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Protest nach kanadischem VorbildKonvoi erreicht Brüssel

Auch in Belgien sollte mit einigen Hundert Fahrzeugen gegen die Corona-Maßnahmen protestiert werden. Doch die Polizei verhinderte die Fahrt ins Zentrum.

Pferdestärke gegen Protest: Berittene Polizei patrouilliert im EU-Viertel in Brüssel Foto: Yves Herman/reuters

Brüssel taz | Der umstrittene Protest der „Freiheitskonvois“, der sich gegen eine Impfpflicht und andere Coronamaßnahmen richtet, hat am Montag auch Brüssel erreicht. Mehrere Hundert Campingwagen, Kleinbusse und andere Fahrzeuge steuerten auf die belgische Hauptstadt zu. Die Polizei sperrte eine Autobahn und verhinderte die Weiterfahrt ins Zentrum.

Die Stadt dürfe nicht „als Geisel“ genommen werden, sagte Brüssels Bürgermeister Philippe Close. Die Teilnehmer, die zum größten Teil aus Frankreich, aber auch aus Deutschland und Belgien kamen, hätten ihren Protest nicht angemeldet, so Close. Die belgischen Behörden hatten bereits am Freitag ein Verbot der Protestkonvois ausgesprochen.

Vor dem Wochenende hatten in Frankreich Gegner der Coronaschutzmaßnahmen im Internet tagelang zu einer Blockade der französischen Hauptstadt aufgerufen, die jedoch nicht zustande kam. Am Samstag hatte die Pariser Polizei Tränengas gegen eine Handvoll Demonstranten bei einer nicht genehmigten Kundgebung auf den Champs-Élysées eingesetzt. Auch in den Niederlanden und in Neuseeland bildeten sich ähnliche Fahrzeugdemonstrationen.

In Brüssel waren nun tausend Polizisten im Einsatz, um ein Verkehrschaos in der Innenstadt und Krawalle im Europaviertel zu verhindern, wie es sie zuletzt Ende Januar gegeben hatte. Brüssel hat sich seit Beginn der Pandemie zu einem Zentrum der Coronaproteste entwickelt. An der letzten Demo nahmen mehr als 50.000 Menschen teil.

Sternfahrten und massive Verkehrsbehinderung

So viele Menschen bringen die „Freiheitskonvois“ nicht auf die Beine. Sie setzen – genau wie ihr großes Vorbild, die Trucker in Kanada – auf symbolische Sternfahrten und massive Verkehrsbehinderungen. In Kanada hatten schwere Lastwagen tagelang die Hauptstadt Ottawa blockiert, auch ein Grenzübergang zu den USA wurde lahmgelegt.

Auch in Belgien geht es nicht nur um ein Ende der Coronamaßnahmen. Die Demonstranten, darunter einige französische „Gelbwesten“, wollen auch auf hohe Energiepreise, steigende Lebenshaltungskosten und andere Alltagsprobleme hinweisen.

„Wir müssen ihnen für ihren Mut danken, diese Bewegung ist historisch“, sagte eine Unterstützerin im belgischen Fernsehen, nachdem sie französischen Demonstranten bei der Anreise geholfen hatte. „Es geht um das gute Leben“, twitterte ein Sympathisant, der sich als Anhänger des französischen Armenpriesters Abbé Pierre ausgab.

Weniger begeistert reagierten Autofahrer in Brüssel, die im Stau festsaßen. Allerdings blieb das befürchtete große Verkehrschaos aus. Die meisten Demonstranten hielten sich an die Anweisungen der Polizei und parkten ihr Fahrzeug in der Nähe des Atomiums am Stadtrand von Brüssel. Von dort ging es mit der Metro in Richtung Innenstadt.

Kleinere Kundgebungen am Rande des Europaviertels

Dort kam es am Nachmittag zu kleineren Kundgebungen im Jubelpark am Rande des Europaviertels. Größere Zwischenfälle wurden zunächst nicht gemeldet. Allerdings nahm die Polizei einige Personen vorläufig fest, weil diese Messer oder andere verbotene Objekte bei sich trugen.

Einige Demonstranten wollten am Abend nach Straßburg weiterreisen, wo das Europaparlament in dieser Woche tagt. Die EU hat die Proteste vor ihrer Haustür bisher ignoriert. Für die Coronamaßnahmen seien die nationalen Regierungen zuständig, heißt es in der EU-Kommission. (mit afp)

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