Streit um E-Scooter in Berlin: Wie breit sind 2,30 Meter?

Die Bedingungen, unter denen der Senat künftig das Aufstellen von E-Scootern genehmigen will, stoßen auf harsche Kritik.

Viele E-Scooter stehen chaotisch herum

Foto: E-Scooter-Chaos: Hat hier jemand einen Zollstock dabei?

BERLIN taz | „Wir haben die Einschätzungen von Mitgliedern des Gremiums Fußverkehr zur Kenntnis genommen“, hieß es am Freitag knapp aus der Senatsverwaltung für Mobilität. Bei den Einschätzungen handelt es sich um harsche Kritik an dem Regelwerk, mit dem das Haus von Bettina Jarasch (Grüne) künftig das E-Scooter-Chaos auf den Berliner Gehwegen in den Griff bekommen will.

Wie berichtet, tritt am 1. September eine Novelle des Berliner Straßengesetzes in Kraft, nach der das Anbieten von Sharingfahrzeugen wie E-Scootern erstmals als Sondernutzung gilt, die einer Genehmigung bedarf. Mit dieser können dann Gebühren verknüpft werden, aber auch sogenannte Nebenbestimmungen – etwa das Verbot des Abstellens an bestimmten Orten oder die Pflicht, dabei bestimmte Abstände zu wahren.

Der Verein Fuss veröffentlichte am Donnerstag Teile der Muster-Sondernutzungsgenehmigung, die der Senat für Anbieter wie Tier, Bolt, Bird und Lime vorbereitet. Während Gebühren erst nach Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung zum 1. Januar 2023 erhoben werden können, gelten die Nebenbestimmungen schon ab September.

In der Vorlage heißt es unter anderem, dass rund um bereits vorhandene ausgewiesene Abstellflächen ein Radius von 100 Metern gilt, in dem das Abstellen bzw. die Rückgabe der Roller durch KundInnen tabu ist. Eine mit der Fahrzeugortung verknüpfte Rückgabesperre lässt sich ohne Weiteres bewerkstelligen, sie gilt des Weiteren für Parks, Fußgängerzonen, Brücken oder Friedhöfe. In vielen Fällen haben die Anbieter ihre Apps schon heute so programmiert.

Komplizierter wird es auf dem Gehweg, wenn keine ausgewiesene Abstellflächen in der Nähe vorhanden sind – und von denen es bislang gerade mal ein paar Dutzend in Berlin gibt. Die Anbieter müssen ihren NutzerInnen deshalb etliche Regeln vermitteln. So dürfen Roller nur noch „mindestens 10 Meter gemessen vom Schnittpunkt der Fahrbahnkanten“ von Straßenkreuzungen entfernt stehen, ein Abstellverbot herrscht auf Mittelinseln oder Gehwegüberfahrten.

Dass der Roller auch keine Fußgängerüberwege, Radfahrfurten an Ampeln oder Aufzüge von U-Bahnhöfen blockieren soll, lässt sich auch mit gesundem Menschenverstand nachvollziehen. Für „verlängerte Haltestellenbereiche“ dürfte das schon weniger gelten, und wenn laut der Vorlage bei Roller-Parken 2,30 Meter „Restgehwegbreite“ übrig bleiben müssen, wird es noch komplizierter.

Gebäudekante – oder was?

Die erwähnte Kritik des Gremiums Fußverkehr greift das auf. Es sei ja schon unklar, was mit der Restbreite gemeint sei: die Entfernung bis zur Gebäudekante oder der tatsächliche Raum, der ja oft auch durch andere Nutzungen eingeschränkt ist. „Zudem bräuchten die Nutzer Meßgeräte, um korrekt abzustellen“, heißt es in der Stellungnahme, die unter anderem VertreterInnen des Ordnungsamts Charlottenburg-Wilmersdorf und der BSR, ein Mitglied des Fachstabs Verkehr in der Landespolizeidirektion, der Vorsitzende des Fuss e. V., Roland Stimpel, sowie die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Christine Braunert-Rümenapf, unterzeichnet haben.

Verstöße sind „in großer Zahl zu erwarten“

„Nach allen bisherigen Erfahrungen“ seien Verstöße gegen diese Abstellregeln „in großer Zahl zu erwarten“, es gebe aber „kein ausreichend differenziertes und mit personellen Ressourcen unterlegtes Verfahren“, um diese Verstöße zu erfassen und zu bewerten. Nur so aber könnten sie eventuell zu einem Entzug der Sondergenehmigung führen. Fazit: Die Regelungen seien „nicht durchsetzbar und daher wirkungslos.“ Oder, in den Worten von Fuss-Chef Stimpel: ein „lahmes Bürokratie-Monster“.

Fazit der Fuß-ExpertInnen: Es dürften aktuell nur Sondernutzungserlaubnisse für Bereiche erteilt werden, wo schon eine ausreichende Abstell-Infrastruktur auf definierten Flächen vorhanden ist. Unter den aktuellen Bedingungen käme das einem fast flächenhaften Verbot von Sharing-Scootern gleich. Trotz aller Kritik dürfte die Mobilitätsverwaltung einen solchen Schritt bis auf Weiteres scheuen.

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