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Stasibelasteter Staatssekretär in BerlinHolm tritt zurück

Andrej Holm gibt den Posten des Berliner Staatssekretärs für Wohnen wieder ab. Damit kommt er einer Entlassung aus dem rot-rot-grünen Senat zuvor.

Nun also doch: Um nicht entlassen zu werden, tritt Holm von sich aus zurück Foto: dpa

Berlin dpa | Der stasibelastete Berliner Staatssekretär für Wohnen, Andrej Holm (parteilos), tritt zurück. Das teilte er am Montag in einer Erklärung auf seiner Internetseite mit. „Heute ziehe ich eine Reißleine“, schrieb er. Damit kam der 46-Jährige einer von Regierungschef Michael Müller (SPD) geforderten Entlassung aus dem rot-rot-grünen Senat zuvor.

„In den letzten Tagen haben mir SPD und Grüne deutlich gemacht, dass sie mich als Staatssekretär politisch nicht unterstützen“, schrieb Holm. Die Koalition selbst stehe an einem Scheideweg, das zeige der mehrfache Bruch von Vereinbarungen. „Ich werde der zerstrittenen SPD nicht den Gefallen tun, sie auf meinem Rücken zerplatzen zu lassen“, erklärte Holm. Zuerst hatte der Tagesspiegel berichtet.

Der 46-jährige Stadtsoziologe war vor gut einem Monat von der Linken in die Landesregierung berufen worden. Nach wochenlangen Debatten über falsche Angaben zu seiner Stasi-Tätigkeit in der Wendezeit hatte Müller am Samstag angekündigt, dass er den Wissenschaftler nicht länger im Senat haben will.

Er habe die zuständige Senatorin Katrin Lompscher (Linke) „nach reiflicher Überlegung und intensiven Gesprächen mit den Koalitionspartnern“ gebeten, dem Senat eine Vorlage zur Entlassung Holms zuzuleiten, erklärte Müller. Holm habe gezeigt, dass er für ein Regierungsamt ungeeignet sei.

Linke hält wohl an Koalition fest

Die rot-rot-grüne Landesregierung steckt nun knapp sechs Wochen nach dem Start in der ersten großen Krise. Die Linke warf Müller unabgestimmtes Vorgehen vor. Denn eigentlich hatten die Partner verabredet, vor einer Entscheidung über die Zukunft Holms eine Stellungnahme der Humboldt-Universität abzuwarten. Die prüft personalrechtliche Schritte gegen ihren bisherigen Angestellten, weil er 2005 in einem Fragebogen eine hauptamtliche Stasi-Mitarbeit verneint hatte. Die Stellungnahme ist für Mittwoch angekündigt.

Erste Signale deuten darauf hin, dass die Linke die bundesweit erste „R2G“-Koalition unter Führung der SPD wegen der Causa Holm nicht scheitern lassen will. Die Partei- und Fraktionsspitze sieht allerdings erheblichen Gesprächsbedarf mit SPD und Grünen. Holms Rücktritt erspart der Partei nun eine eigene Entscheidung, ob sie an ihm festhält und damit einen Bruch der Koalition riskiert oder nicht.

Holm ist bundesweit das erste bekannte Regierungsmitglied, das hauptberuflich für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hatte. Die unzutreffende Information im Fragebogen der Universität erklärte er mit Erinnerungslücken. Er habe nicht wissentlich falsche Angaben gemacht.

Holm hatte die Frage, ob er hauptamtlicher Mitarbeiter des DDR-Ministeriums war, mit Nein beantwortet. Dass Holm Stasi-Offizier werden wollte und in der Wendezeit 1989/1990 fünf Monate lang unter anderem eine militärische Ausbildung bei Einheiten der Staatssicherheit absolvierte, hatte er 2007 publik gemacht.

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19 Kommentare

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  • Verdammt. Große Chance vertan. Obwohl: sollte ja eigentlich nicht von einzelnen Personen abhängen.

  • Die Einschätzung von Ulrich Schröter, der für die evang. Kirche nach der Wende über diffizile Stasifälle entscheiden musste, fand ich fair (taz-Interview 6.1.17).

    Letztlich ist das Leiden vieler Opfer staatssicherheitlicher Gewalt höher anzusetzen als die politischen Ambitionen eines Einzelnen. Ich hatte wie Müller eher Probleme mit der allzu lockeren Aufarbeitung von André Holm, in dessen DDR-light viele gerne gelebt hätten.

    • @Ataraxia:

      Daher wäre es sinnvoll, Ex-SED Mitglieder und Ex-Stasi´s aus den führenden politischen Ämtern zu entlassen. In der R-R-G Koalition gibt es ganz gewiss einige.....

      Und Ostalgie mag im Ossi-Laden lustig sein - in der Politik ist sie nur noch nervig, weil rückwärtsgewandt.

  • Na klar doch! Bevor SPD und Grüne eine tatkräftige soziale Wohnungspolitik unterstützen, üben sie sich lieber in altbewährtem Antikommunismus. Das ging auch bei ihrem großen Vorbild CDU schon immer weg wie warme Semmel.

    • @Rainer B.:

      Bitte nicht alle Kommunisten in einen Topf werfen und die Diktatur-Hansels aus der DDR, der Stasi, nicht mit den aufrechten Kommunisten welche auch in der DDR oder der SU den Mund nicht all zu weit aufmachen durften in einen Topf werfen. Rosa Luxemburg hat schon Jahrzehnte angesichts des Real nicht existierenden Sozialismus im Grabe rotieren müssen.

      • @Rudolf Fissner:

        Manche haben sogar einen ganz speziellen Antikommunismus herausgebildet, der sich hinter vermeintlichen Differenzierungen versteckt.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Nicht immer in die Opferrolle flüchten! Die Linke hätte auch die Koalition aufkündigen können. Hat sie aber nicht getan. Wundert mich auch nicht. So ist das nunmal, wenn man nicht mehr nur aus der Opposition heraus anklagen kann, sondern selbst in der Verantwortung ist.

      • @33523 (Profil gelöscht):

        Opferrolle? Nöö. Soziale Wohnungspolitik ist ja nicht von einer einzigen Person abhängig. Holm hätte darin sicher vieles bewegen können. Jetzt wird die Linke sich erstmal nach adäquatem Ersatz umschauen. Die Koalition aufkündigen - das kann sie doch immer noch.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Ein ehemaligs NSDAP Mitglied, mit Namen Genscher, konnte sogar Aussenminister werden und erhielt noch Lob dafür, dass er sich zum Demokraten gewandelt habe.

    Sowatt!!

    Na ja, so einer wird dem Kapital ja auch nicht gefährlich.

    Holm hätten sie abgesägt so oder so, davon bin ich überzeugt.

  • Kleines Quiz: Filbinger, Kiesinger, Genscher, Holm - wer fällt da aus der Reihe?

    • @Ivande Ramos:

      Holm! Bei ihm wurde letztendlich alles richtig gemacht. ;-)

  • Der MfS-Schuldkult fordert seinen Tribut.

    Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer hatte recht, als er schon vor Jahren ein Aufgehen der MfS-Akten in einem Freudenfeuer forderte.

     

    Einigermaßen retten könnte Lompscher die Sache, wenn sie jetzt jemand wie Peter Grottian oder Michael Prütz als Staatssekretär nominiert.

  • Merle Groneweg , Autor*in ,

    Andrej Holm selbst im Übrigen hat einen guten Kommentar formuliert zu dem politischen und medialen Wahnsinn, den die Entscheidung über seine Personalie begleitete:

     

    "Dass Regierungsmitglieder nun frohlocken, endlich mit der Arbeit zu beginnen, kann nur verwundern. In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen jedenfalls hatten wir bereits mit der Arbeit begonnen und haben zusammen mit einer professionellen und für die neue Politik aufgeschlossenen Verwaltung in den wenigen Wochen einige Ergebnisse erzielt. Wir haben die Mieterhöhungen im alten sozialen Wohnungsbau ausgesetzt, eine Initiative zur Verschärfung der Umwandlungsverordnung für den Bundesrat qualifiziert, erste Eckpunkte für eine Reform des alten sozialen Wohnungsbaus formuliert und Gespräche zur sozialen Neuausrichtung der landeseigenen Wohnungsunternehmen geführt."

     

    (http://www.andrejholm.de/)

     

    PS: Liebe taz-Redaktion, schon in der taz.am.wochenende sprachen Sie in einer Überschrift von "Stasi-Holm"; hier nun ist von dem "stasibelasteten Staatssekretär" die Rede.. Können Sie sich nicht etwas geeignetere Formulierungen ausdenken?

    • @Merle Groneweg:

      Er ist nunmal Stasi belastet, so wie seine Fürsprecherin und Schutzpatronin Fr. Lompscher SED-Mitgleid war. Was soll die TAZ da für eine geeignetere Formulierung als die Wahrheit (stasibelasteten Staatssekretär oder auch Stasi-Holm) schreiben? DDR war gestern....nur zur Erinnerung. Die will keiner mehr haben. Auch personell!

      • @Berlin liebt Wolkenkratzer:

        Er war in keiner Weise "belastet". Für CDU-Mitglieder ist die Mitgliedschaft in Wachregimentern übrigens gar kein Hindernis.

    • @Merle Groneweg:

      Welcher Begriff wäre passender als "stasibelastet"? Ich meine: Die Stasi gibt es längst nicht mehr. Trotzdem liegt sie als Last auf den Schultern aller, die sich damals mit ihr eingelassen haben. Sie hindert sie noch immer am Aufsteigen. Vor allem dann, wenn ihr sehr langer Schatten nicht durch rechtzeitiges intensives Ausleuchtung der eigenen Biografie vertrieben wird.

       

      Was lernen wir daraus? Wer sich der eigenen Vergangenheit nichts stellt, der bleibt ihrer Willkür und dem Ehrgeiz seiner Gegner ausgeliefert. Wer, wie Herr Holm, in Ruhe "arbeiten" möchte, tut also gut daran, vorher die Leichen zu entsorgen, die in seinem Keller lagern. Sie werden sonst von Neidern oder Konkurrenten zur Unzeit wieder aufgeweckt – und schaden dann entschieden dem, was man die "gute Sache" nennt. So etwas sollte man seinen politischen Gegnern eigentlich nicht gönnen, wenn man der Ansicht ist, dass sie der "Sache" schaden würden.

       

      Übrigens: Was es bedeuten muss, das erste bundesweit bekannte „stasibelastete“ Regierungsmitglied zu sein, ist Andrej Holm offenbar noch immer nicht ganz klar. Vom 46-Jährigen, der nicht ganz neu ist in der Politik, hätte ich mehr Vor-, Rück- und Umsicht erwartet. Holm hat ja schließlich hautnah miterlebt, wie Gysi und andere angegangen worden sind. Wieso Holm sich also nicht schon 2007 selber überprüft hat, obwohl er seine Ambitionen kannte, wird sein Geheimnis bleiben. Ich schätze, das ist wieder mal Psychologie.

  • So groß ist die Krise auch nicht. Holms fachliche Analysen, soweit ich sie kenne, sind gut, aber seine Chefin ist nun gefragt, eine andere Person zur Umsetzung zu finden.

    Das vermeintliche Schwergewicht (siehe Taz-Kommentar) war er sowieso nie. Das haben seine wirklichkeitsfremden Kommentare zur DDR gezeigt, wo er ja als Kind einer "tschekistischen" Familie Privilegien genoss, die kurze Zeit spät zerronnen waren.

    • @Ataraxia:

      Wie groß so eine Krise ist, ist ziemlich relativ. Es hängt zum Beispiel davon ab, was man sich von ihr für sich selbst erhofft bzw. wie sehr man sich davor fürchtet.

  • In einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschft wird doch hoffentlich ein gut dotiertes Pöstchen frei sein/werden/entstehen.