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Steigende Gewalt in ArztpraxenPöbelnde Patienten

Vorfälle mit aggressiven Patienten nehmen zu, warnt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Gassen. Er fordert mehr Schutz vom Staat.

Wann bin ich endlich dran? Die niedergelassenen Ärzte klagen über zunehmenden „Radau“ von Patienten Foto: Frank Hoermann/imago

Osnabrück afp | Die niedergelassenen Ärzte haben sich wegen zunehmender Gewalt von Patienten alarmiert gezeigt. „Aggressives Verhalten, verbale Bedrohungen bis hin zu Tätlichkeiten sind ein wachsendes Problem in den Arztpraxen. Nicht nur in Notaufnahmen, auch bei den Niedergelassenen eskaliert die Lage immer öfter“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV, Andreas Gassen, der Neuen Osnabrücker Zeitung (Dienstagsausgabe).

Offene Aggression und ein extrem forderndes Verhalten hätten deutlich zugenommen. „Es geht um verbale, es geht um physische Gewalt. Ich hatte selbst schon einen Patienten, der eine Tür kaputt getreten hat“, sagte Gassen.

Bislang habe „so ein asoziales Verhalten null Konsequenzen“, fuhr er fort. „Deshalb muss das Gesetz von Justizminister Marco Buschmann zum besseren Schutz von Einsatzkräften auf die Arztpraxen ausgeweitet werden.“ Es sei überfällig, das Strafgesetz an der Stelle zu verschärfen, denn „auch Praxen müssen sich nicht alles bieten lassen“.

In der Regel hätten Patienten und Ärzte ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. „Es gibt aber eine kleine, leider aber größer werdende Klientel, die wirklich schwer erträglich ist“, sagte Gassen.

Ein „Nationen-übergreifendes Phänomen“

Zu den „Übeltätern“ gehörten Menschen mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge und Deutsche. Dass sich Patienten nicht benehmen könnten und eine „schräge Einschätzung der eigenen Behandlungsdringlichkeit“ hätten, sei „ein Nationen-übergreifendes Phänomen“, sagte Gassen.

Es häufe sich allerdings, dass bei einem Kranken „sechs Leute (…) als Begleitung mit in die Praxis oder die Notaufnahme“ kommen und „Radau“ machen. Dies sei „bemerkenswert und extrem unangenehm“.

Die Politik habe das Problem noch nicht ausreichend auf dem Schirm, sagte Gassen. „Aber es ist genauso unerträglich, wenn Feuerwehrleute mit Flaschen beworfen werden, wie wenn Krankenhaus- oder Praxismitarbeiter bedroht oder körperlich angegangen werden, weil irgendein Vollidiot meint, sein Schnupfen müsste jetzt sofort behandelt werden und er sei nicht freundlich genug behandelt worden.“ Es brauche in solchen Fällen deutliche und schnelle Strafen, sonst komme die Botschaft bei einigen Menschen nicht an.

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28 Kommentare

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  • Erfahrungsbereicht beim Orthopäden (natürlich nicht repräsentativ):



    Telefonisch ist NIE jemand zu erreichen, Termine bekommt man nur noch über Doktolib, wo öfter mal ohne Angabe von Gründen Termine gestrichen werden, wenn man Informationen möchte muss man vor Ort erscheinen und mindestens eine halbe Stunde warten, meistens eher eine bis drei Stunden. Wartezimmer viel zu klein, auf dem Flur stehen verboten, also müssen teilweise 80jährige draussen bei jedem Wetter vor der Türe stehen (ohne Sitzmöglichkeiten) und warten bis sie hoffentlich in weniger als einer Stunde an die Reihe kommen. Gewalt ist zwar nicht in Ordnung aber natürlich sind die Leute sauer und frustriert, die Qualität und auch der Leistungsumfang der ärztlichen Behandlungen nimmt überall kontinuierlich ab.....es ist aber zu einfach den Ärzten dafür alleine die Schuld zu geben, die sind auch überfordert

  • Nun, wir müssen jetzt unser Zusammenleben neu aushandeln... .

  • Wenn maus beim Hautarzt abklären lassen will, ob es sich um Fußpilz handelt, wartet maus zwei Monate auf einen Termin.



    Besenreißer weglasern? Kommen Sie doch nächste Woche am Montag.



    Jetzt ist eigentlich klar, welcher Patient (m/w/d) schwer erträglich und wo die Behandlungsdringlichkeit lokalisiert ist.

    • @0 Substanz:

      Dann sollte "maus" überlegen, ob das der richtige Arzt ist. Zumindest in größeren Städten gibt es mehrere davon.

      Aber das ist kein Grund zu randalieren.

      Als meine Hausärztin vor fünf Jahren, leider zurecht Hautkrebs bei mir vermutet hatte, bekam ich innerhalb von zwei Wochen einen Termin beim Hautarzt, obwohl ich vorher nie bei ihm gewesen war.

      Und bei meinem Orthopäden bekam ich - kein Notfall - innerhalb einer Woche einen Termin, beim Urologen ebenfalls.

  • "Sechs Leute als Begleitung..." - also auf die Idee muss man erstmal kommen, dass man in die Notaufnahme die Großfamilie bzw die Gang mitbringt. Krasse Entwicklung.

  • „Es häufe sich allerdings, dass bei einem Kranken „sechs Leute (…) als Begleitung mit in die Praxis oder die Notaufnahme“ kommen und „Radau“ machen. Dies sei „bemerkenswert und extrem unangenehm“.“

    Und das ist mit Sicherheit kein Problem, dass besonders oft bei Westeuropäern auftritt. Seid einmal ehrlich.

    • @Suryo:

      Das Problem lässt sich bestimmt durch Verdächtigungen lösen.

      Nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, dass unser profitorientiertes Gesundheitssystem das Problem ist...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ist das in den Notaufnahmen der (staatlichen) Universitätskliniken etwa anders?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        An solchen Problemen kann auch ein funktionierendes Gesundheitssystem nichts lösen, da braucht es grundlegende Verhaltensänderungen seitens der Patienten und ihrer Angehörigen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Es hilft nichts, kulturelle Faktoren zu leugnen.

        Im Gegenteil, es schadet. Wo kulturelle Faktoren ein Problem sind, können sie auch Teil der Lösung sein.

        Aber dazu muss man sich ihre Existenz eingestehen und nicht reflexhaft so tun, als sei alles, was unter Umständen mit der Herkunft zu tun haben könnte, pfui.

        Zumal man das bei positiven Eigenschaften wie Gastfreundschaft seltsamerweise nie tut. DA wird nur zu gern mit Zuschreibungen gearbeitet.

        • @Suryo:

          Die Problemlösung besteht definitiv nicht darin, das Problem auf Migranten zu schieben.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Klar, man kann auch das persönliche Verhalten, also das Nichteinhalten einfachster Umgangsregeln, (z.B. gegenüber medizinischem Personal) auf "das System" schieben.

  • Etwas unfair vom Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das Problem ausschließlich auf ungeduldige, pöbelnde Patienten zu schieben … natürlich sind verbale und physische Übergriffigkeiten in Arztpraxen ein No Go, wie auch sonst im Leben. Keine Frage.



    Wer in der offenen Sprechstunde einer Psychiatrischen Ambulanz nach fünf (!) Stunden (die vom Personal bei Anmeldung in Aussicht gestellte Wartezeit liegt dort immerhin schon bei zwei, drei Stunden) endlich eine Behandlung bekommt, kann sich nur wundern, dass die wartenden Patienten noch ganz geduldig die Contenance bewahren … obwohl sie zum Teil die Wartezeiten stehend auf den Fluren der überfüllten Ambulanz verbringen müssen und auch das über Stunden. Und auch DAS sind überwiegend die von Herrn Gassen kritisierten Bevölkerungsgruppen.



    Man kann von Glück reden, dass solche unerträglichen - und ich muss sagen, für die Betroffenen unwürdigen - Situationen nicht längst schon eskaliert sind.



    Realität des deutschen Gesundheitssystems, vor allem im Psychiatrie-Bereich. Statt die gesundheitspolitischen Missstände endlich anzugehen, steht demnächst noch die Security im Wartezimmer!

    • @Abdurchdiemitte:

      Trotzdem kein Grund, ausfallend zu werden. Die Ärzte in der Ambulanz können nichts für lange Wartezeiten.

  • Neulich ist mein vor über einem halben Jahr vereinbarter Termin beim Facharzt kommentarlos via E-Mail abgesagt worden. Nächster Termin, den ich mir selber buchen musste (Ausweichtermine wurden genauso wenig angeboten wie eine Erklärung): in fünf Monaten. Natürlich macht das aggressiv. Ich habe es natürlich nicht ausgelebt, sondern bin als Selbstzahler zu einem anderen Arzt gegangen, weil mir die Sache dringlich vorkam. Dort hätte ich auch in fünf Monaten einen Termin als Kassenpatient bekommen, so aber hatte man nach 36 Stunden für mich Zeit. Wahrscheinlich wurde dafür ein anderer seit sechs Monaten feststehender Termin kommentarlos abgesagt. Das System ist marode. Ich verstehe den Zorn. Die selbstgefälligen Sprechblasen der Ärztevertreter*innen tragen das Ihre bei.

    • @My Sharona:

      Angriffe gibt es aber auch sehr oft in Rettungsstellen und Notaufnahmen, und oft nicht unbedingt deswegen, weil ein Patient warten muss. Es gibt Gruppen, da ist es sozial und kulturell akzeptiert, seine Sorge um ein krankes oder verletztes Familienmitglied in Form von Aggression gegen gerade zufällig anwesende Außenseiter auszuleben. Das sind oft die Gruppen, die es für völlig normal halten, gleich mit zig Mann im Krankenhaus aufzukreuzen.

  • Die Zündschnur ist allegemein kürzer geworden bei vielen Leuten, da müssen Krankenhausmitarbeiter die allgemeine Lebenswut der Menschen ausbaden. In keiner Weise akzeptabel, hier muss es für die nicht behandlungsbedürftigen, randalierenden Familienmitglieder Hausverbote, ggf. auch polizeilich durchgesetzt, geben.



    Trotzdem darf man auch über den Tellerrand hinausdenken, hat die Wut auch mit den Verhältnissen, z.B. auch im Gesundheitssystem, zu tun?

    • @Bambus05:

      Deutschland hat weltweit mit die größte Krankenhausdichte. Man muss ehrlicherweise sagen, dass wir hier verwöhnt sind. Jetzt wird die Versorgung angepasst. Zurecht. Jeder der akut krank ist, wird sofort behandelt.



      gerne mal in die Niederlande oder nach England schauen

    • @Bambus05:

      Bei manchen sind aber auch die Ansprüche völlig überzogen bzw. das Wissen über Krankheit und Gesundheit gering. Es gibt Helikopter-Eltern, die es allen Ernstes für völlig gerechtfertigt halten, am Wochenende einen Krankenwagen zu rufen, weil das Kind seit 2 Stunden 38 Grad Fieber hat, und die dann fassungslos sind, wenn man im Krankenhaus gereizt auf diese überflüssige Belastung reagiert - oder auch nicht gereizt, sondern einfach nur höflich erklärt, dass es sich nicht um einen Notfall handelt und man es ja mal mit kalten Wadenwickeln versuchen könnte.

  • Ich will das Verhalten nicht entschuldigen, aber die Praxen tragen nicht gerade zur Deeskalation bei.



    Bei meinem letzten Arztbesuch hatte ich um 08:30 einen Termin, bin dann um 13:00 dran gekommen (sogar als Privatpatient), Wartezimmer und Treppenhaus der Praxis waren voll mit wartenden Patienten.



    Viele mussten vor Ort ihre Kinderbetreuung, Arbeitszeit, Fahrgelegenheit neu organisieren, dies sind leider keine Einzelfälle.



    Teilweise extrem überforderte Arzthelferinnen und endlos klingelnde Telefone



    tragen auch nicht zu einer gemäßigten Stimmung bei.

    • @thomys:

      Nennt sich Ärztemangel. Ausflippen hilft dagegen nicht.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nö das nennt sich schlechte Organisation

  • Ich bin sehr impulsiv und auch recht aggressiv: der Psychiater sagt: Sie müssen sich beruhigen.



    "Herr Doktor: mein Problem ist, ich KANN mich nicht beruhigen...."



    Der Doktoer: "aber sie MÜSSEN sich beruhigen"

    WIE ich mich beruhigen soll hat mir noch keiner gesagt. Geholfen hat mir auch keiner.

    Jetzt nutze ich THC und rege mich nicht mehr auf...brauche auch keinen Arzt mehr...

  • Man hat den Eindruck, die Zahl der Bekloppten steigt exponentiell.

    Was geht im Kopf eines Menschen vor, der Rettungskräfte angreift oder in einer Arztpraxis randaliert? So etwas macht einfach nur fassungslos.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      rp-online.de/nrw/p...-mehr_aid-16724641

      "Sprechen Ärzte anonym, bekommt man dagegen eine andere Antwort. "Es ist nicht angenehm, das so zu trennen, aber wir haben in Deutschland einen ganz anderen Umgang mit Diagnosen und Schmerzen, als in vielen anderen Kulturkreisen", sagt Meischner, der in Wahrheit anders heißt."

      "Viele Migranten wählen sehr häufig den Notruf, obwohl ihnen eigentlich nichts Schlimmes fehlt. Sie sehen ihn mehr als eine Art Bereitschaftsdienst, der ihnen sagen soll, ob sie zum Arzt müssen." Aus dem Ruder laufe die Situation dann, wenn der Mediziner den Patienten erklären will, dass der Notarzt nur bei Notfällen zu rufen ist. "Viele werden dann richtig aggressiv. Neulich hat mich etwa ein südosteuropäischer Patient als ahnungslosen Praktikanten beschimpft. Einfach nur, weil ich ihm erklärt habe, dass er kein Notfallpatient ist"

      ""Oftmals halten sie sich nicht an die Regeln und so bekommt der Patient mehr Besuch, als zu diesem Zeitpunkt gut für seine Genesung ist." Die Bitte um Rücksicht durch den Arzt sei wieder einer dieser Momente, der oft im Streit ende."

  • Leider ist das Problem der „Patienten, die in Gruppen kommen und sofortige Behandlung fordern, auch für Kleinigkeiten, speziell bei Personen mit Migrationshintergrund verortet.



    Normal kommt man höchstens mit einer weiteren Begleitperson, um Notaufnahmen oder Praxen nicht zu verstopfen. Diese Klientel denkt, je mehr Leute, desto schneller komme ich dran bzw. kann so mehr Druck aufbauen.

    • @DocSnyder:

      "Zu den „Übeltätern“ gehörten Menschen mit Migrationshintergrund, Flüchtlinge und Deutsche. Dass sich Patienten nicht benehmen könnten und eine „schräge Einschätzung der eigenen Behandlungsdringlichkeit“ hätten, sei „ein Nationen-übergreifendes Phänomen“, sagte Gassen."

      Einfach den Artikel lesen...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Das ist doch wie immer Schönfärberei wenn versucht wird ein Problemfeld der Migration anzusprechen.



        Kommen Sie doch einfach mal ein Wochenende hospitieren in unserem städtischen Krankenhaus in der Notaufnahme oder bei meiner Frau in der Arztpraxis. Kann ich beides ganz einfach organisieren. Es sind zu 90% die immer gleichen Problemfälle von Großfamilien die im Verbund auftauchen und lautstark eine Behandlung einfordern.



        Früher brauchten wir jedenfalls keinen Sicherheitsdienst im Klinikum. Schon der Gedanke ein Patient könne tätlich einen Arzt angreifen, wäre mir in meiner Kindheit noch lächerlich vorgekommen.



        Dieser Versuch jedes Problem mit der Migration mit semantischen Fingerübungen einfach wegzudefinieren, hat die AfD erst so stark gemacht. Ich weiß Sie meinen es gut. Sie sind aber genau mit der Haltung mehr Teil des Problems als der Lösung.