Straßenblockaden in Kanada: Diffamierung der Form

Nicht nur Konservative, auch die gesellschaftliche Linke misst bei den Straßenblockaden mit zweierlei Maß. Dabei geht man über die Inhalte hinweg.

Trucker-Proteste in Kanada am Samstag Foto: Ted Shaffrey / ap

Wenn sie Brücken blockieren, tun sie es, um deren Funktion, die Aufrechterhaltung einer für alle offenen Gesellschaft, wiederherzustellen. Dieser Satz stand kürzlich in einem Kommentar der Welt. Kurz konnte man den Eindruck haben, das Autofahrerblatt würde die Au­to­bahn­blo­ckie­re­r:in­nen der „Letzten Generation“ anhimmeln. Doch es ging um querparkende Trucker in Kanada, denen die Impfpflicht nicht gefällt. Bei hiesigen Verkehrsverhinderern schimpft die Welt selbstverständlich über deren zivilen Ungehorsam.

Aber dies soll keine Belustigung über konservative Weltbilder werden. Im Gegenteil. Denn auch die gesellschaftliche Linke ist keineswegs gefeit davor, Protestformen zu geißeln, nur weil sie von anderen mit Inhalt gefüllt werden. Da werden etwa die Spaziergänge der „Querdenker“ als nicht zu akzeptierendes Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei bezeichnet, gegen die nur eines helfe: ein härteres Durchgreifen.

Geht’s noch? Wer jemals auf einer Demo für oder gegen was auch immer war, weiß, dass der Regelbruch, das Katz-und-Maus-Spiel, eine politisierende Erfahrung ist. Das Umfließen von Polizeiketten haben linke Ak­ti­vis­t:in­nen mit der Fünf-Finger-Taktik gar zur Strategie erkoren.

Blockademeister, so viel Protestkunde muss sein, sind übrigens weder linke Klimaaktivisten noch rechtslastige Trucker. Man findet sie vielmehr in Bolivien oder Peru, wo es den dort Lebenden gelingt, per Blockade von Passstraßen in den Anden ganze Regionen lahmzulegen. Von den Regierenden egal welcher Couleur wird auch das stets als nicht akzeptabler Regelbruch abgetan.

Wer mit populistischer Argumentation auf Beifall schielt, mag sich damit begnügen, bei Protesten die Form zu diffamieren. Es ist ja auch schön einfach, weil man sich so die inhaltliche Auseinandersetzung erspart. Doch wer schnöde auf das Einhalten der „Regeln“ pocht, läuft schnell Gefahr, die für alle offene Gesellschaft infrage zu stellen. Dann bräuchte man nicht nur für eine Revolution eine Bahnsteigkarte, sondern für jeden Protest den Segen der Regierenden.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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