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SPD-Ostpolitik von Brandt bis heuteWas würde Willy tun?

Vor 50 Jahren, am 6. Mai 1974, endete Willy Brandts Kanzlerschaft. Eine Konferenz verhandelt, ob die SPD heute von der Ostpolitik etwas lernen kann.

Am 14.12.1972 legt der alte und neue Kanzler Willy Brandt (l) im Bonner Bundestag seinen Amtseid als Bundeskanzler ab Foto: Sanden picture-alliance/dpa

Berlin taz | Im Mai 1974 trat Willy Brandt zurück, Helmut Schmidt wurde Kanzler. Der Reformschwung der Brandt-Regierung war verbraucht. Der Visionär und Erfinder der Entspannungspolitik ging, der Pragmatiker kam. Am Donnerstag und Freitag nun verhandelte die Konferenz „Kanzlerwechsel 1974“, veranstaltet von der Willy-Brandt- und der Helmut-Schmidt-Stiftung, die Frage, ob die SPD 50 Jahre später von dieser Zeit etwas lernen kann. Muss sie etwas lernen? Oder ist das die falsche Frage?

Bernd Rother, Experte für jüngere SPD-Geschichte und lange Mitarbeiter der Willy-Brandt-Stiftung, plädierte für gelassene Historisierung: Die Ostpolitik war kein Solo von Brandt. Sie passte in die Zeit. 1969 waren die USA, verstrickt im Vietnamkrieg, offen für Entspannung mit Moskau. Die Sowjetunion sah sich von China bedroht und war deshalb ebenfalls offen für Entspannung mit dem Westen.

Brandt nutzte diese Chance, war aber facettenreicher als sein Image des Friedenskanzlers. 1962 hatte er in Harvard Grundzüge der neue Ostpolitik skizziert, die aber ein rabiates „Ja“ zur atomaren Abschreckung einschloss. Der Westen brauche „die innere Bereitschaft, auch das letzte Risiko einzugehen“ – den realen Einsatz von Atomwaffen. 1971 klang das bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an Brandt ganz anders. „Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio.“

Heute berufe sich, so Rother, Oskar Lafontaine auf Brandt, und zwar bei seinen Aufrufe an die Ukraine, faktisch zu kapitulieren. Ebenso wie Boris Pistorius, der Deutschland „kriegstüchtig“ machen will. Fakt ist: Die Entspannungspolitik war die andere Seite einer hochgerüsteten Bundeswehr, für die in den 70er Jahren doppelt so viel Geld ausgegeben wurde wie heute.

Blinde Flecken der Ostpolitik

Bemerkenswert ist Rothers Hinweis, dass Brandt (geprägt durch die Erfahrung im norwegischen Exil) immer die Empfindsamkeit kleinerer Länder im Blick hatte. Die Verständigung mit Moskau kombinierte er mit Rückkopplungen mit Polen, wohl wissend, dass ein rein deutsch-sowjetischer Deal ungute Erinnerungen an den Hitler-Stalin-Pakt wecken konnte. Der mitunter erhobene Vorwurf, die SPD-Ostpolitik habe mit starrem Blick auf Russland die mittelosteuropäischen Staaten ignoriert, trifft zumindest für die 70er Jahre nicht zu.

Die neue Ostpolitik, von Helmut Schmidt und Helmut Kohl weitergeführt, hatte in den 80er Jahren aber blinde Flecken. Vor allem Egon Bahr habe eine „etatistische Verengung“ (Rother) befördert, nur auf Regierungskontakte gesetzt und die Opposition wie etwa Solidarność in Polen unterschätzt.

Die Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin warf eine rhetorische Stinkbombe in die Brandt-Feierlichkeiten und rückte die Ostpolitik in die Nähe von (späterem) Appeasement. Aus „Wandel durch Annäherung“ sei Nordstream Zwei geworden – jene Ostsee-Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland transportieren sollte, doch wegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine letztlich nie in Betrieb genommen wurde.

Die Idee, mit Autokratien Handel zu treiben, sei als friedenssicherndes Konzept gescheitert, so Puglierin. Demokratien würden sich damit vielmehr erpressbar machen. „Streiten sie mit mir“ rief Pulglierin den überwiegend SPD-nahen und überwiegend männlichen Historikern zu.

Ein „abgeschlossenes Kapitel“

Doch diese Bombe ging nicht hoch. Die Entspannungspolitik nassforsch zur Vorstufe der (nicht nur in der SPD beheimateten) Fehleinschätzung von Putins Kriegslüsternheit zu degradieren – diese plane Rückprojektion wollte niemand ernsthaft debattieren.

Rother verband, in Abgrenzung gegen solche ad hoc Aktualisierungen, eine entschlossene Historisierung mit einem abwägend, selbstreflexiven Rückblick. Auch Handelsbeziehungen mit dem Realsozialismus und Kredite hätten subversiv gewirkt und den Ostblock „in einer Schuldenfalle“ gefangen.

Letztlich fußte der Erfolg des Konzepts „Wandel durch Annäherung“ auf Softpower und der selbstbewussten Überzeugung, dass der Westen mit Markt und Demokratie attraktiver war als der autoritäre, graue Realsozialismus. Die Ostpolitik sei, so Rothers Resümee, „ein erfolgreiches, aber abgeschlossenes Kapitel“. Abgeschlossen, weil von der selbstverständlichen Attraktion der westlichen Demokratien 2024 nicht viel übrig geblieben ist.

Wahlschlappen im Schatten Brandts

Was würde Brandt zur Ukraine sagen? Er würde an der Seite der Ukraine stehen, spekulierte Rother, weil er das Selbstbestimmungsrecht der Völker „für essentiell“ gehalten habe.

Zu fragen, was Brandt und Schmidt, die überlebensgroß erscheinenden Idole, heute tun würden, ist für die SPD mindestens zwiespältig, historische Distanz die klügere Perspektive. Der Historiker Dietmar Süß erkannte ein regressives Moment in der Brandt-Verehrung jener Generation, deren „eigene biographische Aufstiegsgeschichte fest mit dem Glanz des ersten SPD-Kanzlers und der Idee eines anderen Deutschlands“ verbunden war.

Dass die SPD-Führung in ihrer Parteizentrale ihre oft miesen Wahlergebnisse „im Schatten einer titanischen Willy-Brandt-Skulptur“ (Süß) kommentiert, ist eine Metapher. Es gibt nicht nur die Defekte der Geschichtsvergessenheit und des Mangels an Traditionsbewusstsein, sondern auch eine abgründige Fixierung auf eine heldenhafte Geschichte, an der gemessen die Gegenwart immer trist und mangelhaft scheint. Die Schwerkraft der Geschichte kann etwas Erdrückendes haben.

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30 Kommentare

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  • Die Ostpolitik Brands war notwendig, um das innerdeutsche Verhältnis zu verbessern, zu humanisieren, um Kriegsgefahren und Konflikte zu vermeiden. Die Verträge in Warschau sind heute in Polen nicht mehr im Fokus, die Opfer die Brand persönlich und mit der SPD dafür brachte, die sind dort vergessen. Ich halte das für absurd, diese Politik heute wissenschaftliche in Frage zu stellen und darüber hinweg zu gehen, dass die Kriegsgefahr real war. Als ich jung war, hat man sich überlegt, was man machen würde, wenn der Atomkrieg losgehen würde, es war eine realistische Gefahr. Brandt hat viel gemacht, um diese Gefahr zu reduzieren.



    Brand und Schmidt wären an der Seite der Ukraine. Sie waren damals auch and er Seite der unterdrückten Menschen in Afghanistan. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass die Urteilsfähigkeit von Brand, Schmid, Bahr wirklich an diesen Eliten im Osten gehangen hätte, dass sie sich an Putin gehalten hätten, interessanterweise tut das ja der 'Juso' von Brand und Schmidt, Gerd Schröder, der hält tatsächlich an Putin fest.



    Markus Wolf hat mal gesagt, dass Guillaume der großte (Erfolg und) Misserfolg in einem war, dass Brand wichtiger war, als bestimmte Informationen zu erhalten. Natürlich wollte der KGB dennoch lieber die Informationen haben, wer die sowjetische Geschichte kennt, denn kann das nicht wundern, aber unterm Strich wäre Brand besser nicht ausgeforscht worden.

  • Zu Spekulationen "Was würde Brandt zur Ukraine sagen?" ist vielleicht auch ganz aufschlussreich, wie sich sein Sohn, der Historiker Peter Brandt, positioniert hat:

    》Der Historiker und Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, Peter Brandt, hat mit zahlreichen weiteren bekannten Persönlichkeiten zu einer Friedensinitiative für die Ukraine aufgerufen.

    03.04.2023

    In demText, der von der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlicht wurde, wird Bundeskanzler Scholz aufgefordert, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen. Mit jedem Tag wachse die Gefahr einer Ausweitung der Kampfhandlungen, heißt es. Der Schatten eines Atomkrieges liege über Europa. Zu den rund 200 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Aufrufs gehören der frühere DGB-Chef Hoffmann, der ehemalige Bundestagspräsident Thierse und Ex-EU-Kommissar Verheugen《

    (die Reaktion aus Kiew ließ nicht lange auf sich warten: 》Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland und jetzige stellvertretende Außenminister des Landes, Andrij Melnyk, reagierte verärgert.Er schrieb bei Twitter, Brandt und Co. sollten sich mit ihren „senilen Ideen“, einen „schnellen Waffenstillstand zu erreichen“ und „den Frieden nur mit Russland zu schaffen“ zum Teufel scheren.《)

    www.deutschlandfun...schreiben-100.html

    • @ke1ner:

      "vielleicht auch ganz aufschlussreich, wie sich sein Sohn ..."



      Wieso sollte das "aufschlussreich" sein? Sein Sohn ist nicht Willi, sondern ein ganz anderer Mensch.



      Der Text ist das übliche realitätsverweigernde Friedenswischiwaschi und ignoriert, dass mit jedem weiteren Zögern gegenüber diesem aggressiv imperialistischen Russland die Gefahr einer Ausweitung der Kampfhandlungen wächst.



      Eine sachkundige und informierte Einschätzung der Lage finden sie bei diesen Sozis:



      www.theeuropean.de...ich-unglaubwuerdig

  • 》Was würde Brandt zur Ukraine sagen? Er würde an der Seite der Ukraine stehen, spekulierte Rother, weil er das Selbstbestimmungsrecht der Völker „für essentiell“ gehalten habe.《

    Brandt und Bahr hätten es nie so weit kommen lassen, dass die NATO Russlands Forderungen vor dem Krieg nach Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in Europa brüsk abgelehnt hat.

    》Brandt und Bahr deuteten den Bau der Mauer als Zeichen der Angst und des Selbsterhaltungstriebes des SED-Regimes. In seinem Tutzinger Diskussionsbeitrag, Teil eines Streitgesprächs mit dem konservativen Publizisten Matthias Walden, sagte Bahr:

    „Die Frage ist, ob es nicht Möglichkeiten gibt, diese durchaus berechtigten Sorgen dem Regime graduell so weit zu nehmen, dass auch die Auflockerung der Grenzen und der Mauer praktikabel wird, weil das Risiko erträglich ist. Das ist eine Politik, die man auf die Formel bringen könnte: Wandel durch Annäherung.“《

    www.deutschlandfun...naeherung-104.html

    Und auch die strategische Bedeutung der Krim als einer der wenigen eisfreien Häfen des riesigen Landes hätten sie sicher unter dem Gesichtspunkt "Sicherheitsinteressen" (vergleichbar mit dem amerikanischen 'not in my backyard') ernst genommen, womöglich schon vermittelnd Stellung bezogen, als Juschtschenko und Timoschenko mit vorzeitiger Kündigung der Nutzungsverträge gedroht haben.

    Und auch die klugen Warnungen Henry Kissingers 2014 zur VERMEIDUNG des inzwischen eingetretenen "Shodowns" - "um zu überleben und sich zu entwickeln, darf die Ukraine Niemandes Vorposten sein. Vielmehr sollte sie eine Brücke zwischen beiden Seiten darstellen"

    www.ipg-journal.de...keine-politik-298/

    hätten Brandt sicher nicht leichtfertig in den Wind geschlagen.

    • @ke1ner:

      "Brandt und Bahr hätten es nie so weit kommen lassen, dass die NATO Russlands Forderungen vor dem Krieg nach Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in Europa brüsk abgelehnt hat."

      Die russischen Forderungen waren nicht ernsthaft auf Verständigung angelegt. Die osteuropäischen Länder wären Mitglieder 2. Klasse mit deutlich herabgesetzter militärischer Sicherheit geworden. Parallel zu seinen Vorderungen hatte Putin ohnehin schon Vorbereitungen zum Überfall auf die Ukraine getroffen.

      "Und auch die strategische Bedeutung der Krim als einer der wenigen eisfreien Häfen des riesigen Landes hätten ..."

      Interessant, dass Sie die Krim offenbar schon ganz selbstverständlich als Teil Russlands betrachten - entgegen allen Völkerrechts und multinationaler Verträge.

      Wie Brandt darauf reagiert hätte, können wir anhand der von ihm maßgeblich angestoßenen Ostverträge immerhin erahnen. Ein zentraler Punkt der von seinem Nachfolger Helmut Schmidt 1975 unterzeichneten Schlussakte von Helsinki enthielt nämlich die gegenseitige Verpflichtung zur Achtung der territorialen Integrität.

      Im übrigen empfehle ich Ihnen, sich mal mit der Kritik sozialdemokratischer Historiker an der späten Ostpolitik zu befassen. Einer von ihnen, Jan C. Behrends, hat zu Recht vor einer "Mythologisierung der Politik von Egon Bahr und Willy Brandt" gewarnt www.sueddeutsche.d...behrends-1.6516011

      Einfach nur widerlich ist es jedenfalls beobachten zu müssen, wie hemmungslos sich inzwischen auch die Querschwurbler der "Nachdenkseiten" Willy Brandts bedienen.

      • @Schalamow:

        》Die russischen Forderungen waren nicht ernsthaft auf Verständigung angelegt. Die osteuropäischen Länder wären Mitglieder 2. Klasse mit deutlich herabgesetzter militärischer Sicherheit geworden《

        Als Ergebnis von Verhandlungen, die nicht stattgefunden haben? Und "Mitglieder" von was?

        Faktisch jedenfalls ist die Ukraine gegenwärtig ein 'Land mit deutlich herabgesetzter militärischer Sicherheit geworden'.

        》Interessant, dass Sie die Krim offenbar schon ganz selbstverständlich als Teil Russlands betrachten - entgegen allen Völkerrechts und multinationaler Verträge.[wg. 'eisfreier Hafen Russlands]《

        Gepachtet heißt besitzen (Ihre Wohnung z.B. ist auch "Ihre", wenn Sie sie gemietet haben), aber viel interessanter ist die Entstehung des Status "ukrainisch": 》Nach 1945 blieb die Ukraine Teil der Sowjetunion. 1954 schenkte ihr Parteichef Nikita Chruschtschow, der selbst aus der Ukraine stammte,die Krimanlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Russisch-Ukrainischen Einheit. Viele Russen, einschließlich Putin, bedauern dieses Geschenk bis heute.

        Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion erlangte die Ukraine 1991 schließlich ihre Unabhängigkeit《 (zeit.de)

        Also das Geschenk eines Ukrainers an die Ukraine vor 70 Jahren - ohne jede Abstimmung, 15 Jahre, bevor Brandt Kanzler wurde - besitzt eine nichthinterfragbare Legitimität (zum Vergleich: die Palästina-Resolution der UN(!) von 1947 und ihre Akzeptanz).

        Wobei Sie sich auf die "Achtung der territorialen Integrität" in der KSZE-Schlussakte von 1975 berufen, die zu einem Zeitpunkt unterschrieben wurde, als die Ukraine noch Teil der Sowjetunion war.

        Rechtlich finde ich diese Fragen komplexer, als Sie sie darstellen, sicher aber hätten sich in Verhandlungen vorher bessere Lösungen für die Ukraine finden lassen als dieser Krieg, in dem die Ostukraine nun weitgehend zerstört und auf Jahrzehnte vermint ist, ihr Wiederaufbau - sollte der Krieg irgendwann doch enden - hunderte Milliarden kosten wird

        • @ke1ner:

          "anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Russisch-Ukrainischen Einheit."



          Quatsch. Der Grund war, dass die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik und die Krim, insbesondere nach dem Beschluss der umfangreichen Irrigationsprojekte in den 1950ern, die dann bis in die 1970er umgesetzt wurden (Nordkrimkanal), eine wirtschaftliche Einheit bildeten - Gütertransport Wasserversorgung, Stromversorgung, fand von der Ukraine aus statt.



          Aus "mangelnder Bürgerbeteiligung" an dieser Entscheidung vor 70 Jahren völkerrechtliche Ansprüche herzuleiten ist völlig absurd, weil 1991 die Mehrheit der BürgerInnen der Krim in einem Referendum für die Zugehörigkeit zur Ukraine gestimmt hat, und weil Russland diese Abstimmung anerkannt hat, und sich sogar ab 1993 als Garantiemacht für diese Grenzen von 1991 verpflichtet hat (Budapester Memorandum).



          Wenn Sie Putins gewalttätigen Revisionismus verteidigen wollen, dürfen Sie das gerne tun, nur verstecken Sie sich bitte nicht hinter pseudojuristischen Argumenten.



          "Viele Russen, einschließlich Putin, bedauern dieses Geschenk bis heute."



          Was Putin und eine unbekannte Zahl russischer BürgerInnen bedauert, ist zwar völlig irrelevant, aber: Was meinen Sie, wie sehr die RussInnen in den nächsten 50-100 Jahren bedauern werden, das Putin sein Land in diesen Krieg gestürzt hat?



          " hätten sich in Verhandlungen vorher bessere Lösungen für die Ukraine finden lassen als dieser Krieg, in dem die Ostukraine nun weitgehend zerstört und auf Jahrzehnte vermint ist"



          Was war denn zu "lösen"? Es ist weder Russlands Aufgabe noch sein Recht, sich "Lösungen" für vermeintliche Probleme in seinen souveränen Nachbarstaaten auszudenken und die gewaltsam durchzusetzen. Und wieso so eine euphemistische Passivkonstruktion: Die Ostukraine "wird in einem Krieg zerstört"? Russland zerstört im Zuge seines Angriffskriegs systematisch die Ostukraine.



          "Gepachtet heißt besitzen"



          Russland hatte nicht die Krim gepachtet, sondern den Hafen und die Garnison von Sewastopol.

      • @Schalamow:

        "Die russischen Forderungen waren nicht ernsthaft auf Verständigung angelegt."

        Falsch. In Putins ersten Amtszeiten hatte Russland durchaus ernsthaftes Interesse an einer Verständigung.



        Schon vergessen, dass z.B. Putin Bush nach 9/11 nicht nur in der UNO unterstützte, sondern sogar den USA "gestattete" Basen in Zentralasien zu nutzen? Oder die gewährten Überflugrechte?



        Selbstverständlich hätte es die Möglichkeit gegeben ein anderes Verhältnis zu Russland zu entwickeln - Geschichte ist nie zwangsläufig. Und dafür hätte sich Brandt eingesetzt.



        Ich möchte nochmal erinnern, dass für Brandt Krieg immer nur "Ultima Ratio" war!



        Es ist also unpassend so zu tun als wenn Brandt für eine militärische Lösung eingetreten wäre. Vergessen Sie nicht, dass selbst Personen wie melynk oder Timoschenko feststellten, dass der Westen nicht alles diplomatische mögliche unternahm.



        Natürlich ändert das nichts an der Schuldfrage (aber die sollte eigentlich geklärt sein).

    • @ke1ner:

      Ich stimme Ihrem Beitrag zu. Überhaupt finde ich es immer erfrischend differenzierte Sichtweisen zu lesen. Ich glaube der Grund warum viele Menschen ein "schwarz-weiß denken" bevorzugen liegt in einem Missverständnis. Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Schuldfrage und der Frage, ob der Westen hätte anders agieren können innerhalb der letzten 20 Jahre, um die jetztige fatale Entwicklung zu verhindern.



      Eine differenzierte Sichtweise steht also in keinerlei Wiederspruch zu der Schuldfrage, die natürlich eindeutig bei Putin liegt.

  • Willy Brandt hätte auf den Rat von seinem Freund Guillaume gehört.

  • Willy Brandt hatte eine hochgerüstete deutsche Armee, eine hochgerüstete NATO und nicht zuletzt >25.000 US-Atombomben als Rückversicherung.

    Eine Entspannungspolitik kann nur dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten ein Interesse an einer Entspannung haben. Und genau das sehe ich in der heutigen Welt nicht, im Gegenteil…

    Was Brandt tun würde? Er würde wohl fragen, wie man von „Entspannung“ reden kann, wenn man selbst kaum ein Druckmittel hat, welches man „entspannen“ könnte…

  • Brandt hätte vermutlich weitsichtigt dafür gesorgt das es gar nicht erst zu einem Krieg kommt, nämlich dadurch, dass er von Anfang an Russlands und die Interessen der Ukraine mehr berücksichtigt hätte. Und in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern wie Frankreich hätte das auch funktionieren können.



    Brandt wäre sicherlich später aber auch für Aufrüstung gewesen, wenn eine aktive Entspannungspolitik nicht funktioniert hätte.



    Was hätte Brand vermutlich konkret getan?



    1.) 2002 versucht auf die USA einzuwirken, nicht anzufangen aus den Abrüstungsverträgen auszusteigen



    2.) 2008 nicht versucht die Urkaine gegen den Willen der Bevölkerung in die NATO aufzunehmen:



    www.dw.com/de/nato...-ukraine/a-3231758



    3.) der Ukaine die Möglichkeit gegeben sich als neutraler Staat zu etablieren ohne sich zwischen West und Ost unterscheiden zu müssen



    4.) er hätte es kritisch gesehen und vermutlich verurteilt und vielleicht sogar verhindert, dass westliche Politiker in Kiew auf dem Maidan Demonstranten zum Sturz der Regierung aufforderten (fehlendes Fingerspitzengefühl)



    5.) kritische Auseinandersetzung mit den rechtsextremen auf dem maidan:



    daserste.ndr.de/pa...en,ukraine357.html



    6.) er hätte sich bei der Ukraine früh für Minderheitenschutz eingesetzt (die Ukraine besitzt ja viele Minderheiten)



    Die Geschichte hätte sich vermutlich die letzten 10 Jahre ganz anders entwickelt. Hätte Sie es nicht, dann wäre Brandt sicherlich irgendwann auch für Aufrüstung gewesen. Trotzdem hätte er sicherlich die Istanbuler Verhandlungen oder die Bennet Initiative unterstützt.



    Leider haben wir momentan keine großen Politiker von diesem Format in Europa.

    • @Alexander Schulz:

      Putins Interessen hinsichtlich der Ukraine bestanden einzig darin, dass der Stammhalter Janukowytsch die Vorgaben aus Moskau umsetzt. Da wäre Brandt ebenso wenig mitgegangen wie bei der Neutralitätsfrage und garantiert hätte er auf Seiten der Demonstranten gestanden.

      Diese Legende das der Westen Russlands Interessen ignoriert oder sie gar untergraben hat, entspricht reinem Wunschdenken, basiert aber nicht auf Fakten.

      • @Sam Spade:

        "Diese Legende das der Westen Russlands Interessen ignoriert"

        Das sehe ich anders. Seit 2002 wurden Russlands Interessen kaum berücksichtigt - weder bei den Abrüstungsvertägen (Russland warnte zb 2002 vor der Kündigung der ersten Abrüstungsvertrage und sah sie immer noch als zeitgemäß an), noch beim Irak, , Georgien, noch in lybien oder Syrien (wo Russland ja auch nach einem potentiellen Regierungswechsel ihren einzigen MittelmeerStützpunkt behalten wollte).



        Und bei den maidan Demonstration fühlte sich Russland brüskiert, dass westliche ausländische Politiker die Bürger zum Sturz der Regierung aufriefen.



        Mir fällt eigentlich nur der Nato Gipfel 2008 ein wo man Russland Interessen in Erwägung gezogen hat und am Ende lediglich ohne konkretes Datum eine Aufnahme der Ukraine beschlossen hat - wobei Russland das ja trotzdem als Provokation empfand - Datum hin oder her.



        Ob man Russlands Interessen berücksichtigen sollte oder nicht ist eine ganz andere Frage, aber zu sagen dass Russlands Interessen berücksichtigt wurden ist nicht zutreffend.

    • @Alexander Schulz:

      Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Schulz: Brandt wäre vermutlich weitsichtiger gewesen (Das war übrigens auch Helmut Schmidt; auch wenn der von ganz anderem Kaliber. Nachzulesen in Unser Jahrhundert - ein Gespräch mit Fritz Stern. Jedenfalls hat er dort vorweggenommen, wohin der "Sturm und Drang" des Westens Richtung Osten führen würde. Nur will das keiner hören. Da hat man sich nur einen Schuldigen ausgemacht, denn das ist viel bequemer ...).

    • @Alexander Schulz:

      Der arme Willy Brandt, er kann sich ja nun nicht mehr dagegen wehren, wer ihn da alles als Kronzeuge für sich in Anspruch nehmen möchte.

      So etwa für diesen durchschaubaren und reichlich plumpen Versuch, den Überfall Russlands damit zu rechtfertigen, dass man Putin einfach nicht genug entgegenzukommen sei, wo es doch diesem nur darum gegangen sei, eine neutrale Ukraine ohne Mitgliedschaft in der Nato zu verhindern. Dass die Aufnahme in die Nato nie ernsthaft anstand, kommt in dieser Erzählung wie gewohnt nicht vor und ebensowenig, dass Putin mulit- und bilaterale Verträge wie das Budapester Abkommen oder die Minsker Verträge gebrochen bzw. systematisch unterminiert hat.

      Oder die sattsam bekannte Diffamierung der Maidain-Bewegung als rechtsextrem und vom Westen gesteuert. Als wären es nicht die Ukrainer selbst gewesen, die erkennbar nicht wollten, dass der moskautreue Janukowytsch das Land in Richtung eines zweiten Weissrussland steuerte.

      Wenn man eines aber mit Sicherheit sagen kann, dann, dass sich Brandt mit Händen und Füßen dagegen gestreubt hätte, als Stichwortlieferant von AfD und BSW und ihren bekannten außenpolitischen Ideologemen missbraucht zu werden.

      • @Schalamow:

        Nachtrag:



        Ihr Zünden von Nebelkerzen ist unangebracht - hier wird nicht Putins Schuld relativiert, sondern lediglich darauf hingewiesen wie man den Krieg unter Umständen hätte verhindern können.



        Aber kann es sein, dass nur bedingt Interesse an einer sachlichen Aufarbeitung besteht?

      • @Schalamow:

        Bitte setzten sie sich mit der Thematik etwas differenzierter als zb Brandt ins lächerliche zu ziehen (armer Brandt).



        Über die maidan Demonstrationen habe ich ja bereits einen ARD Link gepostet, der eine etwas differenziertere Betrachtung bietet. Und BSW und AFD in einen Topf zu schmeißen sagt ja leider auch eine Menge aus. Leider gibt es immer wieder die Versuche Menschen mit einem differenzierterem Weltbild in die Richtung der AFD schieben zu wollen. Die AFD hat null Interesse an einem nachhaltigen Frieden oder an den Menschen der Ukraine, sondern es geht ihr lediglich um nationalistische Vorteile.



        Vielleicht wäre auch eine nähere Beschäftigung mit der AfD angebracht.

        • @Alexander Schulz:

          Aus "Wandel durch Annäherung" ist ja später "Wandel durch Handel" geworden.

          Beides mit dem Ziel, Krieg zu verhindern - auch wirtschaftliche Verflechtungen verringern das Risiko, da der jeweils eigene Schaden im Voraus sichtbarer ist, und Brandts Generation hatte zusätzlich insgesamt ein aus Erfahrung sicher klareres Bild, wie verheerend ein moderner Krieg eigentlich ist.

          Insofern wäre es auch auf die AfD bezogen ein geniales Konzept: heute ist selbst den Nationalisten in Deutschland ist das Hemd näher als die Hose

          Dass die Grünen "keine Waffen in Kriegsgebiete: aus ihrem Wahlprogramm komplett über Bord werfen würden, hat mindestens etwas Unvorhersehbares, wenn nicht sogar Irrationales.

  • Wenn man in seinem außenpolitischen Werkzeugkoffer nur Ostpolitik hat, sehen alle Gesprächspartner wie Gorbatschow aus. Spätestens in der Ära Jelzin hätte man hingucken und umsteuern müssen, statt sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Die Tschetschenienkriege wurden dann ebenso ignoriert wie der Überfall auf Georgien. Das ganze mündet dann in das Minsker Abkommen, dass fatal an das Münchner Abkommen erinnert. Dann 2022 aus allen Wolken zu fallen, ist mehr als abgeschmackt. Die Ostpolitik hat sich überlebt, weil auf der anderen Seite jetzt die entsprechenden Verhandlungspartner fehlen.

  • Gewiß. ”Dass die SPD-Führung in ihrer Parteizentrale ihre oft miesen Wahlergebnisse „im Schatten einer titanischen Willy-Brandt-Skulptur“ (Süß) kommentiert, ist eine Metapher.“

    Es fehlt einer mit nem Arsch in der Hose



    Bitte Onkel Herbert zu Wahlergebnissen



    www.youtube.com/wa...d2VobmVyIGx1ZWc%3D Ja Lueg ich denn?



    “Heutzutage würde er zu Markus Lanz bestimmt sagen: "Werden Sie nicht ungeduldig, Herr Lenz!" 😉 “



    & nochens hier vs Stefan Reinicke



    Was frauman in dem Zusammenhang an



    (©️Harry Rowohlt;) an le feldwebel -



    Helmut hamse gedient Schmidt Schnauze finden kann! Ist mit völlig unerfindlich!



    “überlebensgroß erscheinenden Idol“ ?



    Mach Bosse! Wollnich



    Will da gar nicht auf seine vielen evidenten Charaterschwächen - seine peinliche ichbezogene doktrinäre Eitel&Überheblichkeit & unfaßber“keine Denkverbote“(Schleyer) rekurrieren! But.



    Es ist doch - vllt sinn ja dafür ja zu jung - wa! Noch nie ein Kanzler & Parteivorsitzender der SPD - derart rüde vom Hof gejagt worden! Woll!



    Und das völlig zu recht!



    Sorry - Ihr‘s - völlig verpeilt •

    • @Lowandorder:

      Sollte das jemand verstehen?

      • @Mal Nombre:

        Nein. Das pluckert hier regelmäßig so vor sich hin. Is Poesie.

      • @Mal Nombre:

        Hombre nuevo - das wird.

  • "Die Schwerkraft der Geschichte kann etwas Erdrückendes haben."

    Gilt besonders für den Kanzler. Der schrumpft immer mehr. Genauso wie die SPD die nicht mehr das Geringste mit der Partei gemein hat, die sie zu Brandts und Schmidts Zeiten gewesen ist.

    • @Sam Spade:

      Es gab zur damaligen Zeit nur eine Partei im Bundestag, die man links der Mitte ansiedeln konnte. Heute teilen sich drei Parteien diesen Standort, mit zusammen ca. 45% bei der BTW 2021, so viel wie damals die SPD alleine.



      Hat sich am Stimmverhalten also nicht viel geändert, oder doch?

    • @Sam Spade:

      Da muss ich wiedersprechen. Die Partei hat noch eine Menge mit der SPD von früher gemein, jedoch stimme ich Ihnen zu, dass Führungspersönlichkeiten wie damals nicht mehr vorhanden sind.

    • @Sam Spade:

      Vollste Zustimmung! Brandt hat noch unter Gefahr für Leib und Leben gegen den Faschismus gekämpft; Scholz möchte um jeden Preis vermeiden, dass Deutschland von Fascho-Ruzzland als "Kriegspartei" betrachtet wird.

      • @spaltarsch:

        Liggers und darin tut der hambucher Quiddje auch gut daran •