Strengere Verkehrsregeln für E-Scooter: Ende der Anarchie

Achtlos auf Gehwegen abgestellte E-Roller ärgern nicht nur Sehbehinderte. Immer mehr Städte gehen nun gegen die mobilen Stolperfallen vor.

Achtlos weggeworfene E-Roller liegen in der Innenstadt von Frankfurt

Immer wieder blockieren Roller die Gehwege in Städten Foto: Ralph Peters/imago

taz | BERLIN „So kann es nicht bleiben“, twitterte die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker schon vor mehr als einem Jahr. Anlass waren achtlos abgestellte E-Scooter überall in der Stadt, etliche Hundert mussten auch aus dem Rhein gefischt werden. In immer mehr deutschen Städten und Kommunen erhalten daher Regeln Einzug für das Abstellen von E-Scootern – wie etwa in Berlin oder auch Köln.

Von den Rollerverleihern werden dort mittlerweile sogar sogenannte Sondernutzungsgebühren eingefordert. Für einen E-Roller innerhalb des Berliner S-Bahn-Ringes zahlen Verleiher nun 36 Euro pro Fahrzeug im Jahr an die Stadt. In Köln sind es sogar bis zu 130 Euro, wenn der Roller in der Innenstadt unterwegs ist. Geregelt wird dies per Satzung: Die E-Roller werden als „Sondernutzung“ der Straße eingestuft.

„Wir zahlen solche Gebühren in mittlerweile über 40 Städten in Deutschland“, sagt Patrick Grundmann, Sprecher vom Verleiher Tier, der sowohl in Berlin als auch in Köln seine ersten E-Roller anbot. „Grundsätzlich sind wir gar nicht gegen eine Gebühr“, meint Grundmann im Gespräch mit der taz. „Aber sie muss verhältnismäßig sein.“

Eine Klage von Bolt, LimeBike und Voi und dem Verleiher Tier vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Zahlungen, die die nordrhein-westfälische Stadt im Sommer 2022 verhängte, ist kürzlich gescheitert. Ebenso wie der dort eingereichte Eilantrag von Tier – das Unternehmen machte auf die großen Gebührenunterschiede aufmerksam. Für einen E-Roller fällt in Köln eine bis zu dreizehnfach höhere Jahresgebühr an als für ein Leihfahrrad, monierte Tier.

Verleiher klagten gegen Rollergebühren der Stadt

In vielen Städten scheint das Problem mit den Scootern aber nicht anders in den Griff zu bekommen sein. Das Verwaltungsgericht hat bestätigt, dass die von der Stadt Köln veranschlagte Gebühr für die Fahrzeuge gerechtfertigt sei. Sie trage dem Umstand Rechnung, „dass es immer wieder zu Behinderungen auf Fuß- und Radwegen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte oder umgefallene E-Scooter“ komme. Köln hatte schon zuvor versucht, die Anzahl der Roller in der Innenstadt auf 500 pro Verleiher zu begrenzen, und Abstellverbotszonen im ganzen Stadtgebiet eingerichtet.

„Für viele wird der E-Roller noch immer mehr für den Spaß genutzt“, sagte Silvia Josten vom Bundesverband eMobilität (BEM) der taz. „Und nicht als ein ernstzunehmendes Verkehrsmittel wie das Fahrrad, wo jeder die Regeln schon im Kindesalter lernt.“

Dabei unterliegen die Scooter, die seit 2019 auf deutschen Straßen offiziell zugelassen sind, der Straßenverkehrsordnung. Gehwege dürfen demnach für das Abstellen von E-Rollern nur dann genutzt werden, wenn diese damit nicht versperrt werden. Das Parken auf Radwegen ist nicht erlaubt.

Dass Städte wie Köln oder Berlin nun Gebühren von den Verleihern einfordern, „trifft eigentlich die Falschen“, findet Josten. „Nicht die Anbieter, sondern diejenigen, die die E-Roller nicht ordnungsgemäß nutzen, sollten eigentlich auch dafür die Kosten tragen“, meint sie. Gezielt Bußgelder zu verhängen, ist für die Mitarbeitenden des städtischen Ordnungsamts aber schwierig, da Kleinstfahrzeuge, zu denen die Roller zählen, ohne Führerschein ausgeliehen werden können.

Viele der Anbieter, auch der Verleiher Tier, versuchen die Kosten daher in anderer Form an die NutzerInnen weiterzugeben. So konfigurieren sie ihre Apps so, dass der Mietvorgang nicht abgeschlossen werden kann, wenn die Scooter falsch abgestellt werden. Im Anschluss fällt für die NutzerInnen dann auch eine Zusatzgebühr an.

Alle 77 Meter sind Gehwege blockiert

Allerdings sollten die Anbieter auch ein eigenes Interesse daran haben, dass die Roller zu keinen Behinderungen etwa für FußgängerInnen im Stadtgebiet führen. Im Zweifel müssen die Fahrzeuge von den Verleihern schließlich selbst – wie schon etwa in Köln geschehen – aus den Gewässern gefischt oder beim Falschparken eingesammelt und an geeigneten Orten wieder abgestellt werden.

Laut einer Studie des Fußgänger-Lobbyvereins Fuss und des Allgemeinen Blinden- und Sehbehinderten-Vereins in drei Berliner Bezirken blockieren Leihräder, Scooter oder E-Mopeds im Schnitt etwa alle 77 Meter die Gehwege. Blinde Menschen würden im Schnitt sogar alle 59 Meter von einem der Fahrzeuge behindert, was zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko führe, argumentieren die beiden Vereine.

So erscheint es folgerichtig, dass Städte wie Köln oder Berlin nicht nur die Nutzung der Scooter regulieren, sondern auch zusätzliche Stellplätze für die Roller im Stadtgebiet schaffen wollen. Die Verkehrsverwaltung in Berlin kündigte bereits an, dass E-Roller auch auf Autostellplätzen geparkt werden dürften. Zudem soll es künftig sogenannte Sammelparkplätze der örtlichen Verkehrsbetriebe für Scooter geben. In Köln wurden in der Innenstadt ebenfalls zwei zentrale Abgabestellen eingerichtet. Allein Tier bietet im gesamten Kölner Stadtgebiet aber rund 3.500 Scooter zum Verleih an.

„Grundsätzlich unterstützen wir den Ansatz, Parkflächen einzurichten“, sagt Tier-Sprecher Patrick Grundmann der taz. Vor allem in den Innenstädten. „Aber es passiert einfach viel zu langsam.“ Für die Außenbezirke strebten die Verleiher aber weiterhin ein „free-floating“ Modell an, bei dem die Scooter dezentral ausgeliehen und auch wieder abgestellt werden können. Schließlich würden die FahrerInnen die Roller dort meist für die letzten Meter bis zur Haustür nutzen.

Ob sich Tier in Zukunft wegen zu hoher Nutzungsgebühren mit seinem Angebot aus Köln ganz zurückziehen könnte und lieber auf andere Städte wie etwa Berlin konzentriere, wo außerhalb des S-Bahn-Ringes gar keine Gebühren für die Roller anfallen, dazu könne man der taz derzeit nichts Konkretes sagen, so das Unternehmen. Der Roller-Verleiher aber hält sich offen, gegen das Urteil des Oberverwaltungsgericht Kölns in Berufung zu gehen.

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