Streit über Kindergrundsicherung: Grüne verteidigen Paus' Pläne
Tausende neue Stellen hat die Ministerin für die Einführung der Familienleistung angemeldet – bei SPD und FDP stößt das auf Kritik. Grüne kontern.
Die Grünen dagegen verweisen auf Vereinbarungen innerhalb der Ampel. „Im Koalitionsvertrag haben sich alle drei Parteien darauf verständigt, dass wir die vielen verschiedenen Familienleistungen in der Kindergrundsicherung bündeln und Kinderarmut so tatsächlich bekämpfen. Das Kabinett hat im Gesetzesentwurf gemeinsam festgelegt, dass dafür der neue Familienservice unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit zuständig sein soll“, sagte Stephanie Aeffner, die das Thema für die Fraktion im Bundestag verhandelt, am Dienstag der taz.
Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf, federführend erstellt von der grünen Familienministerin Lisa Paus, liegt dem Bundestag seit September vor. Sichtbare Fortschritte in den Beratungen gab es seitdem kaum. Der Entwurf sieht vor, Leistungen wie das Kindergeld, das Bürgergeld für Kinder und den Kinderzuschlag für geringverdienende Eltern zu bündeln. Als zentrale Stelle soll dafür der neue Familienservice zuständig sein. Hervorgehen würde er aus den bestehenden Familienkassen, die heute schon das Kindergeld auszahlen.
Der ursprüngliche Gedanke dahinter: weniger Bürokratie und mehr Durchblick für die Betroffenen. Tatsächlich könnte der vorliegende Entwurf die Verfahren allerdings verkomplizieren, statt sie zu vereinfachen, warnten Expert*innen in einer ersten Bundestagsanhörung im November. Bisher müssten sich Eltern bedürftiger Kinder nur an das Jobcenter wenden, künftig an mehrere Behörden, hieß es dort etwa.
Der Grünen-Abgeordneten Aeffner zufolge haben die Ampelfraktionen nach der Anhörung die beteiligten Ministerien um eine Prüfung gebeten: Könnten Kinder, deren Eltern Bürgergeld beziehen, weiterhin von den Jobcentern betreut werden? Alle beteiligten Häuser – auch SPD- und FDP-geführte – hätten dagegen verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Die schon vom Kabinett geplante Bündelung für alle Kinder beim Familienservice sei die logische Konsequenz. „Nachdem die Antworten der verschiedenen Ministerien vorliegen, gehe ich davon aus, dass wir die Kindergrundsicherung noch vor der Sommerpause im Bundestag und Bundesrat beschließen werden“, so Aeffner weiter.
Es geht auch um parteipolitische Profilierung
Auch den geplanten Stellenzuwachs verteidigen die Grünen. Die Mitarbeiter*innen im Familienservice sollen laut dem Gesetzesentwurf automatisch prüfen, ob einer Familie neben dem Sockelbetrag der Kindergrundsicherung weitere Leistungen zustehen. Dadurch würden künftig auch Familien erreicht, die eigentlich schon heute leistungsberechtigt sind, aber aus Unkenntnis oder Überforderung keine Anträge stellen. Und mehr Leistungsempfänger*innen bringen eben auch einen höheren Verwaltungsaufwand mit sich.
„Mit den 5.000 Stellen wollen wir von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen“, sagte Familienministerin Paus am Wochenende der Rhein-Zeitung. Die Abgeordnete Aeffner verweist darauf, dass der Personalbedarf von der Bundesagentur für Arbeit selbst so beziffert wurde. „Einer Behörde wie der BA würde ich in solchen Fragen vertrauen. Es ist nicht so, dass wir Grüne diese Zahl gewürfelt hätten“, sagte sie.
Dass sich ihre Partei für die Pläne zur Kindergrundsicherung rechtfertigen muss, ist nicht neu. Schon während der Beratungen im Kabinett wurden die ursprünglichen Modelle abgesteckt. Für das Projekt steht weit weniger Geld bereit als von Paus zunächst gefordert. Zudem werden doch nicht sämtliche Leistungen in der Kindergrundsicherung gebündelt. Vor allem die SPD wirft der Familienministerin auch immer wieder handwerkliche Mängel am Gesetzentwurf vor.
Neben dem Streit um die Sache geht es in der Debatte auch um parteipolitische Profilierung: Viele Grüne hoffen, dass ihrer Partei durch einen Erfolg bei der Kindergrundsicherung mehr sozialpolitische Kompetenz zugeschrieben würde. Die SPD dagegen fürchtet die Konkurrenz der Ökopartei bei ihrem Kernthema – und die FDP möchte in den kommenden Wahlkämpfen nicht mit einem Ausbau des Sozialstaats verbunden werden.
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