piwik no script img

Streit um Omri Boehm in BuchenwaldDer Kritiker stört

Der Philosoph Omri Boehm soll nicht in Buchenwald sprechen. Israelische Regierungsvertreter werfen ihm „Instrumentalisierung“ des Holocaust vor.

Der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm soll nicht in Buchenwald sprechen. Die Anwürfe gegen ihn sind mehr als dünn Foto: Christian Charisius/dpa

Am 11. April 1945 wurde das Konzentrationslager Buchenwald befreit. Panzerdivisionen der 3. US-Armee überrollten den Bereich der SS. Widerstandsgruppen des Internationalen Lagerkomitees besetzten das Lagertor. Am Sonntag wird der Befreiung gedacht, sprechen sollen unter anderem der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) und Naftali Fürst, der das Lager überlebte. Der Philosoph Omri Boehm, der auf der zentralen Gedenkveranstaltung sprechen sollte, wird jedoch keine Rede halten, es kam zum Konflikt zwischen der Gedenkstätte und Vertretern der israelischen Regierung.

Sie werfen Boehm vor, den Holocaust mit der Nakba zu vergleichen. Er sei ein Wortführer jener, die das Gedenken an den Holocaust „in­strumentalisierten“. Boehm einzuladen sei nicht nur empörend, sondern „eine eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer“.

Diese Vorwürfe sind so schwerwiegend wie unpräzise. Letzteres mag daran liegen, dass man Boehm – der sich auf den Humanismus und die Vernunft der Aufklärung beruft und sich mit einer Präzision, die man penibel nennen könnte, auszudrücken pflegt – derart platte Behauptungen und Absichten schwerlich wird nachweisen können.

Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, sagte dem RBB, er habe dem Druck nachgegeben, um zu verhindern, dass Überlebende in den Streit hineingezogen werden. „Einem Enkel einer Holocaust-Überlebenden das Wort zu versagen, das ist wirklich das Schlimmste, was ich in 25 Jahren Gedenkstättenarbeit erlebt habe.“ Hier werde Geschichtspolitik auf dem Rücken der Opfer betrieben.

Der Angriff auf Boehm folgt einem Muster

Boehm hat sich scharf gegen linke Apologeten des antisemitischen Hamas-Terrors gewandt und kritisiert die „postkolonial“ begründete Argumentation, Humanismus sei eine westliche Ideologie, die sich gegen Nichtweiße richte. Vor Kurzem plädierte er dafür, den Begriff des Genozids korrekt anzuwenden: „Benutzt Ka­­tegorien des Völkerrechts als juristische Begriffe, und zwar in scharfer Abgrenzung von einer moralischen und ideologischen Verwendung.“

Der Angriff auf die Reputation des Philosophen dürfte vielmehr mit dem Umstand zu tun haben, dass Boehm die Politik der derzeitigen israelischen Regierung kritisiert und den Vorwurf für plausibel hält, dass die israelischen Streitkräfte im Gazakrieg „schwere Verbrechen ge­gen die Menschlichkeit“ begangen haben. Er besteht auf der Universalität der Menschenrechte.

Die Verurteilung Boehms folgt demselben Muster wie die vor Kurzem erfolgte Intervention des israelischen Bildungsministers, der die Verleihung des renommierten Israel-Preises an die Soziologin Eva ­Illouz untersagte, die seit dem 7. Oktober eine der eloquentesten Botschafterinnen der israelischen Demokratie ist. Deren Interessen scheinen jedoch in Regierungskreisen derzeit wenig Fürsprecher zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

45 Kommentare

 / 
  • Was er sagen wollte ist heute in der SZ nachzulesen:

    www.sueddeutsche.d...31805?reduced=true

    Leider hinter einer Bezahlschranke

  • Ich teile die Ansicht des Autors, dass es eine kluge Entscheidung des Gedenkstättenleiters Jens-Christian Wagner war, Omri Boehm von der Gedenkveranstaltung wieder auszuladen.



    Nicht, dass Herr Boehm etwa die falschen Worte im Kontext des Shoa-Gedenkens unterstellt werden müssten, nein, es war richtig, dieses Gedenken frei von tagespolitischen Auseindersetzungen zu halten. Dafür hat dann Christian Wulff als Hauptredner (und zuvor schon Wagner mit deutlicheren Worten) den richtigen und angemessenen Ton gefunden.



    Abgrundtief schämen sollten sich die israelische Regierung und Ihr Botschafter in Berlin, Ron Prosor, die sich nicht scheuten, dass Gedenken an die Shoa ideologisch-parteipolitisch zu instrumentalisieren und somit auf dem Rücken der wenigen Buchenwald-Überlebenden auszutragen.

    • @Abdurchdiemitte:

      "... nein, es war richtig, dieses Gedenken frei von tagespolitischen Auseindersetzungen zu halten."

      Leider ist es nicht gelungen. Wie Sie der Presse sicherlich schon entnommen haben, meinte eine Rednerin, sie müsste vor den 90-100-jährigen Überlebenden, die der in Buchenwald Ermordeten gedenken und sie ehren wollten, etwas über den "Genozid in Gaza" ins Mikrofon brüllen, als wäre sie auf einer Israelkritiker- und Pro-Palästinenserdemonstration.

      • @*Sabine*:

        Also, immer mal langsam mit den jungen Pferden.



        Zum einen wäre es extrem hilfreich, Sie würden auch die Quelle verlinken, nach der IRGENDEINE Rednerin vor den anwesenden Buchenwald-Überlebenden IRGENDWAS über den Genozid in Gaza ins Mikrofon gebrüllt haben soll - ich habe bisher nichts dergleichen gefunden (kann aber auch an meiner selektiven Wahrnehmung liegen😉).



        Zum anderen: ja, welchen Sinn machen Gedenkveranstaltungen, wenn dort nicht auch über die Lehren gesprochen würde, die aus solchen Menschheitsverbrechen wie der Shoa zu ziehen sind?



        Und sind die Lehren verstanden worden? Ist die Welt seitdem zu einem besseren Ort geworden (und Sie können mir abnehmen, dass ich dabei nicht bloß an Gaza denke - Kriegsverbrechen und Völkermord geschehen gerade jetzt im Augenblick an vielen Orten der Welt).



        Solange das so ist, MÜSSEN wir davon sprechen - auch und gerade auf Holocaust-Gedenkveranstaltungen.



        Die, die hier das Gedenken „politisieren“ und instrumentalisieren wollten, sind diejenigen, die auf die Ausladung Omri Boehms gedrängt haben.

        • @Abdurchdiemitte:

          "Zum einen wäre es extrem hilfreich, Sie würden auch die Quelle verlinken, ..."

          Hier der Nachweis; ich lies ihn weg, weil ich nicht sicher war, ob YouTube-Videos hier erlaubt sind und es ohnehin in vielen (allen?) Medien thematisiert wurde.

          Siehe ca. 1:08:10.

          www.youtube.com/watch?v=d2MymC2xOjg

          www.youtube.com/watch?v=d2MymC2xOjg

        • @Abdurchdiemitte:

          Zu Ihrer Frage bzgl. der „Störerin“ habe ich folgendes gefunden:

          „ Buhrufe gab es bei einem Beitrag zu einem Jugendprojekt. Eine junge Teilnehmerin sprach auf Englisch von einem "Genozid" in Palästina. Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner griff ein: Es müsse um die unschuldig Getöteten dort getrauert werden können - aber von einem "Genozid" zu sprechen, gerade an einem Ort wie Buchenwald, gehöre sich nicht. Die junge Teilnehmerin hatte darüber gesprochen, dass aus Buchenwald Lehren gezogen werden müssten - und man auch heute laut werden müsse bei Ungerechtigkeiten.“

          Quelle: ntv

          • @Klabauta:

            "... aber von einem "Genozid" zu sprechen, gerade an einem Ort wie Buchenwald, gehöre sich nicht. ..."

            Ich hätte es naheliegender gefunden, wenn überhaupt, über die Opfer des 07.10.23 und danach zu sprechen, die alt genug waren, um die Konzentrationslager teilweise überlebt zu haben. Es wurden ja Überlebende der Konzentrationslager getötet. Diese Verknüpfung hätte meiner Meinung nach besser zu dieser Gedenkveranstaltung, auch als Mahnung, gepasst.

          • @Klabauta:

            "Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner griff ein: ..."

            Meiner Meinung nach erweckt diese Formulierung den Eindruck, er hätte aktiv eingegriffen bzw. die Rednerin unterbrochen, was er nicht tat.

            Sie konnte ihre Rede zu Ende halten und als er danach das Wort ergriff, um auf die unmittelbar bevorstehende Kranzniederlegung hinzuweisen, ging er auf die Behauptung der Rednerin kurz ein.

        • @Abdurchdiemitte:

          "Die, die hier das Gedenken „politisieren“ und instrumentalisieren wollten, sind diejenigen, die auf die Ausladung Omri Boehms gedrängt haben."

          Sind sie, aber sie sind nicht die Einzigen. Auch wer so eine Veranstaltung als Multiplikator nutzen will, um eine durchaus kontroverse Agenda zu pushen, intrumentalisiert letztlich den Anlass machtpolitisch. Das zu verhindern WÄRE legitim. Ob Herrr Boehm sowas tatsächlich vorhatte, oder seine pure Anwesenheit als Redner bereits eine solche Aussage machen würde, steht auf einem anderen Blatt. Da hätte ich meine Zweifel.

          • @Normalo:

            Nun, es stellt sich doch die Frage, ob Herr Boehm gerade deshalb von den Ausrichtern der Gedenkveranstaltung eingeladen wurde, WEIL er eine pointierte und kritische Haltung gegenüber dem zionistischen Anspruch Israels vertritt und diese Kritik zu dieser Gelegenheit mit großer Wahrscheinlichkeit auch geäußert hätte. Diese Vermutung ist allerdings nichts als reine Spekulation, wohingegen die Intention der israelischen Seite eindeutig war - einen Auftritt/Redebeitrag Boehms anlässlich dieses Gedenkens zu verhindern.



            Aber hat die Erinnerung an die Befreiung Buchenwalds durch amerikanische Soldaten nun wirklich nichts mit der Kritik an Vorgehen Israels im Gazakrieg zu tun, nichts mit dem Vorwurf des Genozids, nichts mit der Kritik am zionistischen Staatsverständnis Israels?



            Da gehen unsere Ansichten möglicherweise auseinander. Erinnern Sie sich an den Schwur von Buchenwald, da können Sie die thematische Verklammerung - auch aus der Perspektive der Überlebenden - nicht ganz außer Acht lassen.



            Mit der Ausladung Omri Boehms wurde möglicherweise eine Chance vertan, diese Sachverhalte in einem angemessenen und würdigen Rahmen zu verhandeln.

            • @Abdurchdiemitte:

              Ich halte den Rahmen "Buchenwald - Gedenken" nicht für den richtigen Ort um über den "zionistischen Staatsanspruch" Israels angemessen und würdig zu "verhandeln". Seine eigene Existenz ist für Israel unverhandelbar. Jede, auch eine linke oder zentristische israelische Regierung hätte da intervenieren müssen. Boehms zentrale Agenda ist nicht Kritik am autoritären Staatsumbau unter Netanjahu oder an der israelischen Kriegsführung, sondern mit seinem Plädoyer für einen "binationalen Staat" will er das Ende Israels als jüdischem Staat. Die Juden wären in einem solchen Staat wohl sehr schnell wieder eine mindestens von der Willkür der Mehrheitsbevölkerung abhängige Gruppe. Ein "Mutterland" in welches die angeblichen "Siedlerkolonialisten" zurückkehren könnten gibt es nämlich nicht.

              • @Kai Ayadi:

                Wenn der zionistische Anspruch auf das Land Israel aus der leidvollen Geschichte des jüdischen Volkes in der Diaspora abgeleitet wird - und es geht mir hier nicht darum, zu erörtern, ob das vor dem Hintergrund eines nationalismus-kritischen Ansatzes (den ich vertrete, der aber NICHT ausschließlich auf eine Kritik des Zionismus, sondern JEDWEDEN Nationalismus abzielt) schlüssig ist -, muss es auch möglich sein, die aktuelle Politik des jüdischen Staates im Kontext des Shoa-Gedenkens zu analysieren und zu kritisieren. Alles andere wäre inkonsistent.



                Vorschlag zur Güte: vielleicht war der Rahmen DiESER Veranstaltung (Gedenkfeier, Würdigung der Opfer der Shoa) nicht angemessen, aber grundsätzlich halte ich es für möglich, ja, notwendig, im Kontext des Holocaust auch über heutige Gefahren des Rückfalls in die Barbarei zu reden.



                Und halten Sie mich nicht für so naiv zu glauben, dass der israelische Krieg in Gaza nicht auch diese Gefahren in sich birgt. (Ich sehe dabei sehr wohl, dass dieser Krieg am 7.10.23 von der Hamas heraufbeschworen wurde und bin für meinen Teil immer äußerst zurückhaltend, wenn es um Genozid-Vorwürfe gegenüber Israel geht.)

  • Ich kann nicht erkennen, dass in irgendeiner Form bekannt wäre, WAS Omri Boehm bei der Veranstaltung hätte sagen wollen. Ihn einfach nur auszuladen, weil er Omri Boehm ist und bestimmte antizionistische Thesen vertritt hieße aber, seinen politischen Gegner das Holocaustgedenken ihrerseits für ein tagespolitisches Scharmützel zu missbrauchen.

    Umgekehrt: Nein, lieber "Man muss aber doch sagen dürfen..."-Heißblüter, das Gedenken an die Befreiung eines KZs ist KEINE geeignete Bühne für Strafpredigten in Richtung Israels. Dessen Politik hat da nichts verloren - weder die eine noch die andere Seite des Streits.

    • @Normalo:

      Zu Ihrer letzten Aussage: natürlich nicht. Und Omri Böhm würde ja nicht eingeladen um dort den Nahostkonflikt oder die Politik Israels zu diskutieren. Und es gibt auch keinen Anlass zu glauben, dass jemand wie er eine solche Bühne dergestalt missbrauchen würde. Wirklich nicht. Ich habe Ihn zumindest als sehr umsichtige und verständige Stimme wahrgenommen bisher.



      Aber es geht hier ja um etwas anderes. Es soll einfach niemand sprechen, der -auch- dezidierte Meinungen zur israelischen Politik hat. Und da kommen wir genau am Ende unsrer letzten Diskussion heraus ;) - wenn Leute wie O.B., die ihre Meinungen auf hunderten Seiten und in Stunden an Interviews darlegen konnten, dennoch so einfach zum Schweigen gebracht werden können, wie soll ein Otto-Normal-Bürger noch frei über dieses Thema diskutieren können? Ich denke das geht nicht und ich empfinde diese Ausladung als Menetekel für den Zustand des hiesigen Diskussionsklimas.

      • @Einfach-Jemand:

        Eben, O.B. legt seine Meinung "überall" dar und ihm werden Preise hinterhergeworfen. Jetzt wurde er mal ausgeladen. Als ob "Israelkritik" in Deutschland nicht fast ein Volkssport wäre...

        • @Kai Ayadi:

          „Volkssport“ hierzulande ist in erster Linie die politische Verdrängung dessen, was als Lehre aus der Shoa nötig gewesen wäre - und zwar schon seit Beginn der Bonner Republik bzw. der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel unter der Kanzlerschaft Adenauers.



          Gerne verlinke ich noch mal, was Meron Mendel zu diesem Thema zu sagen hat:



          www.blaetter.de/au...-das-postulat-wert

  • Sehr interessant auch das Interview mit dem Gedenkstättenleiter Jens-Christian Wagner in der Kulturzeit v. 4.4.25:

    www.3sat.de/kultur...mri-boehm-100.html

  • Alles hat seinen Ort, das Gedenken an die Befreiung vor 80 Jahren und die Kritik an israelischer Politik. Für aktuelle Politik ist am 11. April Buchenwald der falsche Ort.

    • @womzie:

      Wieso? Wenn der Holocaust von der (ultra)rechte israelischen Regierung derart instrumentalisiert wird, sollen alle kuschen? Zum Gedenken gehört auch Ehrlichkeit.

    • @womzie:

      Ich denke Sie meinen es gut aber ich muss klar widersprechen. Das Gedenken hat nur einen Sinn: Aktuelle Politik. Ansonsten bleibt nichts als inhaltsleerer Trauerkitsch.

  • Omri Boehm tritt für die Einstaatenlösung ein. Sein Modell einer "Republik Haifa" kann zudem - sofern der von ihm angedachte "Lenkungsausschuss" das in Zukunft vorsieht - auf eine Durchsetzung des "Rückkehrrechts" hinauslaufen. Die jüdische Bevölkerungsmehrheit wäre damit passe und das Judentum wäre wieder mit seiner Schutzlosstellung in der Diaspora konfrontiert. Die Folgen dürften verheerend sein, diese Lehre sollte man doch inzwischen aus mehr als 2000 Jahren Antisemitismus gezogen haben.



    Auch wenn ich die Sympathie mancher Foristen für den Universalismus teile, finde ich es ziemlich durchsichtig, dass dieser hier wieder primär gegen Israel als jüdischen Staat gekehrt wird. So lange der Antisemitismus jüdisches Leben bedroht, braucht es mindestens einen Staat, der für dessen Schutz eintritt.



    Dass Boehm für seinen Antizionismus überdies Fakten und Zitate verdreht, ist schlimm genug. Dass er zum Holocaust-Gedenken schon ziemlich übles Zeug von sich gegeben hat, u.a. von einem "Holocaust-Messianismus" Israels spricht und das Holocaust-Gedenken in seiner gegenwärtigen Form aufgeben möchte, disqualifiziert ihn für eine Rede beim Gedenken in Buchenwald.

    • @Taugenichts:

      „ Dass Boehm für seinen Antizionismus überdies Fakten und Zitate verdreht, ist schlimm genug“

      Können Sie das bitte an einem Beispiel belegen?

    • @Taugenichts:

      Ist es denn tatsächlich so, dass Jüdinnen und Juden außerhalb Israels dem Antisemitismus schutzlos ausgeliefert sind, ohne den jüdischen Staat kein Überleben jüdischer Identität und Kultur möglich wäre? Und ist jüdisches Leben heutzutage innerhalb der Grenzen Israels denn wirklich sicher? Nicht wenige jüdische Stimmen in der Diaspora - und nicht bloß dezidiert antizionistische - würden das verneinen.



      Omri Böhm und andere Jüdinnen und Juden lehnen die Verknüpfung jeglicher jüdischer Identität mit der Nationalstaats-Idee (wie sie der Zionismus propagiert) jedenfalls entschieden ab. Hannah Arendt stand dieser Idee schon früh skeptisch gegenüber - obwohl sie in ihrer Pariser Exilzeit engagiert für die Kinder- und Jugend-Alija arbeitete -, Martin Buber war der Überzeugung, dass die jüdische Landnahme in Palästina nur einvernehmlich mit der arabischen Bevölkerung erfolgen könne.



      Die Genese eines freiheitlich-sozialistischen Gründer- und Arbeiterzionismus zu einer nationalreligiösen völkisch-rechtsextremisten, heute die israelische Gesellschaft dominierenden Ideologie haben Sie aber schon mitbekommen? Und sich nie die Frage gestellt, wieso es so weit kommen konnte?

      • @Abdurchdiemitte:

        "Ist es denn tatsächlich so, dass Jüdinnen und Juden außerhalb Israels dem Antisemitismus schutzlos ausgeliefert sind, ohne den jüdischen Staat kein Überleben jüdischer Identität und Kultur möglich wäre?"

        Wir leben gerade in einer Zeit, die einmal mehr unter Beweis stellt, dass die Fähigkeit, aus der Geschichte zu lernen und ihre Exzesse NICHT zu wiederholen, in der Menschheit wenig verbreitet bleibt. Es mag Orte auf der Welt außerhalb Israels geben, die IM MOMENT jüdischen Mitmenschen eine genau so sichere Heimat sind wie allen Anderen auch. Aber das heißt leider keineswegs, dass Antisemitismus und Vernichtungsphantasien weltweit oder gar dauerhaft verpönt wären. Im Gegenteil können Sie doch dran fühlen, wie tief die Ressentiments sitzen, die sich bei jeder Gelegenheit an Israel entladen (im Gegensatz zu maßvollerer Kritik, die es zu Recht AUCH gibt) - und wie leicht sie auf Juden überschwappen, die überhaupt keine Israelis sind. Nichtmal DAS hat der Holocaust bewirkt.

        Also nein, das antizionistische Szenario würde nicht sofort zum nächsten (oder gar weltweiten) Holocaust führen, ABER ohne Israel gäbe es keinen Ort auf der Welt, wo Juden das selbst ausschließen können.

    • @Taugenichts:

      Sie können 30000 Jahre Antisemutismus bemühen und feststellen, dass ein eigener Staat nie ein langfristiger Schutz für das jüdische Volk war. Weder die Königreiche Juda und Israel, nicht das Reich der Hasmonäer noch das Königreich Herodes' des Großen.

      • @Francesco:

        Ist alles schon eine Weile her, finden Sie nicht? Und es spricht eher für einen krassen Vernichtungswillen der Antisemiten, als gegen den Versuch jüdischer Selbstverteidigung.



        Und war es in der Diaspora etwa besser?

  • Wenn eine Person wie Omri Boehm dort nicht reden kann man auch die Demokratie aufgeben.

  • Der Artikel liefert eine - zugegebenermassen knappe - Einordnung des Streits und bezieht Position, ohne einseitig zu verzerren. Ein insgesamt sehr konstruktiver, positiver Beitrag; ich lese gerne mehr in diesem Stil!

  • Wenn Omri Boehm von beiden Seiten angegriffen wird, muss er irgendetwas richtig gemacht haben...

  • Wer mit Unmenschlichkeit auf Unmenschlichkeit antwortet, verlässt die Gemeinschaft zivilisierter Völker .

  • "Der Angriff auf die Reputation des Philosophen dürfte vielmehr mit dem Umstand zu tun haben, dass Boehm die Politik der derzeitigen israelischen Regierung kritisiert und den Vorwurf für plausibel hält, dass die israelischen Streitkräfte im Gazakrieg „schwere Verbrechen ge­gen die Menschlichkeit“ begangen haben."

    In Buchenwald und anderen dieser Orte, an denen furchtbare Verbrechen an und Massentötungen von u.a. jüdischen Menschen stattfanden, finde ich es tatsächlich pietätvoll, dass keine Israelkritiker (oder Pro-Palästinenser) als Redner erwünscht sind. Bitte nicht an diesen Orten.

    • @*Sabine*:

      Gibt es denn Hinweise darauf, dass Omri über die israelische Politik sprechen wollte?

    • @*Sabine*:

      Wo kämen wir hin, wenn an einem Ort, der dem Gedenken an Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewidmet ist, auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufmerksam machen.



      Dass Sie direkt "Pro-Palestinenser" in Buchenwald ausschließen wollen, zeigt wieder Mal, wo der Hund begraben liegt.



      Mit diesem mindset können wir die Gedenkstätte gleich schließen.

    • @*Sabine*:

      So sehr ich vielfach Ihre Kritik an einem einseitigen Eindreschen auf Israel teile: hier nicht!



      Wenn das, was Sie hier zitieren, tatsächlich das Gravierendste ist, was Sie Boehm vorwerfen, so bleibt es dennoch eindeutig im Rahmen dessen, was an Kritik möglich sein muss. Man darf da ja anderer Auffassung sein, aber selbstverständlich muss sich auch die israelische Politik und Kriegsführung einer öffentlichen Auseinandersetzung über ihr Vorgehen stellen - was sie ja auch in Israel selbst tun muss. Wenn Sie selbst das schon für inakzeptabel halten, geben Sie nur denen recht, die ohnehin ständig behaupten, man dürfe Israel nicht mehr kritisieren.



      Dass die Regierung Nethanjahu (die gerade eben eine Tagung zum Antisemitismus mit lauter Rechtsradikalen veranstaltet hat) ihre fragwürdige Geschichtspolitik und ihren tatsächlich hemdsärmeligen Umgang mit dem Antisemitismusvorwurf nun auch in Deutschland durchsetzen möchte, ist - milde formuliert - ein Unding. Meine persönliche Solidarität (im übrigen auch durch x Unterschriften in offenen Briefen bekundet), gilt Israel und seinen Menschen sowie den hier lebenden Juden, aber nicht Nethanjahu und seinen rechtsextremistischen Knallchargen.

      • @Schalamow:

        Danke!

      • @Schalamow:

        "Wenn Sie selbst das schon für inakzeptabel halten, geben Sie nur denen recht, die ohnehin ständig behaupten, man dürfe Israel nicht mehr kritisieren."

        Ich halte das nicht für inakzeptabel. Mir geht es nur darum, dass Israelkritiker und Pro-Palästinenser nicht gerade in Buchenwald, Auschwitz usw., und besonders nicht an Gedenktagen für die getöteten Menschen, Reden halten sollten.

        Für mich war es bei einer Gedenkveranstaltung am 07.10.24 in Leipzig schwer auszuhalten, dass eine grüne Politikerin über die Menschen in Gaza sprach, nach dem sie sich zu dem Überfall und den Opfern am 07.10.23 nur kurz, oberflächlich und nicht sehr glaubwürdig betroffen geäußert hat; mehr so als Formsache abgehandelt, weil sie es qua Amt vermutlich musste.



        Ich denke einfach, weshalb konnte sie am 07.10., und in Bezug auf den Artikelinhalt, weshalb "muss" man an einem solchen Ort und an einem solchen Tag als Israelkritiker und Pro-Palästinenser "unbedingt" eine Rede halten wollen.Ich finde das nicht nur taktlos und pietätlos, sondern ganz persönlich auch äußerst schmerzlich.

        • @*Sabine*:

          Sie sind offensichtlich nicht bereit, sich z.B. mit Omri Böhm und dessen Thesen auseinanderzusetzen, genauso wenig wie Sie in Erwägung ziehen, dass die derzeitige israelische Regierung Menschenrechtsverletzungen begeht.



          Das nenne ich Nibelungentreue und sehe es als Ende jeder fruchtbaren Diskussion

          • @Klabauta:

            "Sie sind offensichtlich nicht bereit, sich z.B. mit Omri Böhm und dessen Thesen auseinanderzusetzen, ..."

            Zugegebenermaßen habe ich mich mit seinen Thesen nur oberflächlich auseinandergesetzt und auch nicht alles in letzter praktischer (!) Konsequenz verstanden. Seine "Ein-Staat-für-alle-Vision" lehne ich seit dem 07.10.23 ab, davor war ich eine Befürworterin. Ich habe gesehen, gelesen und gehört, wie es jüdischen/israelischen Menschen weltweit seit dem 07.10.23 ergeht.

            "... dass die derzeitige israelische Regierung Menschenrechtsverletzungen begeht."

            Ich ziehe das durchaus in Erwägung und halte es für möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich, nur hätte ich diese Behauptungen gerne sauber analysiert, unabhängig bewiesen und belegt, unter Berücksichtigung des 07.10.23, der geplanten Zerstörung Israels und der Auslöschung jeglichen jüdischen Lebens in (zumindest) der dortigen Region unter Mithilfe des u.a. Iran.

    • @*Sabine*:

      Da mir scheint, dass Sie noch nichts von Omri Böhm gelesen haben, verlinke ich an dieser Stelle gerne noch einmal seine „Rede an Europa“:

      www.iwm.at/news/re...nalen-souveranitat

      Vielleicht kommen Sie dann zu einem anderen Urteil.

    • @*Sabine*:

      Omri Boehm hat sich scharf gegen linke propalästinensische Apologeten positioniert. Aber er ist auch kein Freund der israelischen Rechtsextremen.



      Er war im besten humanististischen und jüdischen Sinne geeignet für die Rede.

      Es sind die israelischen rechten Fanatiker und Apologeten der Kriegsverbrechen die die Oberhand gewonnen haben.



      Es sind Demonstranten, die ihn bei einer Rede "pausenlos verfluchten und ihm auf Hebräisch sagten, seine Kinder sollten Krebs bekommen und seine Frau vergewaltigt werden." www.nzz.ch/report-...wischen-ld.1829758

    • @*Sabine*:

      Aus Orten wie Buchenwald und der Geschichte Deutschlands zu lernen, heißt genau das wofür Herr Boehm steht und eintritt: universelle Menschenrechte! Das steht auch im ersten Artikel unseres Grundgesetzes aus gutem Grund. Das gilt auch für das Völlerrecht. Und das bedeutet eben auch die Verletzung von Menschenrechten überall da anzuprangern wo sie passieren. Schweigen, wegschauen, relativieren, entschuldigen oder gar unterstützen solcher Rechtsverletzungen gab es genug in Nazideutschland, nur so war überhaupt ein Holocaust möglich. Ein Volk zu schützen, indem man fundamentale Rechte wie das Recht auf Selbstbestimmung eines anderen Volkes verletzt, kann nicht der Weg sein und da hat man ehrlich gesagt die falschen Lehren gezogen. Manch einer würde es sogar als heuchlerisch bezeichen wenn man Opfern von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gedenkt, aber es zulässt das gegen andere ebenso Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden. Es sollte möglich sein beide Völker zu schützen und für beide Konsequenzen walten zu lassen wenn sie Völkerrecht brechen. UNIVERSELLE Rechte eben.

      • @Momo Bar:

        Allerdings! Das ist ja die wichtigste Lehre aus dem Holocaust.

  • Die Handlungen der israelischen Regierung und des israelischen Staates sind zutiefst undemokratisch. Denn Meinungsfreiheit und Kritik an der Regierung gehören zu einer Demokratie fest dazu.



    Daher ist die Bezeichnung "einzige Demokratie im Nahen Osten" wohl endgültig überholt.

  • Leute wie Omri Boehm ausladen. Es ist weit gekommen. Man möchte vor Scham im Boden versinken!