst SUVs sollen dann elektrisch fahren; „Y“ heißt dieses neue Tesla-Modell der Zukunft.

Dieses Modell Y würde sich wie ein Sportwagen anfühlen, verspricht Tesla-Gründer Elon Musk: In nur 3,5 Sekunden lässt sich der Wagen auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen, in der Spitze schafft er 240 Stundenkilometer. Natürlich wären derartige Eigenschaften völlig überflüssig, falls es ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen gäbe. Aber das hat die CSU, auch in dieser Woche, für undenkbar erklärt.

Ökostrom ist nicht Öl. Öl war nie knapp, aber Windkraft ist es

Zumindest auf der Tesla-Homepage sieht es aus, als ließe sich maximale Geschwindigkeit mühelos mit einer sauberen Umwelt verbinden: Penibel wird gezählt, wie viel CO2 die Tesla-Fahrzeuge bisher weltweit eingespart haben. An diesem Donnerstag, um 10.46 Uhr, summierte sich das globale CO2-Minus auf angeblich exakt 3.561.242,56 Tonnen.

Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung. Es entsteht kein zusätzlicher Ökostrom, nur weil Tesla-Autos umherfahren. In Wahrheit nutzen die Teslas Strom, der aus fossilen Brennstoffen oder aus AKWs gewonnen wurde.

Deutschland ist dafür ein anschauliches Beispiel: 2019 wurden 40 Prozent des Stromverbrauchs durch Ökostrom gedeckt. Dies war ein geradezu sensationeller Erfolg – und zum Teil den starken Winden im vergangenen Jahr zu verdanken. Doch diese Zahl sagt eben auch aus, dass noch immer 60 Prozent des deutschen Stroms aus fossilen Kraftwerken oder aus den letzten Atommeilern stammen. 500.000 Tesla pro Jahr würden absolut nichts daran ändern, dass Deutschland viel zu wenig Windräder und Solarpanele hat. Für zusätzliche Elektroautos bleibt also nur fossiler Strom.

Zudem ist ein Tesla die patentierte Stromverschwendung auf vier Rädern: Das Modell 3, der Vorläufer des künftigen SUV Y, verbraucht auf 100 Kilometern 20,9 Kilowattstunden, wie der ADAC jüngst getestet hat. Allerdings, das sei zugegeben, gibt es Elektroautos, die sogar noch schlimmer sind: Der elektrische Audi 55 quattro kommt auf 25,8 Kilowattstunden und der elektrische Jaguar auf 27,6 Kilowattstunden pro 100 Kilometer.

Diese Zahlen sind sehr abstrakt, bedeuten aber umgerechnet, dass ein Tesla pro Jahr mehr Strom verbraucht als eine dreiköpfige Familie in ihrem Privathaushalt. Und selbst das nur, falls der Tesla nicht häufiger bewegt wird als ein normales Auto. Davon ist aber nicht unbedingt auszu­gehen, schließlich wird ein Tesla nicht angeschafft, um den Carport zu verzieren. Ein Tesla will gefahren werden.

Er ist das perfekte Symbol für unseren Umgang mit Energie: Wir halten sie für unerschöpflich. Der Ökostrom soll genauso sprudeln wie bisher das Öl, das sogar dann noch mühelos verfügbar ist, wenn in den Fördergebieten ein Krieg ausbricht. Öl war nie kostbar, also wird es gedankenfrei verschwendet. Ähnlich ignorant wird nun Strom verschleudert, um Autos auf 240 Stundenkilometer zu bringen. Doch so banal es ist: Ökostrom ist nicht Öl. Öl war nie knapp, aber Windkraft ist es. Leider. Den Klimawandel gäbe es nicht, wenn es andersherum wäre. Aber diese Scheinwelt existiert nur im Tesla-Katalog.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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