Strafloses Massenmorden: Die Toten, die niemand zählt
Immer neue Superlative müssen herhalten für das Leid im Gazastreifen, in der Ukraine oder Sudan. Strafen für Kriegsverbrechen muss niemand fürchten.

D ass Menschenleben in der Politik keine Rolle spielen, ist bekannt. Wie viele Kriegstote gibt es im Gazastreifen, in Libanon, in der Ukraine. Wie viele Hungertote in Sudan? Wer ist schuld? Niemand kann die Toten alle zählen. Und sie zählen nicht. Diejenigen, die den Kriegsopfern beistehen, kommen dem Horror gar nicht mehr hinterher. In der Ukraine sind schätzungsweise eine Million Soldaten auf beiden Seiten tot oder verwundet, es gibt Zehntausende tote Zivilisten.
„Nirgendwo sonst auf dem Planeten stehen so viele Menschenleben auf dem Spiel wie heute in Sudan“, sagte am Samstag nach der Rückkehr aus Darfur Jan Egeland, als ehemaliger UN-Untergeneralsekretär eine der profiliertesten Figuren der humanitären Hilfe weltweit. Und zwei Wochen zuvor: „Das Leid ist fast ohne Parallele irgendwo in der jüngeren Geschichte“ über die Lage im Gazastreifen, in den Egeland Anfang November reiste. Israels Vorgehen sei „rechtswidrig und jenseits jeder Vorstellung“.
Wer sich an vergangene Massenmorde erinnert – Ruanda, Kambodscha, Kongo, Südsudan oder Bosnien – wundert sich darüber nicht. „Nie wieder“ war immer ein ahistorischer frommer Wunsch. Aber muss man hinnehmen, dass bis heute kein wirksames Mittel gegen das „Immer wieder“ gefunden wurde? Die auf UN-Ebene erdachte „Schutzverantwortung“ der Weltgemeinschaft für bedrohte Zivilbevölkerung wurde nie Wirklichkeit.
Der Internationale Strafgerichtshof, gegründet zur Ahndung von Völkerstrafverbrechen weltweit nach den Ad-hoc-Tribunalen zu Ruanda und Ex-Jugoslawien, steht vor dem Aus, weil seine Arbeit ständig blockiert wird. Die einen wollen Wladimir Putin nicht verhaften, die anderen Benjamin Netanjahu nicht, darunter schändlicherweise die Bundesregierung. Wer den einen vor der Justiz schützt, schützt damit auch den anderen. Am Ende steht auch Deutschland als Saboteur der Weltjustiz da.
Zusammengenommen ergibt das eine Weltgemeinschaft, die keine ist. Jede und jeder Tote ist eine zu viel. Und alle zusammen sind zu wenig, damit etwas passiert.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung