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Safran für 66 CentEine Frage des guten Geschmacks

Die Feststellung, dass deutsches Essen ungewürzt ist, kommt traditionell nicht gut an. Doch immerhin können wir nun im Supermarkt davon profitieren.

Für 1 Gramm getrocknete Safranfäden nur 66 Cent – danke dafür! Foto: Andia/imago

A ls ich mich vor wenigen Tagen im Supermarkt umschaute, konnte ich meinen Augen nicht trauen: In der Mitte der Verkaufshalle thronte ein Karton mit kleinen Packungen voller Geschmack. An den Gewürzen selbst war nichts Auffälliges. Ich inspizierte sie fassungslos, weil ich zuvor die roten Preisschilder las: 20 Gramm Ceylon Zimt für 40 Cent, 50 Gramm Ingwerpulver für 50 Cent, 1 Gramm Safranfäden für 66 Cent! Zuvor, so stand es auf dem Etikett, hat der Safran pro Gramm 3,29 Euro gekostet. Ein Preis, der diesem wertvollen Genussprodukt eher gerecht wird. Eine Mitarbeiterin erblickte mein entsetztes Gesicht und rief mir im Vorbeigehen zu, dass niemand hier diese Gewürze kaufe. Deswegen müsse alles raus.

Ich habe ein Bild vom Safran gemacht und es in meine Instagram-Story hochgeladen. Ohne allzu hart mit Worten nachzutreten. Es brauchte nämlich kein „Deutsche Küche kennt keinen Geschmack“. Das Bild sprach für sich. Das lernt man so im Journalismus: Show don’t tell. Die Fakten darstellen und darauf hoffen, dass Le­se­r*in­nen und Be­trach­te­r*in­nen schon mitdenken und mitfühlen werden.

Und wie sie gefühlt haben! Mein Postfach wurde von Edvard-Munch-Schrei-Emojis überflutet. Ahmeds und Fatemehs konnten es kaum fassen, fragten, wo es die zu Unrecht verschmähten Gewürze gibt, in diesen Zeiten müsse man eh sparen. Natürlich schrieben mir auch einige Deutsch-Deutsche, die das gar nicht so lustig fanden. Die Feststellung mit dem ungewürzten deutschen Essen kommt traditionell nicht so gut an. Das wusste ich schon vorher, hatte ich doch – ohne Witz jetzt – Todesdrohungen bekommen, als ich das letzte Mal objektiv beschrieben habe, dass die deutsche Küche nicht die geschmackvollste ist.

Eisbein zum Frühstück?

Aus den wütenden Alman-Nachrichten möchte ich hier nur eine servieren: So ein Heinrich schrieb mir stolz, dass er Gewürze schlicht nicht brauche. Außerdem würden Nafris mit den Fingern essen und sowieso liebe er „saftiges Schweineschnitzel, Eisbein mit Sauerkraut oder Bacon zum Frühstück. Yummy.“ Nun ist die deutsche Sprache tricky und ich verbrachte einige Momente damit, hermeneutisch herauszulesen, ob er Schnitzel und Eisbein zum Frühstück esse.

Ich muss zugeben: Ich bin hin- und hergerissen. Eigentlich ist es super, wenn sich auch arme Menschen solche Gewürze leisten können. Allerdings liegt der besagte Supermarkt in einer Gegend, wo mehrheitlich reiche Almans leben. Einige Ahmeds und Fatemehs, denen ich den Standort des besagten Supermarkts durchgegeben hatte, schrieben zurück, dass sie sich auf den langen Weg dorthin machen würden.

An dieser Stelle ein großer Dank an den solidarischen Geschmacksverzicht der Deutschen. Für Heinrich war in der Kiste allerdings auch etwas dabei: Schnitzel-Gewürzmischung für 50 Cent. Doch selbst die hatten die Deutschen bisher links liegen lassen. Yummy!?

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Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
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21 Kommentare

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  • Bei den deutschen ist halt alles "rein": die Natur, das Bier, die Rebsorten (wohingegen alle großen französische Weine gemischte Rebsorten verwenden), der Geschmack allgemein (nicht durch Gewürze "verfälscht"). Und, haben Sie es vergessen : Die Rasse? Der Reinheitswahn hat die Nazis überlebt, so ist das eben.

    • @Deutschfranzose:

      Mon Dieu! Ich mein, ich bin ja eigentlich auch ziemlich francophil, liebe französisches Essen, französischen Wein und insbesondere mediterrane Lebensart, aber Ihre Abgrenzung finde ich schon ziemlich merkwürdig.



      Vielleicht sollten sie sich mal vergegenwärtigen dass es eine ganze Reihe unterschiedlicher regionaler Küchen in Deutschland gibt und dass diese jeweils auch von benachbarten Kulturen beeinflußt sind. Von einer Rassenküche zu sprechen ist kompletter Unsinn.



      Und wenn Sie sich in Frankreich auf den Konsum von Cuvee's beim Wein beschränken, dann ist das halt Ihre Vorliebe. Aber zu sagen es gäbe keine sortenreine französischen Weine... Naja...Kein Kommentar.

    • @Deutschfranzose:

      So weit ich weiß, gibt es in Frankreich auch Rassismusprobleme und erfolgreiche rechte Parteien. Alles nicht so einfach, ne?

  • Es stimmt, dass einige typische regionale Gerichte mit wenig Würzen auskommen, und das tut denen keinen Abbruch; bei guten Zutaten mag ich auch Geschmack "nature". Aber wer in Deutschland isst denn ausschließlich "deutsch"? "Wir" kochen doch auch französisch, spanisch, italienisch, österreichische Mehlspeisen, US-amerikanisch, mexikanisch, ein wenig asiatisch. Da sind dann teilweise vielfältige Gewürze enthalten. Vielfalt ist gut. Vielleicht sollte/könnte sich Herr Amjahid auf eine kulinarische Deutschlandexpedition einlassen?

  • Grad mal bei mir gezählt, 15 verschiedene Gewürze und 2 verschiedene Salze. War der Autor in einem h4 Supermarkt?

  • Deutsche Küche schmeckt anders als arabische. Ob das schlechter oder besser ist, entscheidet jeder selbst. Ich persönlich mag viele orientalische Gewürze nicht. Außerdem frage ich mich, wieviel Erfahrung der Autor mit deutscher Küche hat. Alles, was Schweinefleisch enthält, fällt vermutlich schon mal nicht in seinen Erfahrungsschatz, z. B. geräucherter Speck als Geschmacksträger.



    Jeder soll einfach das essen, was er mag.

  • Der echte Deutsche liebt halt das "bodenständige", "natürliche". Er will den wahren, echten Geschmack, unverfälscht. Also keine Gewürze, nicht mal Salz oder Zucker, die ja auch noch so ungesund sind. Fad soll alles sein, dann ist es richtig. Fad ist anscheinend der Idealgeschmack in diesem Land.

    • @MikeyBln:

      Wenn (Betonung auf wenn) die Grundzutaten von hoher Qualität sind, kann eine Zubereitung ohne weitere Gewürze durchaus sehr schmackhaft sein.



      Nicht von ungefähr wurde die Geschmacksrichtung umami von einem Asiaten in der deutschen Küche entdeckt.

    • @MikeyBln:

      Ach Du meine Güte!



      Egal in welchen Gasthäusern Sie verkehren, es sind die falschen.



      Oder reden Sie hier von Ihren eigenen Kochkünsten?

  • Die "deutsche Küche" gibt es gar nicht. Was es gibt sind Regionalküchen die je nach Tradition unterschiedlich mit Zubereitung und Gewürzen umgehen



    Ich denke: Wenn es jemand nicht schmeckt, dann kann er ja nach eigenem Gusto selbst würzen.



    Im Übrigen stand ich auch gelegentlich vor dem Problem asiatische oder arabische Speisen als hoffnungslos überwürzt wahrnehmen zu müssen. Manchmal eine Tortur für meine Geschmacksknospen.



    Na und? Ich habe es überlebt - knapp, aber immerhin...



    Gute und schlechte KöcheInnen gibt es in allen Küchen dieser Welt. Zu den einen geht man gerne immer wieder, die anderen meidet man halt.



    Mahlzeit!

  • "...als ich das letzte Mal objektiv beschrieben habe, dass die deutsche Küche nicht die geschmackvollste ist". Es ist Herrn Amjahid unbenommen, die deutsche Küche nicht zu mögen. Ob sie geschmackvoll ist, dürfte einer "objektiven Beschreibung" aber nicht zugänglich sein. Es ist halt, wie so oft beim Essen, buchstäblich Geschmacksache.

    • @Jochen Laun:

      Ja, es hat schon ein besonderes Gschmackerl wenn jemand seine subjektive Wahrnehmung zur Objektivität erklärt.

  • 9G
    92489 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich befindet sich in einer misslichen Lage, wer in Deutschland zu weit nördlich des schwäbischen Meeres hungrig wird. Völlig zurecht versinkt der Großteil der "Deutschen Küche" in Bedeutungslosigkeit bzw. Vergessenheit. Bratwurst ist ungefähr so kreativ wie Butterbrot. Und Fischbrötchen? Da wäre ich auch drauf gekommen, dass es besser ist, den Fisch nicht direkt in der Hand zu halten. Wahrscheinlich ist der Norden einfach zu nah an England...

  • Lieber Mohamed,

    Sorry für das Dutzen, aber es hat mehr mit Sympathie zu tun statt mit Unmut.



    Mohamed, du hast Recht, was das Deutsche Essen betrifft. Es ist schlichtweg unschmackhaft ohne nochmal extra nachzuwürzen. Wissen schon die Schwaben, weil da muss immer irgendwo Soße drauf. Mittel- und Nordeuropa bieten nunmal nicht die beste Voraussetzungen für Nahr- und Schmackhaftes aus dem Boden - der Extremfall wäre das eisige Grönland. Und bitte nicht von den Todesdrohungen beeindrucken lassen - objektive Fakten werden leider aus irgendeinem Grund immer am heftigsten auseinander- oder aus dem Kontext gerissen!

    • 9G
      92489 (Profil gelöscht)
      @Troll Eulenspiegel:

      Ich bin Schwabe und ich denke gerade an Käßspatzle, Mauldasch und Schupfnudeln. Wenn sie da irgendwo Sauce darübergießen, wissen sie ja schon wie sie sich bei Todesdrohungen verhalten müssen. Häimatsland nomol ;D

      • @92489 (Profil gelöscht):

        Ich habe an Spätzle pur gedacht. An Zwiebelrostbraten. An saure Kutteln.

        • 9G
          92489 (Profil gelöscht)
          @Troll Eulenspiegel:

          Linsen mit Saitenwürschtle, Kartoffelsalat

  • Da sitze ich hier als Bio-Alman schon etwas beschämt da. Wie jetzt? Da schreibt einer mal was über die Kunst, Gewürze einzusetzen. Ich stelle es mir so vor, dass der diese Kostbarkeiten des Orients und des Okziedents sowie aller anderen Gegenden anpreist. Ihre Vorzüge hervorhebt...Und dann sagt er halt mal nebenbei, was wir Almans doch seit hundert Jahren schon wissen: In Deutschland wird von uns eingeborenen eben anders gewürzt. Und das schmeckt Leuten mit "Migrations-Geschmackshintergrund" halt nicht so gut. Völlig normal das. Als "unsere" Doktorantin aus einem fernen asiatischen Land im Studiwohnheim immer mal wieder orginal heimatlich kochte - das war für unsere Zungen - na sagen wir mal: ungewöhnlich. Ja, für unsere Nasen auch. Ja klar - weil das eben anders ist.

    Aber deshalb dürfen doch jeder und jede essen und würzen wie SIE es gerne mögen.

    Und deswegen sogar Drohbriefe abschicken, nur weil einer mal sagt, in Sachen Gewürze könne die deutsche Küche durchaus Anregungen annehmen? Du meine Güte. Unsere" orginal Fernsehköche sagen uns das ähnlich, solange es TV bei uns gibt. Wo ist unser Verlangen nach Exotik, nach Ferne usw. geblieben, dass wir in weitaus schlechteren Zeiten nur unzureichend



    erfüllt sahen. Ich sagen nur: Toast Hawai!!!

    Solche Drohäußerungen sind zwar einerseits voll lächerlich. Andererseits voll schrecklich. Wenn die Reizbarkeitsschwelle deutscher Spießer und Spießerinnen egal welchen Hintergrunds bei so falschen Anlässen und schon bei so niedriger Reizschwelle anspringt: Dann müssen wir uns objektiv Sorgen machen, über das, was im Land los ist.



    Der Deutsche mag den Franzmann nicht, aber seine Weine trinkt er gern, sagte Heinrich Heine. Ja. Dann geht er "zum Inder" und schimpft dort weiter auf den Franzmann und die Italiener.

    Essen, zu Essen zu haben, das ist etwas elementar Gutes. Verderben wir es uns nicht.

  • Safran für 66Cent/g ,



    ich als (75%) Alman bin irritiert ob der Ignoranz meiner Landsleute-



    um Tetra MInt zu zitieren



    "wer kochen kann, darf Würzen"



    echter Safran macht es einem möglich, gut zu würzen!



    Natürlich muss es zu den anderen Zutaten passen, und wer gut kocht überlagert auch nichts, aber dann... Hmmm.



    vermutlich ist der Supermarkt des Autors in soner Hipster-Gegend, wo es einfach hip ist bei lieferando zu bestellen ?

    Übrigens geiler moove, das bild unkommentiert für sich sprechen zu lassen!

  • Ungewürzt oder wenig gewürzt heißt nicht zwangsläufig, dass estwas geschmacklos sei. Warum muss man denn immer den Geschmack einer Speise mit einem völlig anderen Aroma übertünchen?



    So wie ich das sehe, wird eher draufgehauen, was das Gewürzregal so hergibt, bis alles gleich schmeckt - und meistens völlig versalzen. Das beobachte ich sowohl in (gar nicht mal nur den billigen) Restaurants als auch bei Fertigprodukten aus dem Supermarkt.



    Wie heißt es doch so schön?



    Wer kochen kann, darf würzen.



    Wer nicht kochen kann, muss würzen.



    Vielleicht haben die Kunden jenes Supermarktes einfach nur gelernt, dass man nicht alles in den Topf werfen muss, was da ist. Alternative Erklärung: alles noch vom letzten Hamsteranfall gehortet. Halte ich persönlich für wahrscheinlicher.

  • Oma würzte traditionell mit Pfeffer und Salz, Mutti mit Fondor. Woher soll man also wissen, welche Gewürze zu welchem Preis wirklich billig sind ;-)