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Schlechte Zahlen der Deutschen BahnIt’s Daseinsvorsorge, stupid

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Die Bahn kommt nicht aus der Krise: Die Politik muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass sich die Bahn jemals selbst tragen kann.

Die Bahn hat ein Problem, das ist keine Neuigkeit. Aber sie sollte in der Zukunft nicht profitabel sein, sondern funktionieren Foto: Carsten Koall/dpa

D ie Deutsche Bahn steckt in der Krise – das unterstreichen die Zahlen der am Donnerstag veröffentlichten Jahresbilanz. Einen Verlust von 330 Millionen Euro fuhr das staatseigene Unternehmen 2024 ein. Bahnchef Richard Lutz verspricht, das Unternehmen bis 2027 wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Die Leistungsfähigkeit soll dabei nicht leiden, im Gegenteil, die Bahn soll wieder deutlich pünktlicher werden. Außerdem will die Bahn das marode Schienennetz sanieren, digitalisieren und erweitern, um die anvisierte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 stemmen zu können.

Das klingt alles nach der unlösbaren Aufgabe, die es ist. Will die Politik die Bahn zum Verkehrsträger der Zukunft ausbauen, muss sie sich von dem Gedanken verabschieden, die Bahn sei ein Unternehmen, das sich finanziell selbst tragen könne. Zwar klingen die voraussichtlich 150 Milliarden Euro, die aus dem Sondervermögen in den nächsten Jahren in das Schienennetz fließen werden, beeindruckend. Aber DB-Finanzvorstand Levin Holle stellt klar, mittelfristig müsse das Unternehmen die Investitionen aus eigenen Mitteln bezahlen.

Mittel der Wahl auf dem Weg in die Gewinnzone bleibt also der Personalabbau. Bis 2027 will die Bahn 10.000 Vollzeitstellen einsparen. Auch wenn die meisten Stellen in der Verwaltung durch Effizienzsteigerung wegrationalisiert werden sollen, hat der Kahlschlag wenig mit einer Personalpolitik zu tun, die sich klug auf den demografischen Wandel und die kommende Fahrgaststeigerung einstellt.

Der zweite Hebel wäre die weitere Erhöhung die Ticketpreise, die jetzt schon viel zu hoch sind. Eine zukunftsfähige Bahn braucht aber bezahlbare Preise, um ein alltagstaugliches Fortbewegungsmittel für alle zu bleiben.

Statt um jeden Preis die Bahn in die Profitabilität zu treiben, sollte die kommende Regierung klar und deutlich anerkennen, dass die Bahn ein elementarer Teil der Daseinsvorsorge ist, den sich die Gesellschaft bewusst leistet.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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25 Kommentare

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  • Die Bahn sollte nicht Gewinne erwirtschaften aber kostendeckend arbeiten. Und die Bahn muss deutlich effizienter werden, sie muss mit weniger Menschen mehr leisten können, ganz einfach wegen dem demographischen Wandel. Deutschland hat weder das Humankapital noch das Geld um 100.000 neue Menschen für eine Bahn arbeiten zu lassen die ständig für den regulären Betrieb bezuschusst werden muss.

  • Auch wo Strecken vorhanden sind, die Züge pünktlich kommen und die Umstiegszeiten kurz sind dauert das Pendeln zur Arbeit oftmals doppelt so lang als wie mit dem Auto.



    Ohne neue Strecken und ohne schnelle Strecken wird eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen nicht funktionieren.



    Und das ist mehr als Daseinsvorsorge.

  • Würden Flug und Autofahrt nicht dermaßen teuer bezuschusst bzw. müssten ihre volkswirtschaftlichen Schäden auch tragen,



    sondern würde genau die Grundversorgung für alle zu ihrem Recht kommen, dann würden wohl wie früher schon einige Bahnstrecken wiedereröffnet.

    Übrigens sind funktionierende Bahnstrecken auch ganz sinnvoll, wenn molwanische Panzer an der Neiße anrollen sollten.

    • @Janix:

      Die Bahn ist heute schon günstiger als das Auto. Nur langsamer.

      Die ökologischen Kosten für das Autofahren werden ja von Jahr zu Jahr immer mehr eingepreist über die Zertifikate.

      Nur sollte man dabei behutsam vorgehen.

      Das ist wie eine drastische Mieterhöhung um Wärmepumpen einzubauen und das Haus energetisch zu sanieren.



      Und bei Privatautos kann man nicht einmal die Kosten dafür allein dem Vermieter aufbürden.

  • Eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen in Deutschland bis 2030 halte ich für unmöglich. Weder wird die Bahn dies organisieren können noch werden so viele Menschen auf die Bahn umsteigen, weil es einfach nicht funktioniert.

    Vielleicht sollte man endlich von dem Wahn ablassen, im Stundentakt Städte mit Hochgeschwindigkeitszügen zu versorgen, und den Schwerpunkt auf Zuverlässigkeit legen. Etwas langsamer ist völlig OK, wenn man es vorher weiß.

    Was nutzt es dem Fahrgast, wenn der ICE Frankfurt-Köln auf der Strecke mit 300 km/h brettert, um dann auf der Deutzer Brücke eine Viertelstunde im Stau zu stehen, weil kein Gleis frei ist? Die Verspätung ist quasi garantiert und der Anschluss weg.

    Die "Spitzenkräfte", von der die Bahn hier redet, braucht man dafür nicht. Sondern Menschen mit Fachkompetenz, Erfahrung, Umsetzungsstärke und Anstand. Damit wäre schon viel gewonnen.

  • Daseinsvirsorge reimt dich also mit DB Subvention. Einverstanden, dann muss due aber auch an die Konkurrenz gehen. Flixtrain wird dann die Bahn ziemlich unter Druck setzen....

  • "Statt um jeden Preis die Bahn in die Profitabilität zu treiben, sollte die kommende Regierung klar und deutlich anerkennen, dass die Bahn ein elementarer Teil der Daseinsvorsorge ist, den sich die Gesellschaft bewusst leistet."

    Mit der Bahn ist es wie mit Schulen und Krankenhäusern:

    Verluste machen ist ok.

    Gewinne machen MÜSSEN führt in die Dysfunktionalität.

    Wir müssen uns entscheiden: Ich kann mit Bildung, Energie, Bahn, Gesundheit, Wohnen, Wasser usw. in öffentlicher Hand wunderbar schlafen.

    • @Stavros:

      "Verluste machen ist ok."

      Sie sind mir ja ein toller Dobrink! 🤪

      • @Rudolf Fissner:

        Danke sehr ;-).

        Ich habe kein Problem damit, wenn meine Steuern für Gesundheit und Bahn ausgegeben werden, ja.

        • @Stavros:

          Aber eine Maut für Autos wollen Sie nicht? Keinerlei Kostenübernahme für Autofahrer?

          • @Rudolf Fissner:

            Woraus schließen Sie das? Ging es hier um Autobahnmaut?

  • Ich mag ja wie im Beitrag Ticketpreise und Personal als einzige Bilanzstellschauben erwähnt werden und mir darunter folgender Beitrag vorgeschlagen wird:



    taz.de/Gueterverke...hen-Bahn/!6028177/

    Viele Menschen kennen die Bahn nur als Passagier. Dass sie neben Menschen auch Güter bewegen soll wird oft vergessen. So auch hier, wie es scheint.

  • Danke! So ist es. Wie Bildung soll und muss die Mobilität für alle staatlich garantiert und organisiert sein.

  • Der mitgliederstarke Vorstand genehmigt sich jedes Jahr Zulagen für seineTopperformance, damit das Gehalt um 2 Mio liegt. Schon die Grundgehälter sollten angesichts der Performance halbiert werden. Dann verliert man Spitzenpersonal? Man könnte es mit Durchschnitt versuchen. Und ja, aich angesichts der Wahlergebnisse scheinen mir solche nur peanutsAktionen auch nötig.

  • "sollte die kommende Regierung klar und deutlich anerkennen, dass die Bahn ein elementarer Teil der Daseinsvorsorge ist"



    Das kann man nicht oft genug wiederholen!



    Die Bahn, wie der gesamte öffentliche Nahverkehr, die Versorgungsunternehmen (Wasser/Abwasser, Strom, Gas) sind als öffentliche Infrastruktur die Grundlage des wirtschaftlichen Lebens und des Daseins überhaupt.

    Hier hat das Erwirtschaften von Profit keinen Platz, hier geht es um das Funktionieren der Gesellschaft.

  • Stimme dem Kommentar zu und ergänze:



    Überall dort, wo versucht wurde (und fatalerweise immer noch: wird) Bereiche der "Daseinsvorsorge" der Renditenlogik auszuliefern, ging es schief, respektive: wurde unzuverlässig und teurer, gleichzeitig in der Substanz vernachlässigt.



    Das Ergebnis nach 30 Jahren "Bahnreform" haben jetzt die Fahrgäste und die Beschäftigten auszubaden.



    Es geht aber um nichts weiter, als dass alle Bürger zuverlässig und bezahlbar von A nach B kommen. Dafür und für nichts anderes ist die Bahn (egal ob als "Unternehmen" oder als Behörde) da. Und: Nicht koste es, was es wolle (den Zustand haben wir jetzt), sondern der Eigentümer Staat muss dafür Sorge tragen, dass das zur Verfügung gestellte Geld verantwortungsvoll eingesetzt wird.



    Ein ähnliches Desaster erleben wir in allen Bereichen der "Daseinsvorsorge": im gesamten Gesundheitssektor, Kommunikation (Post u.a.), Grundversorgung (Wasser, Müll etc.), ÖPNV u.s.f.



    Daseinsvorsorge ist eben keine "Dienstleistung", sondern Pflicht des Staates gegenüber "seinen" Menschen.

  • der Autor des Artikels möge mir doch mal erklären, warum die DB nicht zumindest kostendeckend agieren können sollte. Beispiel Schweiz: die SBB verdienen Geld. Das Schienennetz der Schweiz ist dichter als das der BRD, der Zugverkehr dichter getaktet (ca. 10'000 Züge/Tag in CH ggü. 30'000 in D - bei ca. 8 Mio CH Einwohnern ggü. 80 Mio in D). SBB Züge sind sauber, pünktlich und der Bahnverkehr ist selbst in Kleinstädten mit dem Zubringerverkehr so abgestimmt, dass man i. A. direkten Anschluss hat. Das Schienennetz ist nicht marode, im Gegenteil.

    Die SBB sind sehr teuer, schaffen es aber, das sog. Generalabonnement billiger anzubieten als die Bahncard 100 (wobei das GA praktisch überall gilt, also auch in Bussen etc., wofür man in D das Deutschland-Ticket braucht - solange es das noch gibt).

    Die SBB haben ca. 34'000 Vollzeitangestellte, die DB 200'000. Das Spitzengehalt eines SBB Lokführers liegt bei ca. 120'000 CHF, die DB zahlt max. knapp 50'000 €. Sprich 6 mal so viele Mitarbeiter, dafür aber schlechtere Dienstleistungen, marode und ausgedünnte Infratsruktur, schlechte Löhne, unpünktliche Züge, rote Zahlen. Klingt für mich nicht unvermeidbar, sondern nach beschissenem Management.

    • @John Zoidberg:

      Die Schweizer Bahnen sind auch nicht die einzigen, die zumindest kostendeckend arbeiten. Dass es die DB sogar schafft, mit dem Güterverkehr Verluste einzufahren, ist ein schlechter Witz.

      Allerdings sollte man bedenken, dass durch jahrelange Vernachlässigung ein riesiger Investitionsbedarf besteht. es ist viel nachzuholen. Erst wenn die Versäumnisse aufgearbeitet sind, kann man eine seriöse Verlustrechnung machen. Jetzt wird mit den Zahlen nur Wind erzeugt.

    • @John Zoidberg:

      Nunja, auch für die Schweiz ist die Bahn keine Gelddruckmaschine. Hier etwas zur Finanzierung der Infrastruktur dort aus erster Hand (projektbezogen et al.):



      company.sbb.ch/de/...-finanzierung.html



      Und auch sie haben mit Schulden zu kämpfen:



      news.sbb.ch/medien...20Millionen%20CHF).



      Und:



      www.watson.ch/schw...inn-wie-im-vorjahr



      Aber Sie haben insofern recht, dass die SBB und die Schweiz in Sachen Bahn vieles richtig machen (und in der Vergangenheit richtig machten). Die SBB wurde natürlich nicht auf "Rendite" getrimmt oder sollte nicht für den Kapitalmarkt "hübsch" gemacht werden.



      Zudem haben die Schweizer eine andere "Einstellung" zum Bahnfahren. Es gab z.B. in den 1960er nicht diesen Stilllegungswahn wie in Ditschl (danach wieder in den 1990er in den FNL). Sie haben die Idee der "Daseinsvorsorge" inhaliert...



      U.s.w.

    • @John Zoidberg:

      Grundsätzlich bei Ihnen - die Schweiz steckt dabei auch - zurecht - mehr Geld ins Bahn-System, die Flächen sind verschieden, Löhne und Lebenshaltungskosten generell deutlich höher als in der BRD; und die Schweiz hat den paradiesischen Vorteil, nicht im Würgegriff der Autolobby zu röcheln.

  • Die Bahn kommt schon deswegen nicht mehr pünktlich, weil viele Stellen nicht mehr besetzt werden können.

    www.tagesschau.de/...tellwerke-100.html

    Das wird in den kommenden Jahren auch nicht besser. Nichtsdestotrotz stimmt natürlich alles im obigen Artikel

  • Diese Daseinsvorosorge ist absurd teuer. Nicht nur der Unterhalt sondern genauso die Inanspruchnahme. Wenn man sich nicht Wochen vorher auf einen Zug festlegt oder regelmäßig Bahn fährt und eine Bahncard hat, dann ist die Bahn im Fernverkehr an der Grenze zum Luxus. Wenn man sich den Luxus leistet hat man immer noch die Wahl zwischen 1. und 2.Klasse, mit oder ohne Sitzplatzreservierung...

  • Das sollte eigentlich schon immer klar gewesen sein. Vor Jahren habe ich das mal zufällig gelesen, als ich spaßeshalber bei einem Bekannten mal in Meyers Konversationslexikon von 1895 (!) blätterte. Da standen auch, die Schuldenstände der Bahnen verschiedener Länder und das man weiter investieren müsste.

  • Kaum etwas trägt sich von alleine, auch der MIV nicht, ansonsten würde man ja keine Dienstwagenprivilegien gewähren oder Pendlerpauschale auszahlen die wiederum dazu führt dass die Arbeitnehmer weiter vom Arbeitsplatz wohnen was wiederum zu mehr Ausgaben im Straßenbau führt und auch der Gesundheit der Pendler nicht so zuträglich ist wie eine aktive Bewegung mit dem Rad.



    Wäre es nicht schön wenn bei der Bahn im Ticketverkauf und -kontrolle alle einspart, das Bahnfahren gratis macht indem man die Autofahrer über einen Zeitraum von 5~10 Jahren die Pendlerpauschale kürzt? Damit wäre der Mobilitätswende viel geholfen.



    Über 30 Mrd Euro Subventionen erhält der Bereich Verkehr, mehr als der Gesamtumsatz der DB (nur 60% des Umsatz kommen aus dem Personenverkehr).

  • Danke, Jonas Wahmkow, für den Kommentar!!!



    Sollte man bei der Idee bleiben, dass die Bahn profitabel sein muss, wird die Bahn unweigerlich irgendwann auf ein paar profitable Hauptstrecken schrumpfen, und das wars dann!