Sexistische Cocktail-Namen: Screaming Orgasm und Angel Tits

Cockails mit frauenfeindlichen Namen gehören umbenannt. Wer kann das? Benjamin von Stuckrad-Barre, er ist ja jetzt Frauenversteher.

Zwei Frauen und zwei Männer beim Cocktail-Trinken

Manchmal ist ein Drink noch schlechter als sein Name Foto: Tom Wilde/getty

Was haben Benjamin von Stuckrad-Barre und Cocktails gemeinsam? Ich will es gern erklären, muss dazu aber ein wenig ausholen und von einem Erweckungserlebnis erzählen, das ich neulich in einer hippen Bar in Hamburg hatte. Diese Bar wird von einer Frau geführt, die mit einem wesentlich jüngeren Mann liiert ist. Das Publikum trägt T-Shirts mit Aufschriften wie „Bevor du fragst: Nein“ oder „Nevertoolate“ oder „Wer nicht gendert, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“.

Man sitzt am Tresen oder auf flachen Hockern im Fenster, es ist dunkel und die Stimmung gut. In diese Bar gehen die Freundin, die ich regelmäßig in Hamburg besuche, und ich sehr gern. Weil die Bar eben cool ist. Unser erstes Getränk – traditionell ein Martini Bianco auf Eis – war rasch ausgetrunken, ich ging an die Theke, um zwei neue Drinks zu ordern, da hörte ich eine Bestellung: „Einen Screaming Orgasm, zwei Angel Tits, einen Slippery Nipple und vier Blowjob Shots.“

Ich wiederhole es gern: einen Screaming Orgasm, zwei Angel Tits, einen Slippery Nipple und vier Blowjob Shots. Erst dachte ich, da lassen vier junge Männer zum Junggesellenabschied, die jetzt gern ausschweifend gefeiert werden, noch einmal so richtig die Sau raus und bestellen Drinks, von denen einer schlüpfriger klingt als der andere. Ich suchte den Raum ab nach den Trinkgefährten des Mannes und erwartete Typen, die sich scheckig lachen über Getränkenamen, die sich nur jemand wie Benjamin von Stuckrad-Barre für seinen sogenannten #MeToo-Roman „Noch wach?“ hätte ausdenken können. Ich erwartete Typen, die wie Stuckrads Protagonisten mit gegelten Haaren und dicken Eiern daherkommen. Die einen Blowjob-Kalauer nach dem anderen reißen, so wie das „Stucki“ früher mal für die Harald-Schmidt-Show getan hat.

Aber dann sagte die Stimme zur Barfrau: „Hast du vielleicht ein Tablett?“ Furztrocken, bierernst. Der junge Mann trug die Orgasm-, Nipple- und Blowjob-Gläser zu seinen Freunden. Die nahmen die Cocktails entgegen, ebenso furztrocken und bierernst, als seien ihnen die sexistischen Cocktailnamen entweder wurscht oder nicht aufgefallen. Letzteres kann ich verstehen, ich hatte sie ja selbst nicht bemerkt – aber ich trinke in dem Schuppen eh immer dasselbe.

Je frivoler der Name, desto besser der Drink

Seitdem scanne ich Cocktail-Karten in allen Bars sehr genau. Was soll ich sagen? Es gibt noch ganz andere Bezeichnungen für süße, bunte Drinks: Cock Sucking Cowboy. Fuzzy Navel. Sex with an Alligator. Leg Spreader.

Je frivoler der Name, desto besser der Drink. Zum Beispiel der Silk Panties: Wodka, Pfirsichschnaps, Himbeerlikör, Eis, Zitronenzeste. Frisch, leicht, belebend. Beim French Kiss – ausnahmsweise mal romantisch getitelt – werden Gin, St-Germain-Liqueur (ein französischer Holunderblütenlikör), Aperol, Zitronensaft und Champagner Rosé gemixt. Sieht in der Champagnerschale hochgradig elegant aus – und schmeckt noch besser.

Warum aber heißen solch wunderbare Getränke so, als seien sie in einem Testosteronshaker durchgeschüttelt worden? Für eine Antwort muss man ein wenig in die Cocktail-Geschichte einsteigen. Diese reicht in die Zeit der sogenannten Goldenen Zwanziger zurück. Damals kannten die Menschen weder Gender noch Gedöns und hatten Geschlechtervorstellungen, die in Bars dafür sorgten, dass Männer harte Sachen tranken – Whiskey, Korn, Cognac –, und Frauen süßes Zeug: Likör, Fruchtweine, Sherry. Die Cocktail-Legende besagt, dass der Drink Between the Sheets – Cognac, weißer Rum, Triple Sec, Zitronensaft – allein dafür gedacht war, sich wegzuballern und dabei wild zu vögeln. Irgendwann wurde daraus Sex on the Beach, der heute von keiner Cocktailkarte wegzudenken ist.

Neue Namen müssen her

Die Neigung, süße Drinks erotisch zu benennen, soll besonders in den USA verbreitet sein, wo schon vor hundert Jahren an den Stränden zuckrige Drinks gekippt und Frauen „wie Pralinen vernascht“ worden sind.

Das mit den zuckrigen Drinks geht in Ordnung, das mit den Frauen auf keinen Fall. Das findet auch BSB, zumindest findet das sein Roman-Ich. Frauen indes, die das laut sagen, so wie die Schauspielerin Rose McGowan, die den Filmmogul Harvey Weinstein zu Fall bringt, gelten in den Kreisen, in denen sich BSB und sein Roman-Ich bewegten und von ihnen profitierten, schnell als „irgendwie anstrengend“. In diesen Kreisen trinkt man sicher auch gern Cocktails mit schlüpfrigen Namen.

Neue Namen müssen her. Herr Stuckrad-Barre, übernehmen Sie!

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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