Tariflohn für Pflegende: Schluss mit der Teilung

Es soll mehr Geld geben für Pflegekräfte. Doch es fehlt ein einheitlicher Tarif – und ein Ende der Aufteilung in gesetzliche und private Kassen.

Pflegekräfte demonstrieren in Berlin vor dem Brandenburger Tor

Pflegekräfte demonstrierten am 12. Mai unter dem Motto „Der Pflege geht die Luft aus“ in Berlin Foto: M. Golejewski/adora press

Doch, es gibt Fortschritt in der Pflege. Schon vor Corona sind die Löhne in der Kranken- wie in der Altenpflege überdurchschnittlich gestiegen. Dank Corona ist nun auch die gesellschaftliche Anerkennung für Pflegeberufe gewachsen. Das Pflegethema lässt sich nicht mehr als unschön und überkomplex wegwischen.

Die Minister Hubert Heil (SPD) und Jens Spahn (CDU) haben nun beschlossen, dass nur Pflegeheime, die Tariflöhne zahlen, noch Geld aus der Pflegekasse bekommen sollen. Viele Pflegekräfte, die bisher den Pflegemindestlohn hatten, werden bald mehr bekommen. Jedenfalls wenn die Union diese Kabinetts-Einigung nicht mehr zerschießt, wie es zuletzt mehrfach passiert ist.

Nur: „Tariflöhne“ klingt hier besser, als die Sache ist. Denn Tarife gibt’s in der Pflege im Übermaß. Das Ziel dieses Jahres hätte ein Tarif für alle sein müssen, der Übersicht und Verlässlichkeit gegeben hätte. Diesen einheitlichen Tarifvertrag aber haben Ende Februar die Arbeitgeber zerschossen – namentlich die Christenmenschen von Caritas und Diakonie. Ihnen waren ihre kirchenbedingten Sonderrechte wichtiger als die Aufwertung der mitmenschlichen Sorgearbeit.

Der Pflegeplan der Bundesregierung ist daher nur die zweitbeste Lösung. Denn ein wichtiges Problem der Pflege bleibt dabei bestehen: die enorme Unübersichtlichkeit der Branche, die zu krassen Gehaltsunterschieden und immer nur halbgaren Ansätzen führt, wenn es etwas zu verbessern gilt.

Diese Unübersichtlichkeit war politisch gewollt. Hurra, Wettbewerb – so lautete das Motto bei der Errichtung des Pflegesystems. Seitdem dient es vor allem Anbietern, die Standards drücken wollen: die Lohnstandards, aber auch ­Qualitätsstandards, über die noch zu reden sein wird.

Erst einmal aber müssen höhere Löhne auch bezahlt werden. Heils und Spahns Finanzierungsvorschlag gewährt da bestenfalls noch Aufschub. Die Zusatzbelastung von Kinderlosen ist zwar minimal. Aber hier wird an einer Schraube gedreht, die spalterisch wirkt. Das war schon bei der Einführung des Kinderlosen-Zuschlags 2005 keine gute Idee. Und die eingeplante eine Milliarde Euro Steuermittel wird schneller weg sein, als die künftige Regierung „Pflegefinanzreform“ buchstabieren kann.

Klar ist: Die zu Pflegenden werden eine bessere und besser entlohnte Pflege nicht bezahlen können. So wird bald die Systemfrage wieder auf den Tisch müssen: Wie lange wollen wir uns noch die Aufteilung in gesetzliche und private Kassen leisten? Diese Teilung ist unlogisch, ineffizient – und für die Gesellschaft zu teuer.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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