Streit vor der Fraktionsklausur: Linke auch beim Klima gespalten
Umweltverbände loben das Klimakonzept der Linken. Doch Ex-Parteichef Klaus Ernst sieht darin „Autofeindlichkeit“ und fordert weitreichende Änderungen.
Wenn es um den Klimaschutz geht, war die Linkspartei schon immer breit aufgestellt: Während sie als Regierungspartei in Brandenburg jahrelang an der Seite der Kumpel gegen einen schnelleren Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohle kämpfte, beteiligten sich viele Linken-Abgeordnete gleichzeitig an Anti-Kohle-Protesten im Hambacher Forst oder an den Braunkohle-Blockaden der Initiative „Ende Gelände“.
Während der Parteivorstand sich im vergangenen September mit den Protesten gegen die Automesse IAA solidarisierte, schaute Linken-Wirtschaftsexperte und Porschefahrer Klaus Ernst dort unter anderem neue Sportwagen an. Und je nachdem welche*r Abgeordnete sich äußert, ist ein CO2-Preis in Pressemitteilungen der Linksfraktion mal ein gerechtes und wirksames Instrument gegen den Klimawandel (“Einnahmen aus CO2-Bepreisung als ‚Öko-Bonus‘ zurückzahlen“), mal eine unsoziale und unwirksame Zumutung (Mitteilung von Klaus Ernst).
Bisher standen solche widersprüchlichen Positionen einfach nebeneinander. Doch bei der Fraktionsklausur der Linken, die an diesem Donnerstag und Freitag stattfindet, könnte es zum Showdown kommen. Denn dort steht endlich der „Aktionsplan Klimagerechtigkeit“ auf der Tagesordnung.
Dieses 80-seitige Papier war im Sommer von mehreren Abgeordneten, darunter der Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin und die Verkehrspolitikerin Sabine Leidig, erarbeitet worden. Im Oktober wurde es von einem der fünf Arbeitskreise der Fraktion, jenem für sozialökologische Transformation und Haushalt, verabschiedet. Anschließend sollte es eigentlich im November von der ganzen Fraktion beschlossen und parallel zu den Protestaktionen von Fridays for Future und Ende Gelände in der Bundespressekonferenz vorgestellt werden. Doch daraus wurde nichts: Nach Widerstand aus der Fraktion beschloss die Fraktion nur das einleitende Kapitel – über den Rest soll auf der Klausurtagung entschieden werden.
Klaus Ernst, Die Linke
Und dabei zeichnet sich eine deutliche Kontroverse ab. Denn in der Umweltszene mag der Aktionsplan auf große Zustimmung stoßen: „Das Konzept bietet wirklich viele gute Lösungsansätze“, meint etwa Barbara Metz, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe. Doch aus den Reihen der WirtschaftspolitikerInnen der Fraktion gibt es erhebliche Widerstände. Das zeigen zahlreiche Änderungsanträge, die der taz vorliegen. Neben der weitreichenden Forderung, ihn zu einem unverbindlichen Diskussionspapier herunterzustufen, gibt es zahlreiche konkrete Änderungswünsche: Bekämen diese eine Mehrheit, würden sie den Plan inhaltlich deutlich abschwächen und teils ins Gegenteil verkehren.
Besonders deutlich zeigt sich das beim Thema Verkehr. Hier fordert der Aktionsplan neben weniger und kleineren Autos unter anderem den „schrittweisen Übergang zum Nulltarif“ im Nahverkehr und ein „Verbot von Kurzstreckenflügen zu Orten, die in 5 Stunden mit der Bahn zu erreichen sind“. Alle diese Forderungen möchte der wirtschaftspolitische Sprecher Klaus Ernst streichen lassen. „Ich will beim Fliegen keine Verbote, sondern bessere Alternativen“, sagte er der taz. Kostenlosen Nahverkehr lehnt er mit dem Argument ab, dass das Geld für den notwendigen Ausbau „auch über die Ticketpreise reinkommen“ müsse.
Sabine Leidig, Die Linke
Auch über die Frage, wie Pkws in Zukunft angetrieben werden sollen, gibt es keine Einigkeit. Die Umweltpolitiker der Fraktion fordern im Aktionsplan „das Aus für den Verbrennungsmotor ab 2030“ und plädieren für reine Elektroautos. Synthetische Kraftstoffe, die aus Strom hergestellt werden, lehnen sie für Pkws ab, denn damit „benötigen Fahrzeuge je gefahrenen Kilometer etwa 4–5 Mal so viel Energie wie mit direkter Stromnutzung in Elektroautos“, heißt es im Klimaplan.
Ernst will dagegen einem Änderungsantrag zufolge „möglichst viele gut bezahlte Industriearbeitsplätze“ erhalten und dafür auch auf „Verbrennungsmotoren, die mit Biogas oder Synfuels laufen“ setzen. Dass dafür weitaus mehr Ökostrom erforderlich ist, stört ihn nicht. Er setzt im Einklang etwa mit dem BDI ohnehin darauf, dass Deutschland künftig in großem Ausmaß erneuerbar erzeugte Kraftstoffe importiert: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir die grüne Energie allein in der Bundesrepublik produzieren können.“ Besonders dafür geeignet sei die Arabische Halbinsel, meint Ernst.
Warnung vor neuen Importabhängigkeiten
Auch hier gibt es einen grundlegenden Konflikt mit den KlimapolitikerInnen der Fraktion, die entsprechende Pläne im Aktionsplan als „Aufbau neuer Importabhängigkeiten mit internationalen Konflikten“ entschieden ablehnen. Zudem verweisen sie darauf, dass die entsprechenden Wirtschaftszweige im Ausland „noch nicht einmal im Ansatz existieren“.
Über die Einzelforderungen hinaus zeigen sich auch grundlegende Unterschiede. So stört sich Ernst insgesamt am Tonfall des Aktionsplans. „Ich lese darin eine gewisse Autofeindlichkeit, die die Wähler gegen uns aufbringt“, sagt er. Und: „Ich möchte, dass wir CO2 reduzieren, aber nicht, dass wir den Menschen eine andere Lebensweise aufzwingen.“ Das sieht Sabine Leidig als Mitautorin des Aktionsplans Klimagerechtigkeit ganz anders. „Ohne eine Änderung unserer Lebensweise, die auf systematischer Ausbeutung anderer beruht, können wir weder sozial noch ökologisch gerechte Verhältnisse schaffen“, sagte sie der taz.
Linken-Klimaexperte Beutin hofft, dass der Aktionsplan bei der Klausur ohne größere Änderungen verabschiedet wird. „Beim Klimaschutz sollte die Linke klar Flagge zeigen, statt auf die Taktik der Auto- und Energiekonzerne reinzufallen, die wie immer schon zur Verteidigung ihrer Interessen das Ende von Industriestandort, Jobs und Wohlstand an die Wand malen“, meint er.
Unklare Mehrheitsverhältnisse
Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist offen – die Mehrheitsverhältnisse in der Fraktion beim Klimathema sind unklar. Einerseits haben sich die KlimaschützerInnen in der Vergangenheit mehrmals durchsetzen können, etwa mit der Forderung, den Klimanotstand zu erklären. Andererseits ist Beutin bei der Wahl zum Fraktionsvorstand zweimal gescheitert.
Und die Fraktionsführung hat sich bisher nicht klar positioniert. Der Vorsitzende Dietmar Bartsch zeigt für beide Seiten Verständnis. „Ja, ich kann Leute verstehen, die fragen, was es bringen soll, bei uns CO2 zu reduzieren, wenn in Brasilien der Regenwald brennt“, schrieb er vor wenigen Tagen in einem Gastbeitrag für die Welt. „Andererseits bewegt die Klimapolitik zu Recht eine ganze Generation, die weiß, dass ein ‚Weiter so‘ unsere Existenz gefährdet.“
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