Studie über nachwachsende Rohstoffe: Problemfall Bioplastik
Bio-Kunststoff und Bio-Treibstoffe bekommen in Europa Subventionen in Millionenhöhe. Dabei schaden sie Atmosphäre und Artenschutz.
Eine aktuelle Untersuchung der Brüsseler Rechercheorganisation „Corporate Europe Observatory“ (CEO) kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Die Produktion von Kunststoffen und Treibstoffen aus nachwachenden Rohstoffen läuft demnach den EU-Zielen zu Klima- und Artenschutz entgegen. Trotzdem wird sie mit hunderten von Millionen Euro in Forschungsgeldern subventioniert.
„Fossile Treibstoffe durch Pflanzen in Industrieprozessen zu ersetzen ist noch schlechter für das Klima und die Biodiversität als unsere momentane Situation“, heißt es in der Studie „Research and Destroy“. Am Modell der industriellen Bio-Industrie sei „nichts nachhaltiger als an der momentanen Landwirtschaft, Waldpolitik, Fischerei und Abfallwirtschaft“, heißt es in der Untersuchung, die am Montag veröffentlicht wird und der taz vorab vorliegt. Experten aus Umweltverbänden, Wissenschaft und Behörden teilen diese Kritik.
Die Studie untersucht die Arbeit der Brüsseler Organisation BBI (Bio Based Industries Joint Undertaking). Sie ist eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP), in der Unternehmen der Agrar-, Chemie- und Energieindustrie über die letzten sieben Jahre mit 2,7 Milliarden Euro aus privaten und 975 Millionen aus öffentlichen Geldern Projekte vorantreiben und für ihre Branche Lobbyarbeit machen.
Das Geld fließt etwa in Raffinerien für biobasierte Chemikalien, die Produktion abbaubarer Kunststoffe oder die Forschung für Pestizide auf Bio-Basis oder für Fleischersatz, erklärt die BBI. In den aktuellen Debatten um den neuen EU-Haushalt und den europäischen „Green Deal“ soll die Industrie ähnliche Unterstützung bekommen.
Kaum positiver Effekt auf Biodiversität
Diese Subventionen aus Steuermitteln sieht das Gutachten sehr kritisch. Die Hilfen ignorierten die „zerstörerischen Folgen für Europas Kohlenstoffspeicher, Böden und Wälder“, heißt es. Eine Ausdehnung der Biomasse-Nutzung ohne Einschränkung beim Verbrauch von Fossilen „kombiniert das Schlechteste aus beiden Welten: Kohlenstoffspeicher zu eliminieren und noch mehr CO2 auszustoßen“, schreiben die Autoren.
Nach ihren Recherchen sieht die Bio-Industrie dieses Problem auch selbst. Nur 10 Prozent der Projekte mit BBI-Geldern, schreiben sie, „sagten voraus, dass ihre Projekte einen positiven Einfluss auf die Biodiversität hätten“. Nur 27 Prozent sähen dadurch eine bessere Nutzung von erneuerbaren Ressourcen.
Mehr als 70 Prozent der Mittel fließen nach den Recherchen von CEO in die umstrittene Herstellung von Bio-Plastik und in Treibstoffe. Dazu finanziere BBI mit Steuergeld seine eigene Lobbyarbeit und unterstütze den Import von Rohstoffen, die in anderen Ländern ohne Rücksicht auf soziale oder ökologische Standards produziert werden. Es fehle an Transparenz und die Industrie leiste nicht ihren Teil der versprochenen Finanzierung des BBI, so die Vorwürfe.
Vom BBI war auf Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten. Elmar Baumann vom Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), der nicht am BBI beteiligt ist, sagt allerdings: „Die Vorwürfe sind genauso alt wie unbegründet.“ Die Treibhausgasbilanzen zeigten, dass „alle hiesigen Biokraftstoffe drastisch besser sind als fossile Kraftstoffe“.
Nachhaltige Biokraftstoffe seien „die einzige in derzeit in nennenswerter Menge vorhandene Alternative, sie emittieren bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgase als fossile Kraftstoffe. Nur mit Biokraftstoffen können Bundesregierung und EU ihre Klimaschutzziele erreichen.“
Laut Baumann nutzen heimische Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse nur einen Teil der Pflanze für Biodiesel oder Bioethanol. Gleichzeitig liefere die Industrie gentechnikfreie Eiweißfutter für die Milchbauern und Glycerin für die Pharmaindustrie.
Auch Umweltbundesamt sieht Probleme
Mit dem Misstrauen gegenüber der Branche und ihrer staatlichen Unterstützung steht CEO allerdings nicht allein. Auch das deutsche Umweltbundesamt „teilt die kritische Haltung gegenüber einer Förderung der Bio-Industrie“, sagt Expertin Ines Oehme. Nachwachsende Rohstoffe sollten vorrangig für die Ernährung genutzt werden. Zwar sei ihre Klimabilanz unter Umständen besser als bei fossilen Stoffen, aber deutlich schlechter beim Flächenverbrauch, der Überdüngung und der Versauerung von Böden.
Eine mögliche CO2-Einsparung könne nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung sein: „Anders als beim CO2-Ausstoß gibt es für verlorene Biodiversität keine einfachen Maßstäbe zur Bewertung“. Eine hohe öffentliche Förderung sei auch deshalb kritisch, weil „Bio-Kunststoffe bisher nur etwa ein Prozent aller Kunststoffe ausmachen“, so Oehme.
Schon vor zwei Jahren hatte das UBA gewarnt, die neue EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien (RED II) könne „minimalen oder sogar negativen Nutzen für den Klimaschutz“ bedeuten. Wenn die Verbrennung von Holz gegenüber Fossilen als CO2-Einsparung gerechnet werde, müsste man diese Emissionen „eigentlich in anderen Bereichen kompensieren“, bis sie nach Jahrzehnten durch neu wachsende Bäume wieder ausgeglichen seien. Eine solche „CO2-Schuld“ werde aber in der Richtlinie „schlicht aus den Berechnungen ausgeschlossen.“
In den letzten Jahren sind die Warnungen lauter geworden, dass ein breit angelegter Umstieg von fossilen auf biobasierte Rohstoffe ein Holzweg sein könnte. Eine Studie des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung fand 2019, weltweite berge eine Ausdehnung der Biomasse-Plantagen „enorme Risiken“ für Nährstoffkreisläufe, Artenvielfalt und Wasserhaushalt. Biomasse könne „nur in begrenztem Umfang“ beim Klimaschutz helfen.
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