Protest gegen Coronapolitik in Kanada: Trudeau greift zum Notstandsgesetz

Kanada will entschieden gegen die „Freiheitskonvois“ vorgehen. Es ist das zweite Mal, dass ein Premier in Friedenszeiten vom Notstand Gebrauch macht.

14.02.2022, Kanada, Ottawa: Eine weiße Rose ist unter einem Bungee-Seil befestigt, mit dem eine kanadische Flagge auf die Motorhaube eines Sattelschleppers geschnallt wurde.

Die Regierung will jetzt durchgreifen: ein Protest-Lkw am Montag in Ottawa Foto: dpa

OTTAWA afp/rtr | Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat angekündigt, die Blockaden von Gegnern der Coronamaßnahmen per Notstandsgesetz zu beenden. „Die Bundesregierung hat sich auf das Notstandsgesetz berufen, um die Kapazitäten der Provinzen und Territorien zur Bewältigung der Blockaden und Besetzungen zu ergänzen“, sagte Trudeau am Montag vor Journalisten. Zuvor hatte die Polizei nach eigenen Angaben bei einer Blockade an einem Grenzübergang ein Waffenlager gefunden.

Es ist erst das zweite Mal in der kanadischen Geschichte, dass ein Premierminister in Friedenszeiten von solchen Befugnissen Gebrauch gemacht hat. Trudeau zufolge wird das Militär in dieser Phase noch nicht eingesetzt. Die Behörden hätten nun jedoch mehr rechtliche Möglichkeiten, um Demonstranten zu verhaften, ihre Lastwagen zu beschlagnahmen und die Finanzierung der Proteste zu unterbinden.

Finanzministerin Chrystia Freeland erklärte, dass sich alle Crowdfunding-Programme und die von ihnen genutzten Zahlungsanbieter ab sofort bei der kanadischen Anti-Geldwäsche-Behörde FINTRAC registrieren und verdächtige Aktivitäten melden müssen. „Wir nehmen diese Änderungen vor, weil wir wissen, dass diese Plattformen zur Unterstützung illegaler Blockaden und illegaler Aktivitäten genutzt werden, die der kanadischen Wirtschaft schaden“, sagte Freeland.

Auch Konten von Personen, die unter Verdacht stünden, die „Freedom Convoy“-Proteste zu unterstützen, könnten ohne einen Gerichtsbeschluss vorübergehend eingefroren werden. Darüber hinaus werde die Versicherung der an den Blockaden beteiligten Lastwagen ausgesetzt. Die kanadischen Behörden erklärten, dass etwa die Hälfte der Finanzierung der Proteste von US-Unterstützern stammt.

Gewehre und Munition in mehreren Lkw

Mit sogenannten „Freiheitskonvois“ blockieren Lkw-Fahrer derzeit mehrere Grenzübergänge zu den USA sowie die Hauptstadt Ottawa. Am Wochenende hatten die Behörden bereits die wichtige Ambassador-Grenzbrücke geräumt, die die kanadische Provinz Ontario mit der US-Metropole Detroit verbindet.

Am Montag entdeckten die Behörden an einem blockierten Grenzübergang zwischen Coutts im Bundesstaat Alberta und dem US-Bundesstaat Montana Gewehre und Handfeuerwaffen sowie „große Mengen Munition“ in mehreren Lkw. Insgesamt elf Verdächtige wurden festgenommen. „Die Gruppe soll bereit gewesen sein, Gewalt gegen die Polizei anzuwenden, falls Versuche unternommen würden, die Blockade zu stören“, erklärte die Polizei.

Die Aktionen der Lkw-Fahrer hatten aus Protest gegen die Impfpflicht bei Grenzübertritten begonnen, die Mitte Januar von Kanada und den USA eingeführt worden war. Ungeimpfte kanadische Lkw-Fahrer müssen demnach bei der Rückkehr aus den USA in eine 14-tägige Quarantäne, US-Fahrer ohne Impfung dürfen gar nicht ins Land. Mehrere kanadische Bundesstaaten haben mittlerweile angekündigt, die Impfpasspflicht aufzuheben, darunter Ontario, Alberta und Saskatchewan.

Inzwischen richten sich die Proteste allgemein gegen die Coronaregeln und gegen die Regierung von Premierminister Trudeau. Die Proteste haben weltweit Nachahmer gefunden, unter anderem in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Israel und Neuseeland.

Das kanadische Notstandsgesetz kann im Fall einer „nationalen Krise“ herangezogen werden. Es erlaubt der Bundesregierung „vorübergehende außerordentliche Maßnahmen“. Zuletzt war es 1970 vom Vater des amtierenden Regierungschefs, Pierre Elliott Trudeau, angewandt worden, um die Armee nach Québec zu schicken, nachdem dort Separatisten einen britischen Handelsattaché sowie einen Minister entführt hatten. Der Minister, Pierre Laporte, wurde später tot in einem Kofferraum gefunden.

Mehrere Ministerpräsidenten der Bundesstaaten hatten vor Justin Trudeaus Ankündigung ihren Widerstand gegen die Anwendung des Gesetzes zum Ausdruck gebracht.

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