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Schuldzuweisungen nach BundestagswahlDer ostdeutsche Patient

Politisch unzurechnungsfähig: Nach der Wahl wurde dem Homo zoniensis der Aluhut aufgesetzt. Doch Ossi-Bashing bringt uns auch nicht weiter. Reden schon.

Haben's mit dem Aluhut vielleicht etwas übertrieben Foto: imago/Steinach

Der Ostdeutsche ist im politischen Diskurs so etwas wie ein Primärpatient. Im sozialen Gefüge ist etwas nicht in Ordnung, aber der Ossi als Symptomträger muss es ausbaden. Er wird in der Öffentlichkeit als komisches Wesen, als Homo zoniensis vorgeführt. Wer einmal Psychiatrievorlesungen besucht hat, der kennt solche Situationen. Ein Professor, der vorgibt, in sämtliche Abgründe menschlicher Verrücktheiten geblickt zu haben, führt den anwesenden Studenten einen im Wortsinn armen Irren vor, der sich coram publico blamieren darf. Es ist wohl nicht nur eine Frage der Empfindsamkeit, ob man dieses Schauspiel als beschämend oder erkenntnisfördernd empfindet. Geht es nun um die politische Reife des Ossis, so wird ihm nach der Bundestagswahl gern ein Aluhut aufgesetzt.

Man kennt ja seine Pappenheimer da drüben in Görlitz und Gera, in Waren und Weimar: diese Leute, die nicht kapiert haben, wie Demokratie westlichen Zuschnitts funktioniert, wie Partizipation und das Zusammenleben in einer bunten, liberalen Gesellschaft. Man weiß ja eigentlich schon lange, dass die da drüben an einem schweren Morbus leiden – und sagt es den Verirrten jetzt auch deutlich. Das Pathologische am Wahlverhalten der Zonis ist doch offensichtlich – oder etwa nicht? Kann gar nicht anders sein, wenn die AfD stärkste Partei in Sachsen wird und im Osten über zwanzig Prozent der Stimmen bekommt. Haben die Ossis nichts begriffen? Wir schicken Milliarden rüber, renovieren ihre Städte, bringen ihre Verwaltung auf Vordermann mit unseren Leuten, und dann das? Wie undankbar kann ein Volk sein?

Selbst kluge Köpfe, sonst entschiedene Kämpfer gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Dumpfdenkerei, werfen sich flugs in den Weißkittel des Psychiaters und stellen ihre wenig schmeichelhaften und leider recht unterkomplexen Diagnosen: Wäre der Ossi mal lieber in seinem Habitat hinter der Mauer geblieben. Was soll schon herauskommen, wenn Menschen in einem autoritären Staat aufgewachsen sind und das Erbe ihrer Deformierung an die nächste Generation weitergeben. Im Grunde kommt zusammen, was zusammengehört: der verkappte Nazi wählt die Nazipartei. Haben wir doch schon immer gewusst.

Die Zirkelschlüsse der Aufmerksamkeitsökonomen sind leider oft Kurzschlüsse. Man könnte nun versuchen, all die handgeschnitzten Vorurteile zu entkräften. Das haben schon einige getan nach der Bundestagswahl. Sie haben gesagt, dass die Klugen in den Westen gegangen sind und die Dumpfbacken zurückgeblieben sind. Dass der Männerüberschuss im Osten, vor allem auf dem Land, zu nichts Gutem führt – häufig zu Sozialneid und Verbitterung. Dass sich Abgehängte an der Elite rächen wollten. Dass der Ossi aus seiner Nische nicht herausgekommen ist und diese Nische in eine Echokammer verwandelt hat. Dass die Besserwessis nach der Wende verbrannte Mental-Landschaften hinterlassen hätten und das zu Bockigkeit und Trotz geführt habe.

Der Osten wählt nur ein bisschen anders

Was an diesen Erklärungen trotz einer gewissen Evidenz stört, ist, dass sie den Ossi nicht nur pathologisieren, sondern auch noch infantilisieren. Homo zoniensis scheint nicht nur als politisches Wesen irgendwie krank zu sein, nein, er ist im Grunde stecken geblieben in seiner Reifung zum würdigen Wähler. Das demokratische Coming-of-Age ist ja wohl in die Hose gegangen, wenn man sich die Wahlergebnisse ansieht, oder?

Ach was. Der Osten wählt nur ein bisschen anders als der Westen, er schaut mehr auf die Ränder, zu den Linken und zur AfD, aber das sind ja nun auch Parteien, die sich zum Grundgesetz bekennen und nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Der Osten wählt etwas extremer. Das war’s auch schon. In der Konsensrepublik Deutschland mag man das als Zumutung empfinden. Aber ein etwas abweichendes Wahlverhalten sollte man einer Region schon zubilligen, in der sich in den vergangenen 27 Jahren so verdammt viel verändert hat. Wäre alles andere nicht merkwürdig?

Demokratiegefährdend ist das Wahlverhalten der Ossis nicht, selbst wenn eine Igitt-Partei Erfolge feiert

Um es klar zu sagen: Das Wahlverhalten der Ossis ist nicht demokratiegefährdend – selbst wenn eine Igitt-Partei Erfolge feiert. Man muss nicht die Landeszentralen für politische Bildung in Alarmbereitschaft versetzen, damit sie potenzielle Falschwähler in Schnellkursen mit einer hohen Dosis Demokratie versorgen. Die Bundespolizei muss auch nicht einreiten, um die Metamorphose von Sachsen in einen Failed State zu verhindern. Es ist eine Minderheit im Osten, die AfD gewählt hat. Die Mehrheit dafür in Geiselhaft zu nehmen ist nicht klug. Im Osten hat man das verbale Einschlagen auf die Bewohner der neuen Bundesländer sehr aufmerksam registriert. Es dürfte wohl zu einer weiteren Radikalisierung führen.

Die Medien ließen tatsächlich vieles weg

Auf Bevormundung und betreutes Denken reagiert man im Osten gern mal allergisch. Man kennt das gut aus einer Zeit, als Harry Tisch und Günter Mittag noch was zu sagen hatten. Es gab das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei, und am Hauptgebäude der Landwirtschaftlichen Produktions-Genossenschaft hing ein Banner: „Der Sozialismus siegt“. Und weil sich viele noch so gut an die DDR-Zeit erinnern, kam ihnen auch der Umgang mit der Flüchtlingskrise irgendwie komisch vor.

Plötzlich glaubten sie Muster aus der Vergangenheit zu erkennen. Die Medien ließen tatsächlich vieles weg, was nicht in die aktuelle Erzählung passte. Die Politik verkaufte Losungen, aber erst mal keine Lösungen. Das hat den Osten skeptisch gemacht und erneut politisiert. Man bildete wieder private Recherchekreise, suchte selbst nach Wahrheiten und stellte „die da oben“ in Frage – das typische Nischenverhalten, wie man es vor 1989 gelernt hat.

Die politische Energie floss ungerichtet in viele Richtungen. Weil sich die politische Mitte aber beharrlich weigerte, den Zufluss zu kanalisieren, kam er bei der AfD an. So ist der Osten vor allem Sinnbild für ein Versäumnis der etablierten Parteien. Sie müssen die richtige Therapie für den Primärpatienten finden. Ossi-Bashing ist es sicherlich nicht.

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55 Kommentare

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  • 9G
    95823 (Profil gelöscht)

    Na das ist aber auch eine Dreistigkeit vor dem Herrn, das diese dummbratzigen Ossis es wagen NICHT die etablierten Westparteien zu wählen, also sowas aber auch!

    Der Ossi als solcher ist es gewohnt von der Obrigkeit verarscht zu werden, und er lässt sich das durchaus auch einige Zeit gefallen. Er hat aber auch viel Erfahrung darin besagter Obrigkeit eine lange Nase zu drehen wenn es ihm irgendwann zuviel wird, das ist eine Lektion die Honneker und Co vor knapp 30 Jahren sehr schmerzhaft lernen mussten, und die jetzt Merkel und Co ebenfalls langsam lernen.

    Wobei es mich wundert das diese Frau die damaligen Ereignisse anscheinend völlig aus ihrer Erinnerung getilgt hat, immerhin war sie ja damals dabei und damit beschäftigt sich von der FDJ-Funktionärin zum neuen Aufbruch zu wenden.

    Ein Schelm wer arges dabei denkt...

  • das Problem in dieser Debatte ist doch, daß ein teil der Ostdeutschen AfD wählt, aber alle Ostdeutschen auf die Anklagebank kommen.

    Das ist eine klare rassistische Verallgemeinerung, die heute kaum noch, schon gar nicht in der Taz auf andere Bevölkerungen angewandt werden darf.

    Ostdeutsche sind ja Deutsche, aber deswegen ist es immer noch eine Gruppenzuschreibung, das Verhälten einzelner wird einer gesamte Gruppe zugeschieben. Da zeigt sich, wie sehr in Westdeutschland der Osten noch als fremd empfunden wird. Auf die gleiche Weise, wie es dem (Stereotyp)Ossi immer angelastet wird die Andersartigkeit zum Westen zu betonen.

    • @nutzer:

      Ist der Ostdeutsche jetzt auch schon eine Rasse?

      • @Rainer B.:

        "Ist der Ostdeutsche jetzt auch schon eine Rasse?" (Rainer B.)

        Na klaa! Erkennbar an der gen Osten gekrümmten Nase, rotbraunem Haupthaar, Stacheldrahtstoppelbart und sichelförmigen Schlitzaugen und Hinkebein rechts... Und dann sääxeln die auch noch so durch die Nase... Nicht auszuhalten! Furchtbar auch dieser Knoblauchgeruch... - Aber halt Briederchen und Schwesterchen... Bucklige Verwandtschaft halt, gell.

        Da verriegelst Du schnell die Haustür und klappst die Fensterläden zu, wenn dieser Besuch sich am Horizont abzeichnet. Man hat sich halt lieb.

        • 9G
          95823 (Profil gelöscht)
          @LittleRedRooster:

          nicht zu vergessen der sogenannte "Pornobalken" unter der Nase.xD

  • ..suchte selbst nach Wahrheiten und stellte „die da oben“ in Frage –[..]

    -----------------------

    Ist sowas schlimm?

  • Man kann darin ein Versagen einzelner Parteien - auch der Linkspartei - sehen, bewegt sich damit aber auf dem Gelände der Beliebigkeit, denn Wechselwähler sind entweder Protestwähler, oder strategische Wähler.

     

    Fakt ist:

    Die Linkspartei hat bundesweit 0,6% gegenüber 2013 dazugewonnen.

    430.000 Stimmen kamen von der SPD, 270.000 Stimmen von früheren Nichtwählern,

    170.000 Stimmen von den Grünen und 90.000 Stimmen von der CDU/CSU.

    An die AfD verlor die Linkspartei 400.000 Stimmen.

    Dass davon die meisten im Osten abgewandert sind, liegt in der Natur der Sache, denn im Osten ist die Linke nach wie vor weit stärker vertreten als im Westen.

     

    „Besonders stark profitierte die AfD demnach von bisherigen Nichtwählern. Rund 1,2 Millionen Stimmen holte die AfD laut der ARD-Analyse aus diesem Lager. Unter den Parteien verlor:

    die CDU mit 1,05 Millionen Stimmen die meisten Wähler an die AfD.

    Von der SPD wanderten rund 470.000 Stimmen zur AfD,

    von der Linken rund 400.000 und von der FDP rund 40.000 (!) Menschen.“

     

    Die AfD hat mit ihren national-populistischen Nebelkerzen schlicht und ergreifend die meisten ehemaligen Nichtwähler mobilisieren können. Der Linkspartei würde man solches - aus guten Gründen - niemals einfach so durchgehen lassen. Da würde dann hier wieder als erstes mal der Kopf von Frau Wagenknecht gefordert, aber da erzähl ich Ihnen ja gar nichts Neues, gell.

    http://www.bz-berlin.de/deutschland/wahl-analyse-woher-die-stimmen-fuer-die-afd-kommen

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      "Den Kopf von Frau Wagenknecht" hat die sächsiche Linksjugend sinnbildlich gesprochen schon lang vor der Wahl gefordert und vor ihrem fatalen politischen Wirken gewarnt, da sie die Wähler vertrieben hat, die eigentlich Zielgruppe der Linken sein sollen. https://www.linksjugend-solid.de/2017/05/12/nicht-in-unserem-namen-gegen-die-spitzenkandidatur-sahra-wagenknechts/

       

      Wenn ich hier in Leipzig-Connewitz mit Leuten spreche, bei 40% Wähler*innen der Linken - diese Frau hat nichts in der Linken zu suchen und ihre Ehemann auch nicht. Gewählt werden hier Politiker*innen aus dem Leipziger Süden, die eher für eine unorthodoxe Linke stehen, aber nicht für Gewalt.

      Einen Bruch in der Wählerschaft von Grünen und Linken kann ich auch nicht sehen. Für viele würde wohl beides infrage kommen, aber die Grüne war zu zahm, um hier einen Pokal bei der BTW zu gewinnen. Nicht bei all der Hetze gegen meinen Stadtteil und seine Bewohner.

       

      Ein "Versagen" von Parteien sieht anders aus. Die sächsiche CDU erntet jetzt die Früchte ihrer langjährigen Arbeit nur deswegen nicht selbst, weil die AfD da ist. Die ehem. Leipziger CDU-Größe Bettina Kudla sprach sogar von "Umvolkung" und in Görlitz tauscht sich ein CDUler sogar mit der NPD aus per Chat.

      Sie kennen die sächsische CDU nicht, sonst würden sie schreiben, dass man der zurecht nicht verzeihen dürfte.

       

      Verzeihen sollte man Seehofer, der mit seiner "Obergrenze" und der "Herrschaft des Unrechts" (warum nicht gleich Unrechtsstaat) überall außer in Bayern massiv Werbung für die AfD gemacht hat?

      Der Bundes-CDU sollte man verzeihen, dass sie in diesem Moment nicht die Union gekündigt, sondern lieber es verboten hat, dass in Bayern eine CDU entsteht (ein quasi-CDU-Verbot gab es hier in Sachsen vor 28 Jahren auch noch)?

       

      Ich glaube nicht, dass die Linke derartig mehr auf dem Kerbholz hat als diese zwei Parteien.

      Da bewegen Sie sich im Bereich der Beliebigkeit.

      • @85198 (Profil gelöscht):

        Was Sie über die sächsische CDU schreiben, bestätigt durchaus voll und ganz meinen Eindruck aus der Ferne. Leute wie Thomas de Maizière haben dort ihre tief-schwarz-braunen Spuren hinterlassen, bevor sie in die Bundespolitik gegangen sind und die AfD, die sich ja zu einem guten Teil ebenfalls aus Ex-CDUlern rekrutiert, fährt jetzt bequem die Ernte ein. Dumm gelaufen, oder auch nicht - wird sich alles erst noch zeigen.

         

        Ich wollte mich in meinem Betrag aber gar nicht zur CDU etc. im Einzelnen äußern, sondern nur dem Rudolf Fissner ein paar Fakten entgegenhalten, der seine Lebensaufgabe anscheinend darin sieht, nach Fehlern bei der Linken bzw bei den Linken zu suchen und sie gern bei jeder Gelegenheit für Dinge in Haftung nehmen möchte, für die sie herzlich wenig, oder auch überhaupt keine Verantwortung tragen.

        Was die CDU jahrzehntelang so übermächtig gemacht hat, war doch eine unerschütterliche Parteidisziplin, die innerparteilichen Streit, der in einer Demokratie unvermeidlich ist, nie nach außen dringen ließ. Eine Linke, die langfristig auch eine machtpolitische Rolle spielen möchte, kann davon durchaus eine Menge lernen. Erst als Seehofer anfing, Merkel öffentlich zu demontieren, wandte sich auch der Wähler von dem Grauen insgesamt ab.

        Was Sie und die sächsische Linksjugend über Frau Wagenknecht schreiben, beruht schlicht auf Desinformation, wie sie gerade ein Rudolf Fissner hier auch immer wieder gern verbreitet. Frau Wagenknecht stand nie und steht auch heute nicht für Gewalt und Frau Wagenknecht hat nie eine „Obergrenze“ oder ähnlichen Unsinn gefordert, sondern darauf hingewiesen, dass es mit einem „Wir schaffen das“ nicht getan ist und es konkreter Lösungen für zahlreiche Folgeprobleme bedarf, an denen sich auch der Bund angemessen beteiligen muss, anstatt die Länder und Kommunen damit weitgehend allein zu lassen. Die Demontage demokratisch gewählter Parteispitzen kann keine Aufgabe einer „unorthodoxen“ Linken sein. Miteinander reden und nicht übereinander!

    • @Rainer B.:

      war an Rudolf Fissner gerichtet.

      • @Rainer B.:

        So kann man natürlich die tatsache, dass die Linkspartei nicht nur einen ganzen großen Batzen oder prozentual den größten Batzten oder in Ossilan einen Riesenbatzen an Wählern an die Afd verloren hat auch klein reden. Man schließt sie einfach aus dem Kreis der im Ossiland etablierten Parteien aus.

        • @Rudolf Fissner:

          Erst lesen, dann antworten!

  • Teil 2

     

    Mit vorgefassten Meinungen aus Redaktionsstuben und aus den Couchhaltungen heraus, beschreibt und analysiert man dies nicht, übrigens auch nicht mit Reportagen in Expeditionsstil (wir fahren nach Dunkeldeutschland) oder auch der Haltung, ich bin im Osten aufgewachsen und weiss das besser. Alles nur kleinste Einblicke. Man kommt der Gesellschaft im Osten wie im Westen nur durch unermüdliches Erzählen und dem Wissen, dass dies auch immer nur Einzelschicksale und Momentaufnahemen sind, weiter. Es gab in der DDR mal ein filmisches Langzeitexperiment, "Die Kinder von Golzow", von den 60ern bis in die 90er reichend - und auch nur einzelne Menschen an einem konkreten Ort beschreibend. Da kann man trotzdem etwas erfahren, vielleicht sind solche Experimente heute wieder sinnvoll...

  • Ach wie sehr mir die verallgemeinerten Artikel und die dazugehörigen Kommentare über und aus dem Osten (oder auch dem Westen) mittlerweile anöden. Nehmt doch alle mal zur Kenntnis, dass auch der Osten der Republik eine vielfältige, widersprüchliche, sich ausdifferenzierende, sich veränderte, zerissene, ja, bunte, wenn man so will, Gemengelage ist.

     

    Was vereint denn die Kassierin des letzten Supermarktes in Boitzenburg/Uckermark, den nunmehr linken Studenten in Connewitz, der in Freiburg (West) mal in einer bürgerlichen Familie aufwuchs, den nach '90 entlassenen Zeissingenieur, der mittlerweile mit seiner eigen Firma weltweit agiert, den flüchtlingsbetreuenden Pfarrer in einer sächsischen Kleinstadt, den nach rechts abgedrifteten Ökobauern in Mecklenburg, die Kitaerzieherin in Schwerin, den vor 25 Jahren aus den Westen gekommen Amtrichter in Cottbus, den Ex-Grenzoffizier in Probstzella, den Schauspieler am Berliner Ensemble, den Altenpfleger in Görlitz und den seit zwanzig Jahren in den Westen pendelten Monteur aus Chemnitz? Was - außer die Tatsache in einem Landesteil von Deutschland zu wohnen, der der Osten genannt wird und darüber hinaus in einem gesellschaftlichen System, dass in im ganzen Land verfasst ist? Kann man aus ihnen trotzdem gemeinsame Ost-Charakterzüge schnitzen? Wie vergleichbar sind das katholische Eichsfeld und das ehemalige Uranabbaugebiet bei Ronneburg, das konserativ evangelische Erzgebirge mit Berlin-Marzahn, das bildungsbürgerliche Weimar mit Hoyerswerda, das Oderbruch mit dem Potsdamer Speckgürtel? Wenn ich mich hier in Jena in meinem linksbürgerlichen Viertel (5% AfD, je gut 20% Grüne und Linke) aufs Fahrrad setze, kann ich in einer halben Stunde in der sanierten Plattenbausiedlung sein (40% Linke) oder in einem eingemeindetem Ort mit nach 1990 entstandenem Einfamilienhausghetto (40% AfD). Was ist jetzt typisch für meine Stadt ?

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Hans aus Jena:

      Sehr gut be- und geschrieben!

      Gruß nach Jena und Leipzig.

      Ich, als Wessi,war beeindruckt von den Ossis, ihrer Klarheit, Freundlichkeit und manchmal auch Schnodderigkeit.

      Idioten gibt es überall, haben wir im Westen wohl schon vergessen mit unseren übernommen Nazis, die übergangslos in die damalige "Demokratie" integriert wurden.

    • @Hans aus Jena:

      Ach, es geht doch gar nicht um die Ostdeutschen. Die sind doch nur die Projektionsfläche ...

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Hans aus Jena:

      Schön geschrieben.

  • "Der Osten wählt etwas extremer. Das war’s auch schon. "

     

    Und ist auch "nur etwas gewalttätiger": Die Daten sind eindeutig: 2014 wurden nach Angaben der Bundesregierung 47 Prozent aller rassistischen Übergriffe in Ostdeutschland registriert - obwohl dort nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung leben. (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ost-west-streit-faktencheck-zu-rassismus-a-1050637.html)

    • @Rudolf Fissner:

      Da werfen Sie jetzt gerade Gewalttätigkeit und "Übergriffe" in einen Topf.

       

      Und stichhaltig sind die Spiegel-Zahlen ohnehin nicht:

      "Von 1029 rechtsextremistisch motivierten Taten insgesamt... wurden im Jahr 2014 370 in Nordrhein-Westfalen registriert. Rund 300 Taten entfallen auf den Osten."

       

      Damit ist NRW (bei nur leicht höherer Einwohnerzahl als der Osten) deutlich gewalttätiger.

       

      Nicht zu vergessen: Ostdeutsche gelten nicht als "Gruppe". Deswegen konnte erst neulich ein Gericht auch entscheiden, dass eine Nichteinstellung eines Bewerbers wegen seiner ostdeutschen Herkunft gerade nicht als Diskriminierung gilt.

  • "So ist der Osten vor allem Sinnbild für ein Versäumnis der etablierten Parteien."

     

    ... also, im Osten, auch ein Sinnbild für das Versagen der Linkspartei, die dort ihre bei weitem meisten Wähler an die AfD verlor.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Vielleicht wäre es, anstatt unbeholfene Therapieversuche zu unternehmen, Zeit für ernsthafte politische Auseinandersetzung. Die Klassenverhältnisse mit dem Verweis auf vermeintliche "Versäumnisse"der etablierten Parteien und vermeintem höheren Skeptizismus von Ostdeutschen als unwichtig abzutun, hieße auch, die Kritische Theorie Adornos und Horckheimers in den Moder der Geschichte fallen zu lassen.

     

    "Fehler der etablierten Parteien" finde ich besser als "Versäumnis", wenn auch noch beschönigend, aber ich will der Höflichkeit hier Raum geben,

    Auf Infragestellung und kritisches Denken reagiert man im Westen gern mal allergisch."

     

    Die Ernsthaftigkeit, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen misst sich für mich an der Offenheit des Diskurses für undogmatische Kapitalkritik.

    Die Vorstellung, dass Kapitalismus so gar nichts zu tun hätte mit dem niedrigen Selbstbewußtsein der Arbeiterklasse, das dazu führt, dass "der starke Mann", die Nation oder das kommunistische Kollektivierungs-Kollektiv als Ersatz und Quelle des Stolzes herhalten müssen.

    Da muss kein Verweis auf einen Totalitarismus her, um das zu fragen. Es reicht schon der Hinweis auf den 4. August 1914, als die SPD einstimmig den Kriegskrediten zustimmte.

     

    Meine Idee ist es ja auch nicht, das Kapital abzuschaffen. Ich nehme eine Position ein, die ich als eigentliche Mitte verstehe und denke geteiltes Eigentum.

    Weder Enteignung durch den Staat, noch Enteignung durch die Unternehmerschaft.

    Wer gemeinsam arbeitet, dem soll auch gemeinsam das Produktionskapital gehören. Nicht als Vergemeinschaftung, sondern als geteiltes Eigentum.

    Ein Privatrecht ohne Diebstahl.

     

    Diese eigentliche Form der "Mitte" ist mir wesentlich plausibler, als dass die neoliberale/nationalkonservative CDU eine Partei der "Mitte" sein soll.

    "Propagandalüge" sollte das genannt werden, aber ich nenn es mal aus oben genanntem Grund "PR-Strategie".

     

    PR und Propaganda sind ja dasselbe, nur mit anderem Namen. Der Bibelautor heißt hier Edward Bernays.

  • Gut, dass sich der Sportredakteur Markus Völker aus dem Thüringer Wald jetzt auch mal hier länger zu einer Krise äußern durfte, die gar keine war - im Osten schon gar nicht - nämlich die angebliche „Flüchtlingskrise“.

    Wir bekommen ganz nebenbei so brandneue Erkenntnisse, wie dass nicht alle Ossis die AfD gewählt haben und dass der Ossi ansich schon eine sehr empfindsame Seele hat, die auf Kritik allergisch reagiert und umgehend mit dem Trotz und der Wucht des ehemaligen DDR-Widerstandskämpfers dicht macht. Also bitte doch um Gottes Willen nicht auch noch schlafende Hunde wecken. Selbstverständlich wurde die AfD im Osten nur von den Bekloppten und den völkisch-rechts-national-Versifften gewählt. Wie sollte es denn auch anders sein? Es war bei den Wessis hier ja schließlich auch so. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Man muss nicht die Landeszentralen für politische Bildung in Alarmbereitschaft versetzen, damit sie potenzielle Falschwähler in Schnellkursen mit einer hohen Dosis Demokratie versorgen. Die Bundespolizei muss auch nicht einreiten, um die Metamorphose von Sachsen in einen Failed State zu verhindern."

     

    Wer redet denn von so was? Gibt es dazu konkrete Vorschläge, oder werden hier Pappkammeraden aufgebaut, um anschließend deren Existenz zu kritisieren?

     

    Es stimmt nun einmal, dass sehr viel Geld in den Osten geflossen ist, während im Westen Brücken und Straßen marode bleiben. Vielleicht hätte mensch das Geld besser in die dort lebenden Menschen als in die Innenstädte investieren sollen. Darüber lässt sich diskutieren. Dass die Bundespolizeieingreifen soll, ist hingegen sehr, sehr weit hergeholt!

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @74450 (Profil gelöscht):

      Leipzigs Innenstadt wurde u.a. von Jürgen Schneider topsaniert, bis sein 5.5 Mrd-Imperium aus Lügen und Hochstapelei zusammenbrach.

      In der Region sind danach zahlreiche Handwerksbetrieb pleite gewesen und die haben diese Topsanierung vollbracht, ohne vollständige Bezahlung, mit der Pleite als Konsequenz. Denken Sie, diese Immobilien und ihre Profite gehören Ostdeutschen?

       

      Den Solibeitrag haben sich westdeutsche Unternehmer mit Heller und Pfennig zurückgeholt. Das sage ich, ohne Undankbarkeit ausdrücken zu wollen. Das hat nichts mit den Menschen zu tun, die den Soli gezahlt haben.

      Nur zur Erinnerung, den Soli zahlen alle, nicht nur Menschen im Westen Deutschlands.

      Bei der Linken habe ich auch die ganz deutliche Stimme vernommen, den Soli nicht abzuschaffen, sondern für strukturschwache Regionen generell umzuwidmen.

      Mann soll mal nicht sagen, es ginge nicht anders. Solidarität ist ja keine Einbahnstraße.

       

      Das mit der Bundespolizei nehmen sie glaube ich zu ernst. So war das, denke ich, nicht gemeint.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Nein, Dhimitry, das stimmt nun gleich gar nicht. Da ist höchstens ein ganz kleiner Anteil der kriegsbedingten inndeutschen Schulden zurückgezahlt worden. Sie wissen schon, die Reparationen, die allein der Osten zahlen musste. Seien Sie kein Zechpreller.

  • "Es ist eine Minderheit im Osten, die AfD gewählt hat."

     

    Das beachten die intelligenten "Psychiater" dabei ja auch. Die Verallgemeinerung ist da mehr nach westdeutscher Stammtischpsychologie.

    Und ja, auch ich bezeichne es für Teile der Ostdeutschen als pathogen, etwas zu wählen, was den ureigenen Interessen derer eigentlich widerspricht.

    Das nächste mal ist analytisch eben der westdeutsche "Stammtischpsychologe" auf dem Sofa. So what?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @lions:

      "Das nächste mal ist analytisch eben der westdeutsche "Stammtischpsychologe" auf dem Sofa. So what?"

      Das nächste mal eine Runde aussetzen...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Aussetzer will ich mir nicht leisten. Jeder kriegt eins übergezogen; Der deutschen Einheit wegen.

  • "Der Osten wählt etwas extremer. Das war’s auch schon."

     

    Nein, das war's leider noch lange nicht. Der Osten wählt nicht nur extremer, er ist im Mittel auch extremer - oder weniger unklar ausgedrückt: rassistischer, nationalistischer, völkischer. Zwischenzeitlich dachte ich, diese widerwärtige Atmosphäre, in der ich in den 90ern hier aufgewachsen bin, hätte sich etwas zivilisiert, aber das war ein Trugschluss: Der Rassismus war nur deshalb in den Nullern weniger virulent, weil kaum noch Asylbewerber und Einwanderer kamen. Sobald sich die homogene Volksgemeinschaft von Fremden bedroht sieht, bricht die ganze braune ... wieder durch. Das Einzige, was sich wirklich geändert hat, ist die Stärke der Institutionen. Ansonsten wäre es in Heidenau genauso wie damals in Lichtenhagen zum Pogrom eskaliert.

     

    Und es ist eben nicht nur eine Minderheit. Zwar ist es nach wie vor eine Minderheit, die AfD wählt, aber auch die Wählerschaft von CDU und anderen Parteien ist in weiten Teilen fremdenfeindlich geprägt, oder umfassender gesagt: antipluralistisch.

     

    Manch einer schwärmt ja gern von der Solidarität der Menschen untereinander damals in der DDR. Was natürlich größtenteils ein Mythos ist. (Und es sind meist stramme Antikommunisten, die solche Mythen pflegen, sie erzählen ja von Solidarität im oder gegen den DDR-Staat, nicht von der von oben verordneten Solidarität.) Mir scheint, tatsächlich meint man damit, dass damals die Menschen kulturell und ethnisch weitgehend homogen waren. Keine N....r, keine Moslems, keine kulturellen Eliten störten die Kuhstallwärme der Volksgemeinschaft.

     

    Sicher, das Alles gibt es im Westen auch. Aber eben nicht so stark, nicht so verbreitet. Und das sind politische Probleme, keine psychischen. Den Therapiesprech und das Infantilisierende zu kritisieren ist darum richtig. Die rechtsextremen Stimmungen zu bagatellisieren hingegen nicht.

    • @Earendil:

      Gut beobachtet und formuliert.

    • @Earendil:

      Nein, das wars leider noch lange nicht.

       

      Endlich.... mal eine Meinung ohne die übliche "Verschönerung" !!!

      Der Westen wurde damals von BRAUN in eine verlogene CHRISTLICH SCHWARZE Demokratie umlackiert. Der Osten wurde damals von BRAUN in eine ROTBRAUNE sozialistische Diktatur umlackiert.

      Das BRAUN war immer vorhanden.

      Thats it.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Klaus W. Knabenschuh:

        Großbuchstaben geben Sätzen auch keinen höheren Wahrheitsgehalt.

         

        Bei einem Blick in die Geschichte der Weimarer Republik, kann man jeder Partei, sogar der linksliberalen Grünen, andichten, von "braun" umlackiert worden zu sein. Da hat man es sich aber zu einfach gemacht.

         

        "Die ersten auch als „Konzentrationslager“ bezeichneten Einrichtungen entstanden in Deutschland um das Jahr 1920. So ließen etwa der preußische Innenminister Carl Severing (SPD) und dessen Nachfolger Alexander Dominicus (DDP) 1921 im Zuge der massenhaften Ausweisung von „Ostjuden“, aber auch Sinti, Jenischen und Roma zwei Konzentrationslager in Cottbus-Sielow und in Burg Stargard in Pommern errichten, in die all jene zuvor Genannten eingewiesen wurden, die Deutschland nicht sofort freiwillig verließen. Aufgrund der unmenschlichen Bedingungen wurden diese Lager allerdings nach Protesten schon 1923 wieder aufgelöst."

        Die von Max Weber (gestorben 1920) mitgegründete Partei DDP galt damals übrigens linksliberale Partei. https://de.wikipedia.org/wiki/Konzentrationslager_(historischer_Begriff)#Lager_des_Ersten_Weltkriegs_und_der_fr.C3.BChen_Nachkriegszeit

         

        "Noch Tage vor Kriegsausbruch, am 25. Juli 1914, rief der SPD-Parteivorstand zu Massendemonstrationen gegen das "verbrecherische Treiben der Kriegshetzer" auf; mehr als eine halbe Million Menschen folgten."

        Am 4. August schon stimmt die SPD eintimmig für die Kriegskredite. (K)ein Selbstbewußtsein des Proletariats in der Krise.

         

        Rosa Luxemburg fand die passenden Worte dazu:

        "Ihr ungezählten Millionen / Aus Schacht und Feld, aus Stadt und Land, / Ihr seid nun Futter für Kanonen, / Die schuf des Proletariers Hand! / Jetzt schießt man auf den Bruder gern, / Weil es der Wunsch der hohen Herrn! / Vernichtung vieler Menschenleben, / Das ist das Ziel, das wir erstreben./ Das nennt man jetzt den heil'gen Krieg, / Mit uns das Volk, mit uns der Sieg!" http://www.spiegel.de/einestages/spd-im-ersten-weltkrieg-wie-es-zur-kriegskredite-zustimmung-kam-a-976886.html

  • Nach nunmehr 27 Jahren Einheit haben wir im Osten 4x so viele Gewalttaten gegen Ausländer wie im Westen (Pro Kopf dürften also für Ausländer die Chancen, im Osten Opfer eines rassistisch motivierten Verbrechens zu werden locker 10x so hoch sein wie im Westen), und eine rund doppelt so hohe Präferenz für Rechtsextremisten. Und dem Autor fällt dazu nicht mehr ein als "die wählen halt anders"?

    • @Kaboom:

      Nein, im Gegenteil. Der Autor liefert doch eine klare Begründung: Reaktion auf Bevormundung und betreutes Denken.

       

      Vielleicht taugen die identifizierten Gründe sogar, um dem einen oder anderen von Ihnen geschilderten Problem auf den Grund zu gehen.

       

      Deshalb fand ich den Artikel ja so lesenswert. Mal kein Achselzucken nach dem Motto "Die sind halt abgehängt und deshalb quasi genetisch rechtsradikal."

      • @rero:

        Freies Denken begegnet mir in Sachsen allerdings recht selten und wird in Schulen leider auch nicht vermittelt - im Gegenteil!

         

        Es gab mal einen Österreicher, der auch der Meinung war, die Bevormundung Deutschlands nach dem 1. WK sollte mal ein Ende haben.

  • Ein starker Artikel. Lesenswert.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich habe diesen Text mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen.

     

    In der größtmöglichen textlichen Entfernung steht der Hauptwiderspruch des Textes:

     

    Am Anfang las noch das lachende Auge: "Der Ostdeutsche ist im politischen Diskurs so etwas wie ein Primärpatient."

    Da dachte ich noch das sei satirisch gemeint.

     

    Am Ende dann war das weinende Auge dran: "So ist der Osten vor allem Sinnbild für ein Versäumnis der etablierten Parteien. Sie müssen die richtige Therapie für den Primärpatienten finden."

    Jetzt bin ich also doch mal wieder "Primärpatient". Weil ich eine radikalere Parteipräferenz habe als "der Westen".

     

    Auf diese angedrohte Heilung kann ich persönlich gut verzichten.

    Als Linker aus Leipzig Connewitz kann ich da nur aus der Mitte des Textes zitieren: "Auf Bevormundung und betreutes Denken reagiert man im Osten gern mal allergisch."

     

    Ich muss gar nicht Derrida rausholen, der vorschlägt, doch besser über Demokratisierung zu sprechen als über Demokratie oder Bloch, für den die Heimat, das Angelangtsein in der realen Demokratie, problemhaft utopisch im Kern von guten Möglichkeiten wohnt, um zu schreiben:

    Die gute Möglichkeit, die der Verfasser hier hatte, blieb ungenutzt. Wie soll sich ein Linker bei solchen Heilsandrohungen angelangt fühlen in der Demokratie?

     

    "Linke und [...] AfD, das sind ja nun auch Parteien, die sich zum Grundgesetz bekennen und nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden"

    Diese Gleichsetzung macht klar: Das Problem liegt für den Verfasser wohl nicht in der braunen Gesinnungslage, sondern in der skeptischen Einstellung gegenüber "etablierten Parteien".

     

    Wer solche Freunde hat braucht keine Feinde.

    Nzuli Sana hat recht, der Fisch stinkt vom Kopfe her.

     

    "Sie haben gesagt, dass die Klugen in den Westen gegangen sind". Dass die Loser der CDU in den Osten gegangen sind, Ministerpräsident wurden und ihre stramm rechten Kameraden im VS installierten, haben sie verschwiegen. Ein "Versäumnis", ja?

     

    Soll der Bock jetzt wieder Gärtner sein?

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Danke!!!!

      Ich kann das Geschreibe über den Osten nicht mehr hören. (Bin Wessi, wenn es denn eine Bezeichnung braucht)

      Auch in Bayern haben viele AfD gewählt, im Ruhrgebiet.

      Ich habe bei meinen Reisen in den "Osten" z.B. nach Leipzig, Connewitz, die Menschen schätzen gelernt.

      Was hier mit den Menschen im Osten passiert ist tiefstes Mobbing!

      • @39167 (Profil gelöscht):

        Genau die Menschen, die Sie schätzen gelernt haben, sind sicher froh, wenn das "Kind" in ihrem Umfeld, einen Namen bekommen hat.

         

        Gerade die Connewitzer wissen doch schon lange, was in Sachsen schief läuft.

         

        Und ich kenne keine Person hier in Sachsen, die die schwarz-braunen Umstände schon länger in Sachsen beobachtet, die sich gemobbt fühlt. Im Gegenteil, endlich gibt es mal "Unterstützung" bzw. Aufmerksamkeit für die braune, gährende Suppe, in der sie leben.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Diese nationalistische christliche Heilandstrinität

       

      aus Katholischer und Evangelikaler Landeskirche, die Muslimen die Beerdigung ohne Sarg verwehrt, evangelischen Pfarrern den gleichgeschlechtlichen Partner und Frauen die Abtreibung,

       

      sogenannten Christdemokraten, die noch 2013 einen Burschenschaftler als VS-Chef einsetzen, um für Transparenz und einen Philosophiewechsel zu sorgen, er war V-Mann-Führer in NSU-Nähe und verschwieg bis zuletzt sein Dasein als "Alter Herr", und deren Fast-Bürgermeisterkandidat und Anti-Extremismus-Chef sagt, die Zeit zum Reden müsse vorbei sein, jetzt müsse gehandelt werden - in Leipzig-Connewitz wohlgemerkt, wo 40% die Linke wählen, nicht in Dresden, Freital, Pirna, Heidenau oder -zig anderen braunen Nestern, der genau das sagt, was die 215+ Neonazis, die meine Nachbarsstraße vor anderthalb Jahren verwüsteten, sich auch gedacht hatten

       

      und der urplötzlich christlichen Presse wie der LVZ, die bei 95% Konfessionslosen in Leipzig das christliche Monatsmagazin beilegt, die eine Million Euro Steuergeld und erzwungenen Schulausfall für den Katholikentag toll findet, die DDR dafür verantwortlich macht, dass schon Ende des 19. Jh. in Sachsen die Bevölkerungsmehrheit atheistisch war, wie in Böhmen, einer Zeitung, die zum Jahr des antisemitischen Hasspredigers Luther eine These nach der anderen lang und breit den dummen Ungläubigen erklären läßt und mit Vorliebe Interviews mit de Maiziere, Ulbig oder Merbitz führt, mit nur einem Thema, Connewitz, und die in jedem Artikel über die innere Sicherheit in Leipzig nicht vergisst, Graffitis mit unterzubringen, wie etwa, wenn der OB(erst) der SPD, Burkhard Jung, Ordnungsamtsmitarbeiter mit Hunden, Pfefferspray und Elektroschocler ausstatten will, nachdem er zuvor schon Hilfspolizisten mit Rechtsstaat-Crashkurs zum Bewachen von Flüchtlingsunterkünften angeheuert hat,

       

      das ist eine unheilige Allianz, die keine AfD braucht, um so zu sein.

      Selig sind die Armen im Geiste. Amen.

       

      taz Leipzig, wo bist Du?

      • Erik Peter , Autor , Politik | Berlin
        @85198 (Profil gelöscht):

        Die taz-Leipzig erscheint in der Region an jedem Freitag auf einer Seite!

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        Wenn das aufrechte Demokraten sein sollen, dann setz' ich wohl besser auf den Aufrechten Gang im Geiste Blochs.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        "Die Bundespolizei muss auch nicht einreiten, um die Metamorphose von Sachsen in einen Failed State zu verhindern."

        Da ist der Verfasser des Artikels ja optimistisch.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @85198 (Profil gelöscht):

          Es soll hier nicht so rüberkommen als sei ich gegen Religion. Ich bin nur gegen Glaubensreligionen. Um religiös zu sein, braucht es keinen "Gott". Schon Buddha hat die Götter und die Priester zwischen Mensch und Selbsterkenntnis abgeschafft.

          • @85198 (Profil gelöscht):

            Ich bin auch nicht gegen Religion, ich bin gegen Religion gefördert durch Milliarden von öffentlichen Mitteln in Deutschland.

             

            Religion ist Privatsache, wie jeder Kegelverein auch - zumindest wirtschaftlich gesehen.

            • 3G
              39167 (Profil gelöscht)
              @Hanne:

              Ich bin für Religionsfreiheit!

               

              ich möchte das aber als frei von Religion verstanden wissen.

              Zuhause im Kämmerlein kann jeder glauben, was er mag, den heiligen Bimbam eingeschlossen.

               

              Ich möchte aber mit meinen Steuergeldern, den in meinen Augen, verlogenen Gottesglauben, jeglicher Färbung, nicht unterstützen.

          • @85198 (Profil gelöscht):

            Die kathoischen und evangelischen Landeskirchen verwehren Muslimen eine Bestattung ohne Sarg?

            Ist Ihnen bekannt, dass es ein Bestattungsgesetz gibt? Ist Ihnen bewußt, dass das nicht Teil des Kirchenrechts ist?

            Wenn Sie sich mit dem Bestattungsgesetz befassen, werden Sie feststellen, dass es durchaus sachbezogene Gründe gibt.

             

            Was ist denn für Sie eine "Glaubensreligion"? Als Buddhist ist es ja auch irgendwie angebracht, an das eine oder andere zu glauben. An Wiedergeburt zum Beispiel.

            • 8G
              85198 (Profil gelöscht)
              @rero:

              Glaubensreligion ist der Gegenbegriff zur Erfahrungsreligion, deren radikalste Ausprägung denke ich der Zen ist. Da wird auch die Wiedergeburt nebensächlich. Ich behaupte mal, der Punkt ist eher kulturelle Metaphysik gewesen bei Buddha und viel zu selbstverständlich, als dass er das hätte hinterfragen könne.

               

              Aber hat gelehrt, dass jeder Mensch das sog. Nirvana erreichen kann, Das eine radikale Erfahrungsreligion, bei der es nicht um "Wahrheit" im Sinne religiöser Glaubenssätze, sondern um die individuelle Selbsterkenntnis geht. Bloch kennt auch die Religion als "den einen metaphysischen Gedanken".

               

              Mit der Lehre Buddhas haben aber die meisten sog, Buddhisten, wie der Dalai Lama, nichts am Hut, im Gegenteil.

              Die chauvinistischen Buddhisten lehren Glaubensreligionen und setzen sich selbst wieder als Vermittler zwischen "Himmel", "Hölle" und Mensch.

               

              Im Islam gibt es den Sufismus, da geht es auch direkt um die Erfahrung.

              Aber das Gebet bleibt da auch immer gleich.

               

              Im Christentum scheint es so eine Strömung mal gegeben zu haben, mit "ketzerischem" ausgesonderten Evangelien, die es nicht in die Bibel geschafft haben.

               

              Wenn meine persönliche Erfahrung etwas wert sein sollte im Diskurs:

               

              Aus der heraus kann ich auch nichts anderes sagen, als dass ich religiöser Atheist bin.

              Als mein japanischer Philosophieprof die 10 Ochsenbilder aus dem Zen ausgrub, um das 8. Bild mit Derridas Interpretation von Platons Wort "Khora" zu vergleichen, war das schon ziemlich abstrakt. Aber diese 10 Bilder habe ich allesamt sofort intuitiv verstanden, während ich den Monotheismus immer nur als gefährlich und wahnsinnig empfand.

               

              Würde ich an so etwas wie den "Namen Gottes" glauben, wäre ich wohl schon längst durchgedreht und in der Klapse oder Sektenführer und nicht Philosoph.

              Zum Glück habe ich nicht rausfinden können, was "Gott" heißen soll. Ein Zauberwort.

              Wäre ich Christ, müßte ich an so was glauben, wie dass ich Jesus wäre. Wenn sich das wahnsinnig anhört, dann weil es genau das wäre.

            • 8G
              85198 (Profil gelöscht)
              @rero:

              Das Bestattungsrecht ist Teil der sächsichen Landesverfassung. Solange die CDU regiert, bestimmen die Landeskirchen quasi direkt, was im Bestattungsrecht steht.

              Nicht nur die Sargpflicht ist Teil dessen, sondern auch das Verbot alternativer Bestattungsformen wie des Friedwaldes.

               

              Jana Lapper hat in der taz erst im April einen Artikel zur Sargpflicht in Sachsen geschrieben: https://www.taz.de/!5393565/

               

              Wie gut, dass es das Grundgesetz gibt, mit Artikel 2, dem Artikel der Freiheit. Dort sollte doch eigentlich genau geklärt sein, dass nicht eine Religion der anderen vorschreiben kann, wie eine Bestattung aussieht?

              "(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."

               

              Meine Freiheit oder die von Muslimen garantiert dieser Artikel nicht, es ist ein Ermöglichungsparagraph, dank dessen in der sächsichen Landesverfassung solch ein diskriminierendes Bestattungsrecht verankert sein kann, ohne dass es offenkundig grundgesetzwidrig ist.

               

              Mittels dieses "Sittengesetzes" läßt sich wie in Sachsen sogar das Grundrecht auf die freie Ausübung der Religion und die Gleichheit vor dem Gesetz beschränken, ganz ohne Burkaverbot.

               

              Freiheit ist, wenn ich mich bestatten lassen kann, wie ich will, außer CDU und Landeskirchen mobilisieren genügend Wähler, um es zu verbieten.

               

              Auch im Sachsen des Jahres 2017 sind alle gleich und manche gleicher. Derweil heißt es doch, im Tod seien alle gleich. Weit geirrt. Tote sind den Kirchen nämlich wichtiger als Lebende.

               

              Ein "Sittengesetzes" verbietet anderswo Frauen das Autofahren.

               

              Einer meiner Dozenten, Prof. Dr. Felix Eckardt, ein Linksliberaler, argumentierte dafür, dass dieses "Sittengesetz" abgeschafft werden sollte und dass das ebenso unsinnig ist wie die Idee eines "nationalen Interesses".

              Die tendenzielle Schwachstelle seines Konzeptes, der Tierschutz, ließe sich nötigenfalls durch Tierrechte ausgleichen.

  • 1 Die Afd wurde von einem Wessi gegründet.

    2.Die Afd wurde mit Geld aus dem Westen versorgt.

    3. Nach 40 Jahren länger unter dem Einfluß funktionierender Propaganda kann der Wessi nicht das Einfachste begreifen: Das System ist nicht demokratisch, und schon gar kein bißchen fair. Sondern im Kern oligarchisch und korrupt, gestützt von den Parteien der Mitte. Ist die Alternative links verstellt, wie seit 30 Jahren, probiert man's halt mal über rechts. Das immerhin hat der Wessi gemerkt und rätselt. Für den Ossi ist schon das mal eine Art Erfolg, nur halt um einen hohen Preis. Wieso ist so schwer zu begreifen, was sogar ein Söder versteht: AfD ist keine Frage von Ost oder West, sondern von oben und unten.

  • Der Kommentar von Markus Völker geht am Thema vorbei.

    Das Thema ist:

    Identifikation mit dem Nationalsozialismus, Aufrufen zu Mord und Bildung von Terrorzellen, eben dies umzusetzen, wie die Terrorgruppe Freital.

    Plus Beifall von tausenden anderen.

    Schweigen von fast allen.

    Die Mafia aus Blood-&-Honour und den Verwaltungen, Polizeien und Justiz ist das Thema.

    Die Liebe zum Hakenkreuz ist das Thema und nicht das was M.Völker schreibt.

     

    Fragen Sie AfrikanerInnen von The Voice Refugee Forum in Jena und in den Abschiebelagern in den Wäldern.

  • Das hat den Ossis grade noch gefehlt, dass sie verteidigt werden von einem Wohlmeinenden. Als könnten sie nicht selber für sich sprechen!

  • Dazu paßt der gestrige Erguß in der „Zeit“ „AfD: Werden die Ossis zu nett behandelt?“ von Raoul Löbbert, einem Redakteur aus dem klerikalen Stall von „Christ & Welt“ und „Rheinischer Merkur“. Diese herablassend-paternalistische Überschrift suggeriert, bei der AfD handle es sich um ein exklusives Ost-Problem, dessen sich der „Westen“ nun pädagogisch eingreifend und korrigierend annehmen müsse, dabei davon großzügig absehend, daß von den 93 AfD-Bundestagsabgeordneten lediglich 20 über die ostdeutschen Länderlisten gewählt wurden, von diesen 20 wiederum lediglich 7 mit dezidiert DDR-geprägter Sozialisation. Die AfD ist folglich kein Ost- sondern eher ein West-Problem, was nicht verwundert, denn ihre ostdeutschen Ableger wurden im Enthusiasmus der Wendeherbstes 1989 gezeugt. Die Dresdner abendländischen Spaziergänger und südostsächsischen AfD-Wähler sind keine SED-Veteranen, wie man es gern hätte, sondern ähneln ganz im Gegenteil eher den jubelnden Massen im Dezember 1989 vor der Semper-Oper, unter schwarz-rot-goldenem Lochfahnenmeer dem Kanzler zurufend: „Helmut! Nimm uns an die Hand und führ uns in‘s Wirtschaftswunderland!“ An EU-Fahnen kann sich da niemand erinnern. Die damaligen Schlachtrufe „Wir sind das Volk“ und mehr noch „Wir sind ein Volk“ in heutigem Lichte nicht als „populistisch“ und „nationalistisch“ zu lesen, fällt schwer. Insofern hat sich „der Osten“ nicht geändert, nur glaubten damals die Neo-Völkischen unter den Friedlichen Revolutionären ihre Sache in der damaligen AfD, der „Allianz für Deutschland“ (nicht für Europa!) aus CDU, DSU und „Demokratischer Aufbruch“ mit A. Merkel und R. Eppelmann gut aufgehoben. Allmählich dämmerte es ihnen, daß das alles wohl doch nicht alles so gemeint sein könnte. Den meisten von ihnen ist es zwar wirklich wie versprochen besser ergangen, aber sie wollen den paternalistischen Hätschelstatus nur nicht mit den Neuankömmlingen teilen. Die AfD ist ein Derivat der CDU, ihre Wählerschaft aus dem gleichen Holz geschnitzt.

    • @Reinhardt Gutsche:

      Danke. Recht haben Sie.

  • "Und weil sich viele noch so gut an die DDR-Zeit erinnern, kam ihnen auch der Umgang mit der Flüchtlingskrise irgendwie komisch vor."

    Wie bitte? Was? - Dieser Satz bedarf aber dringend der Erklärung.