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Sexualaufklärung in der SchweizKampf um die Klitoris

Eine christkonservative Stiftung bewirbt Aufklärungsmaterialien ohne Klitoris. ExpertInnen kritisieren die Abwertung weiblicher Lust.

Ganzheitliche Sexualaufklärung muss die Klitoris berücksichtigen. Sonst ist sie defizitär Foto: Jan Kleinert/Unsplash

Eine Grafik in einem Lehrmittel für Sexualaufklärung der Stiftung Zukunft Schweiz für Zehn- bis Dreizehnjärige zeigt einen Querschnitt der weiblichen Sexualorgane. Während die einzelnen Organe, die der Fortpflanzung dienen, beschriftet werden sollen, bleibt der Bereich zwischen Vagina und Schambein leer. Dort scheint nichts Relevantes zu sein. Hier gibt es nichts, was man wissen muss, suggeriert die Auswahl.

Wie kommt es, dass Lehrmaterialien aus dem Jahr 2018, die von der Stiftung Zukunft Schweiz kürzlich zur Verwendung an Schweizer Schulen zur Sexualaufklärung beworben wurden, das Wort „Klitoris“ nicht einmal erwähnen?

„Powergirls und starke Kerle“ lautet der Titel des gerade erschienenen Arbeitshefts. Es ist eine Ergänzung zu zwei Kinderbüchern, die schon 2017 im Fontis Verlag herausgegeben wurden. Mit Vokabeln aus dem rechten Diskurs wie „Kein Gender-Gaga“ bewirbt der Verlag die Bücher.

Die Lehrmittel sind ein Projekt der gemeinnützigen Stiftung Zukunft Schweiz, die nach eigenen Angaben um die Zukunft der Schweiz besorgt ist. Die Gründung der Stiftung erfolgte 2006 als „Reaktion auf die zunehmende Islamisierung auch in unserem Land und in Europa“, heißt es auf der Website.

Kritik von ExpertInnen

Bildung in der Schweiz liegt in der Kompetenz der Kantone und Sexualaufklärung ist seit Jahren ein Teil dieses Bildungsauftrags. Der Lehrplan 21, der mittlerweile von den meisten Kantonen eingeführt wurde, harmonisiert die unterschiedlichen Lehrpläne u.a. auch im Bereich der Sexualaufklärung. Darüber hinaus gibt es keine nationalen Richtlinien für die Sexualaufklärung. Je nach Kanton gibt es Lehrmittelvorgaben oder Lehrpersonen ist freigestellt, welche Lehrmaterialien sie verwenden wollen.

Nach eigenen Angaben hat die Stiftung Zukunft Schweiz nun ihr Ergänzungsheft mit 4000 Briefen in der Deutsch-Schweiz beworben und hat damit Kritik hervorgerufen. Sexuelle Gesundheit Schweiz, Dachorganisation der Beratungsstellen für sexuelle Gesundheit in Beratung und Bildung, verfasste am 23. Oktober einen Brief an die Bildungsdirektorin des Kantons Zürich.

Darin wird u.a. das bewusste Verschweigen der Klitoris und die ausschließlich negative Darstellung von Themen wie Selbstbefriedigung und Pornografie kritisiert. „Eine ganzheitliche Sexualaufklärung enthält den Lustaspekt, also Sexualität als etwas Schönes, als etwas Positives“, sagt Annelies Steiner, Sexualpädagogin bei Sexuelle Gesundheits Schweiz gegenüber der taz. „Was auch gar nicht thematisiert wird, ist sexuelle Vielfalt.“ Für Steiner erfüllt das Lehrmittel die „Standards für die Sexualaufklärung in Europa“ der WHO Europa und der BZgA nicht.

Co-Autor von „Powergirls und starke Kerle“ ist der Sexualwissenschaftler Jakob Pastötter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung. Das klingt nach einer wissenschaftlich gut fundierten Grundlage. Auch das Design der Lehrmaterialien und die Texte auf der Website wirken auf den ersten Blick progressiv und zeitgemäß. Trotzdem sollte man sich die Argumentation der AutorInnen genauer anschauen.

„Frühsexualisierung“

Die Stiftung Zukunft Schweiz erklärt einen Anspruch ihres Kinderbuchs „Wir Powergirls“ folgendermaßen: „Bildliche Darstellungen, die wir für die Sexualaufklärung von Mädchen verwenden, dürfen nicht zu explizit sein. Dies, weil stark sexualisierte Bilder auf gesunde Mädchen in der Regel eine abschreckende Wirkung haben und Abwehr auslösen.“ Mit diesen Sätzen wird vor einem vermeintlichen Phänomen gewarnt, das ExpertInnen argumentativ entkräften: „Frühsexualisierung“.

Hinter diesem Konzept stehen zwei falsche Annahmen. Erstens, dass Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt noch keine sexuellen Wesen wären. Und zweitens, dass Konkurrenzlehrmittel Kinder sexualisieren möchten.

Die WHO Europa–Standards für Sexualaufklärung beruhen auf wissenschaftlichen Fakten und zeigen sehr detailliert, dass Menschen von Geburt an sexuelles Verhalten zeigen. Dieses variiert je nach Entwicklung und Individuum. So kommt es beispielsweise bei NUll- bis Vierjährigen zur Selbststimulation, einfach weil es Lust bereitet und schön ist.

Eine weitere Frage ist, warum nur „gesunde Mädchen“ davon abgeschreckt werden sollten. Diese Annahme ist stark normierend und damit gefährlich, da sie alle Mädchen, die solche Bilder vielleicht lustvoll oder interessant finden, als „ungesund“ brandmarkt und damit pathologisiert. Darüber hinaus irritiert die Fokussierung auf Mädchen. Das Problem scheint bei Jungen nicht zu bestehen.

Dahinter steckt ein naturalisierendes Konzept von Geschlechtern. Geschlecht ist ein komplexes Konstrukt und auch die WHO Europa-Standards führen das soziale Geschlecht an. Sexualität in diesem komplexen Sinne kann „in Abhängigkeit von einer Vielzahl von Einflussfaktoren stark variieren“. Forschungsprojekte, die sich das Verhalten von Kindern anschauen und dann Rückschlüsse auf deren „wahre Natur“ ziehen, begehen den klassischen „Sein-Sollen-Fehlschluss“ und verkennen den Einfluss der Gesellschaft.

Lustfokussierung sei „männlich“

Daran schließt sich das zweite große Problem von „Powergirls und starke Kerle“ an. Das Nichterwähnen der Klitoris fügt sich in einen größeren ideologischen Rahmen des Hefts, der die Sexualität von Frauen auf Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung reduziert.

Im Heft selbst wird argumentiert, dass die „gesellschaftlichen Umwälzungen der 60er-Jahre“ zu einer Fokussierung auf „Lust, die Sexualität bereiten kann“, geführt hätten. Das sei „eine einseitig-männliche Messlatte“. Mögliche resultierende Gefahren seien die „fehlende Achtung vor dem anderen“ und eine Überforderung der SchülerInnen.

Die Grundannahmen sind auch hier fraglich und höchst problematisch: Allen Frauen werden gleiche Interessen am Thema Sexualität unterstellt. Den SchülerInnen wird ihr berechtigtes Interesse an und möglicherweise auch ihr Fokus auf Lust abgesprochen. Die Standards der WHO Europa zeigen eindeutig, dass Mädchen in diesem Alter masturbieren und daher offensichtlich sehr viel Interesse an sexueller Lust und damit auch an dem Lustorgan schlechthin – der Klitoris – haben. Eine entwicklungssensible und altersgerechte Aufklärung muss unbedingt über dieses Organ aufklären und auch betonen, dass die Klitoris vollkommen unabhängig von Fortpflanzung eine Berechtigung hat. Sie ist für viele Frauen ein relevanter, für manche vielleicht sogar der relevanteste Teil ihrer Sexualorgane.

Außerdem wird auch an dieser Stelle ein einseitiges Frauenbild reproduziert. Die Frau als Mutter. Es muss jedem Menschen freigestellt sein, selbst zu entscheiden, ob er oder sie sich fortpflanzen möchte. Daher sollte die Sexualaufklärung vermitteln, dass es genauso normal ist, wenn sich Mädchen nicht für Schwangerschaft, Geburt, und Kindererziehung interessieren. Aber vielleicht für Sex und Selbstbefriedigung.

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6 Kommentare

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  • Zudem haben Forschungen gezeigt, dass die Stelle, an der die Lokation des sogenannten "G-Punkts" angegeben wird, die Wurzel der Klitoris reizt und somit Orgasmen auslösen kann (jedoch nicht muss). Die crura clitoridis sind deswegen für die meisten Menschen so schwer zu stimulieren, weil sie sich nur jeweils rechts und links indirekt über die dazwischenliegenden Schwellkörper an die Vaginalwand anschmiegen, anstatt in der Vagina selbst zu sein. Dies hat auch biologisch gesehen berechtigte Gründe, denn hätte die Vagina eine größere Anzahl an Rezeptoren in sich, wären vaginale Geburten vom Schmerzpegel her absolut fatal. Fun fact zum Schluss :-) : Klitoriskörper und Penis sind homolog zueinander, da sie embryonalentwickungsgeschichtlich aus derselben Anlage (Genitalhöcker) entstehen. Flapsig gesagt sind Penisse also praktisch gesehen einfach größere Klitorides mit halb so viel Rezeptoren in sich, wodurch keins der beiden automatisch "besser" oder "schlechter" ist als das andere. Nur kann ich mir natürlich ohne Frage lebhaft vorstellen, dass es auch heute immer noch ungebildete und impulsive heterosexuelle Cis-Männer auf die Palme bringt, dass die meisten Frauen* eben vorrangig (und in den meisten Fällen auch ausschließlich) über die glans clitoridis kommen und nicht durchs altbekannte Rein-Raus-Spiel🤣😎😎, und sie sich daher davor fürchten, dass die heutige Cis-Mädchengeneration die Macht ihrer eigenen Eicheln entdeckt und Penisse somit in vielen Fällen im cisgeschlechtlichen Heterosex-Kontext nahezu überflüssig sind (bzw. zumindest als weitaus weniger essenziell für die weibliche Lust erachtet werden als viele Cis-Heteromänner es sich einbilden). Liebe Mitmenschen aller Gender mit Klitoris: Möge die Macht mit uns sein🌈! 😎😝

  • Liebe'r Autori*in, vielen Dank für diesen essenziell wichtigen Artikel! Nur einen einzigen Kritikpunkt habe ich: Die Überschrift "Kampf um die Klitoris" ist leider inkorrekt, da inhaltlich bezüglich des Worts "Klitoris" unvollständig, weil es vielmehr heißen müsste: "Kampf um die Klitoriseichel". Dem hier im Bild zum Artikel ganz im Sinne der beschriebenen prüden Aufklärungsmaterialien visuell mehr als krude dargestellten "Vulva"-Modell fehlt nämlich nicht etwa die gänzliche Klitoris insgesamt, sondern vielmehr die _Eichel_ der Klitoris (glans clitoridis), die jedoch für die meisten Menschen mit Klitoris der sexuell wichtigste und machtvollste Teil des Lustorgans ist, da die Glans mehr als 8000 Nervenenden besitzt und somit allgemein im gesamten menschlichen Körper das am stärksten innerhalb einer Stelle innervierteste Organ darstellt (Vergleich mit der glans penis: Diese besitzt dagegen etwa nur 4000). Der größte (jedoch für die meisten Menschen mit Klitoris am schwierigsten zu stimulierende) Teil der Klitoris befindet sich im Körperinneren (Schwellkörper (corpus cavernosum) + Klitorissschenkel (crura clitoridis), von denen letztere sich von der Glans jeweils links und rechts abzweigen und beide jeweils bis zu ca. 11 cm lang sind und jeweils 4000 Nervenenden besitzen, die in der Glans dann schließlich alle zusammentreffen). Damit ist dank der Forschungen des Gynäkologen Dr. Kobelt und der darauf basierenden Klitoriskörper-MRTs der Urologin Dr. Helen O'Connell auch die alte Frage: "Vaginaler oder klitoraler Orgasmus?" ein für alle mal beendet und Sigmunds Freuds Theorie von der Inferiorität klitoral-glandulärer gegenüber indirekt in der Vagina mittels des Klitoriskörpers ausgelöster Orgasmen Bullshit, da letztendlich jeder Orgasmus eines Menschen mit Klitoris klitoral ist, weil hierbei entweder Klitoriseichel, -schenkel oder aber beide in Kombination gereizt werden.

    • @Charlotte Mester:

      Danke. Schön - daß das mal gesagt ist.



      Gellewelle.

      unterm——& nochens - wa!



      Das mit dem “…-schenkel oder aber beide in Kombination gereizt werden.“



      Hat mich beim Lachen - in Kombination mit der des med.deutsch.



      Am meisten gereizt. Eichelartig gradzu.



      Voll der Klopfer. Wollnichwoll.

      kurz - Ja - So kann ganz ungeschwollen gesagt - In aller Ruhe Wochenend werden. Newahr.



      &



      Bei mir eh - 'eight days a week.‘ Ok Ok. Normal. Yes. Not - “Rubber Soul“ - ;) Nö. www.youtube.com/watch?v=H3MgJWH2TiQ - Anyway.

      But - “Abbey Road“ ;))



      “Eight Days A Week“ —



      www.youtube.com/watch?v=kle2xHhRHg4

  • "....oder Lehrpersonen ist freigestellt, welche Lehrmaterialien sie verwenden wollen."

    Geht auch die Bibel?

    • @Lydia Stanke:

      Klar - Start Hesekiel 23 Vers 17 *¿* & ff



      &



      Gute Verrichtung.

      unterm——alles Liste by - inne Sexta - ;)



      Hadsche Pühn - mit der segensreichen Aussprache - daß der Lümmel in der ersten Bank mal seinen Regenschirm aufspannte;) - Liggers - Volle Kante.



      & Däh!;(



      Durchgekauter Kaugummi inne Westentasch - Jo - doch auch mal noch -



      Während Opi Pühn die Zeit ablas - Jau.



      Das war aber denn doch - Kein Spaß!

  • Ja wie*¿* - ohne? Geht doch.

    19. Jahrhundert +~~~ohne Scharzen



    Brüste ohn' Brustwarzen. Sauber.

    Sprach ihr Bär. Mehr - könnte doch bloß verunsichern.



    & bei der Züricher - hoch ver&sichern:



    A weng Spannung/Übergeraschung! Gellewelle.



    In der doch so arg Nümmerli a conto Schwyz tristesse.



    Ha noi. Na dess. Soll beim Suchen scho noch sei. No! Fei!

    kurz - Pädagogisch wertvoll. Sagt der olle Klatte.



    Ha noi. Klappe. Eins rauf mit Mappe.



    &



    Ab dafür. & Bedenke immer -



    (Bröckchen im Fundue - is doch arg was schlimmer!;) Newahr



    Schwyz - Wiedermal - Normal.