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Russland beendet Getreideabkommen„Dolchstoß“ für die Hungernden

Afrikanische Länder und die UN warnen wegen des gestoppten Getreidedeals vor einer Lebensmittelkrise. Es drohen Lieferausfälle und hohe Preise.

Ukrainischer Weizen auf einem Markt in Mogadischu, Somalia Foto: Feisal Omar/reuters

Nach Russlands Aufkündigung des Schwarzmeer-Getreideabkommens mit der UN wachsen international die Sorgen vor einer neuen globalen Lebensmittelkrise. Das Abkommen hatte den ungefährdeten Export ukrainischen Getreides auf dem Seeweg ermöglicht. „Der Schwarzmeerhandel ist kritisch für die Stabilität der globalen Lebensmittelpreise“, erklärte Ngozi Okonjo-Iweala, die aus Nigeria stammende Direktorin der Welthandelsorganisation WTO, und warnte: „Arme Menschen und arme Länder werden am schwersten getroffen.“

Kori Sing’Oei, Generalsekretär in Kenias Außenministerium, sagte: „Russlands Beschluss, aus der Schwarzmeer-Getreideinitiative auszutreten, ist ein Dolchstoß für die globale Ernährungssicherheit. Er wird überproportional Länder am Horn von Afrika treffen, die bereits von Dürre betroffen sind.“

Über 23 Millionen Menschen in Teilen von Kenia, Äthiopien und Somalia stünden nach fünf Missernten in Folge, Dürre und dann Stark­regen vor einer schweren Hungerkrise, hatte im April das UN-Welternährungsprogramm WFP gewarnt. Die Lebensmittelpreise in der Region seien innerhalb eines Jahres um 40 Prozent gestiegen, Benzinpreise – wichtigster Kostenfaktor für Lebensmitteltransporte – haben sich vielerorts verdoppelt.

Seit April hat sich die Lage in der Region durch den neu ausgebrochenen Krieg in Sudan weiter verschärft. Das WFP ist der wichtigste Lieferant von Hungerhilfe in diese Weltregion. 80 Prozent des WFP-Weizens dieses Jahr und 50 Prozent aller nicht lokal eingekauften WFP-Lebensmittel stammen aus der Ukraine – das ging seit einem Jahr nur dank des Getreidedeals.

„Wenn diese Hauptschlagader in eine der produktivsten Agrarregionen der Welt jetzt gekappt wird, könnte das die Ernährungskrise weiter anfachen“, sagte WFP-Sprecher Martin Rentsch in Berlin gegenüber der taz. Die Lieferungen unter dem Getreidedeal seien „von entscheidender Bedeutung“. Dabei gehe es nicht nur um einen drohenden Ausfall von Lieferungen aus der Ukraine, sondern auch um die damit zu erwartenden Preissteigerungen weltweit.

Laut einer UN-Aufstellung, die der taz vorliegt, konnten unter dem Getreidedeal insgesamt 24 vom WFP gecharterte Schiffe rund 655.000 Tonnen Weizen und 73.000 Tonnen Mais aus der Ukraine hinausbringen. Mit knapp 260.000 Tonnen Weizen war Äthiopien, wo neben Dürre vor allem der verheerende Krieg um die Region Tigray eine Hungerkatastrophe herbeigeführt hat, Hauptempfängerland. Die anderen waren Jemen, Afghanistan, Somalia, Kenia sowie die Türkei, aus der UN-Hilfsgüter bis zum russischen UN-Veto vergangene Woche nach Syrien gelangten.

Humanitäre Hilfe macht allerdings nur rund 5 Prozent des Gesamtfrachtverkehrs unter dem Getreidedeal aus, der nach UN-Angaben insgesamt knapp 32,9 Millionen Tonnen Getreideausfuhren aus der Ukraine ermöglicht hat. Russland kritisiert die kommerziellen Ausfuhren, weil die Ukraine damit Geld einnimmt. Die wichtigsten Abnehmerländer waren die Großverbraucher China (knapp 8 Millionen Tonnen) und Spanien (knapp 6 Millionen Tonnen). Es folgten Italien, die Niederlande und Ägypten.

In den vergangenen Monaten waren die Ausfuhrmengen kontinuierlich gesunken. Wurden im Oktober 2022 noch 330 Schiffe unter dem Deal beim UN-Kontrollzentrum in der Türkei angemeldet, überprüft und abgefertigt, waren es im April 2023 nur noch 119 und im Juni 59. Offensichtlich rechneten Abnehmer damit, dass diese Route bald nicht mehr funktionieren könnte. Aber weltweit wird nun gewarnt, dass Alternativrouten noch nicht ausreichen, um die neue ukrainische Ernte ohne das Schwarze Meer auf die Märkte zu bringen. Und selbst wenn weiter Schiffe fahren, dürften Risikoaufschläge etwa bei der maritimen Versicherung negativ zu Buche schlagen.

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21 Kommentare

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  • Ich hoffe dass ich nicht gesteinigt werde wenn ich erwähne dass nur 0,3 Prozent der Ukrainischen Ernte in den armen Ländern landen.

    Bei der derzeitigen Rekordernte von Weizen usw. dürfte es kein Problem sein dies durch andere Staaten auszugleichen.

    Aber sind wir doch ehrlich: den Hunger der 3. Welt haben wir doch nie abgeschafft, wer mehr bezahlt bekommt das Getreide.

    Daher ist der moralische Aufschrei durch das nicht zustande gekommene Abkommen nicht glaubwürdig.

    • @AndreasHofer:

      Die UNO veröffentlich Ladung und Destination der Schiffe aus der Ukraine. Es ist leicht erkennbar, dass kaum eine Ladung in Hungergebiete geht.



      www.un.org/en/blac...e/vessel-movements

      • @Rolf B.:

        Die entscheidende Statistik ist aber diese:

        "Seit April hat sich die Lage in der Region durch den neu ausgebrochenen Krieg in Sudan weiter verschärft. Das WFP ist der wichtigste Lieferant von Hungerhilfe in diese Weltregion. 80 Prozent des WFP-Weizens dieses Jahr und 50 Prozent aller nicht lokal eingekauften WFP-Lebensmittel stammen aus der Ukraine – das ging seit einem Jahr nur dank des Getreidedeals."

        Wenn sich in diesen 0,3% 50% der Welthungerhilfe für eine solche Region verstecken, dann ist das ein schon ein großes Problem, wenn die 0,3% fallen.

      • @Rolf B.:

        Die Hungergebiete sind aber vom Weltmarktpreis betroffen und der hängt davon ab wieviel Getreide auf dem Markt ist.

        • @Machiavelli:

          Aha, deshalb lässt man millionen Menschen verhungern. Wahr ist, dass die Ukraine in die Länder liefert, die hohe Preise bezahlen.

          • @Rolf B.:

            Und würde die Ukraine nicht liefern würden die Länder woanders kaufen und die weltmarktpreise hochtreiben. Am Weltmarkt kriegen immer die die besser zahlen den Zuschlag.

            • @Machiavelli:

              Sie müssen sich schon entscheiden: Entweder geht es um die Bedienung der Bestpreiszahler oder um Lieferungen gegen den Hungertod. Um den Kampf gegen den Hungertod geht es m.E. absolut nicht. Das ist die wirkliche Brutalität, die im Nebel der Propaganda nicht in Erscheinung treten soll.



              Beim Kampf gegen Hunger helfen Moral und Prinzipien kaum weiter.

  • Traue ich den statistischen Einblendungen der Abendnachrichten von ARD und ZDF, so sind die Getreideeinfuhren der oben erwähnten, von Hunger bedrohten Länder aus der Ukraine marginal. Mehr als 50 Prozent des Getreides gehen z.B. nach China, in die Niederlande und in die Türkei, vorwiegend als Viehfutter oder werden von dort aus exportiert. Die ausfallenden Getreidemengen für solche Länder wie Ägypten u.a. können spielend von den USA und auch Australien übernommen werden. Deren Produzenten stehen bereit. Dazu gab es übrigens auch schon Berichte im ÖRR. Was sich dann mit den Weltmarktpreisen abspielt, lasse ich hier mal außer Acht. Das ist Kapitalismus pur.

  • Der Abbruch des Getreidedeals ist wirklich eine sehr schlechte Nachricht.



    In gewisser Weise könnte man es als Trotzreaktion Russlands auf das Attentat auf die Krimbrücke verstehen.



    Dieser Vorstoß der Ukraine, kurz vor dem Ablauf der vereinbarten Frist, darf man als diplomatisch ungeschickt bezeichnen.



    Frachter nun ungesichert, ohne Absprachen, in einem Krieg , losschicken zu wollen, halte ich den Seeleuten gegenüber für grob fahrlässig. Die Ukraine hatte eine derartige Möglichkeit in Erwägung gezogen.

    • @Philippo1000:

      Attentat? Was für ein Attentat? In einem Krieg sind Brücken strategische und/oder taktische Ziele. Russland beschießt ohne Ende zivile Infrastruktur. Die Ukraine ein militärisches Ziel. Russland verweigert sich diesem Abkommen und beschießt den Hafen von Odessa, eben um die Ausfuhr von Getreide zu verhindern. Letztes Jahr haben sie Getreide aus der Ukraine geklaut. Nennen Sie doch bitte Ross und Reiter in der richtigen Reihenfolge.

      • @Bluewater:

        Wie in der Vergangenheit hat sich die Ukraine erstmal nicht zu der Beschädigung der Krimbrücke bekannt. Daher spreche ich bon einem Attentat, da es sich eben nicht um einen offen kriegerischen Akt handelt . Im Verdacht steht hier ja auch der ukrainische Geheimdienst.



        Verschiedene Vorgehen der Ukraine wurden erst verleugnet oder Anderen zugeschrieben und dann im Nachhinein zugegeben. So auch bei der ersten Beschädigung der Krimbrücke.



        Somit habe ich, wie gewünscht, Ross und Reiter genannt.



        Was die richtige Reihenfolge betrifft, so gebe ich zu bedenken, dass Odessa nach Beendigung des Getreidedeals, als Vergeltung für den Angriff auf die Krimbrücke erfolgte .



        ( Im Übrigen ist es mir nicht verborgen geblieben, dass Putin einen Krieg gegen die Ukraine angefangen hat . Das rechtfertigt aber nicht automatisch jedes Vorgehen der Ukraine.



        Wenn auf russischer Seite Zivilisten sterben verurteile ich das genauso, wie umgekehrt.)

    • @Philippo1000:

      Blödsinn. Die Russen haben das seit Wochen angekündigt, da war der Anschlag noch in weiter Ferne. Ist halt nur so, daß der Westen die vereinbarten Gegenleistungen nicht erfüllt hat: Freie Ausfuhr auch von russischem Weizen & Düngemitteln.



      Um Afrika ging es dem Westen dabei auch nie, sondern um Einnahmen für die Ukraine trotz eigentlich gesperrter Häfen.

  • Und an all die Politiker/innen von AFD und Linke , die immer noch denken mit Putin kann man verhandeln!

  • 6G
    653903 (Profil gelöscht)

    tja, das war ja zu befürchten. Nichts lähmt die liberale Welt mehr, als wenn der Ansturm der Flüchtlinge erfolgt. Für Putin eine allzu naheliegende "Waffe".



    Was tun?

    • @653903 (Profil gelöscht):

      Was tun?

      Der Ukraine helfen die Kontrolle über die Krim zurückzuerlangen! Ohne die ist es für Russland bedeutend schwieriger, die entsprechende Meeresregion zu kontrollieren.

      Parallel dazu kann man Bahnstrecken ausbauen, um die ukrainischen Häfen über Ostsee und Adria zu entlasten.



      Außerdem eine TKMS Werft am Schwarzen Meer hochziehen um für die Ukraine 212A zu bauen.

  • Da gab es ja auch Regierungen, die sich massenhaft der Verurteilung Moskaus enthielten. Und die kriegen jetzt kein Getreide mehr.

    • @Land of plenty:

      So sehe ich das auch.

    • @Land of plenty:

      Die Menschen kriegen kein Getreide mehr, wobei man korrekterweise sagen muss sie können es sich nicht mehr leisten. Den Regierungen geht es gut.

      • @Machiavelli:

        Ach, kommen Sie. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

  • Die Kernfrage ist nicht wohin das Getreide geht, solange es auf dem Weltmarkt ist senkt es die Preise. Die Schweinefarmen in Spanien, China brauchen weiterhin Futter und das kaufen sie auf dem Weltmarkt und treiben dann halt im Zweifel die Preise hoch für Mais und Getreide das in Afrika eigentlich auf dem Teller landen sollte. Endet der Deal steigen die Weltmarktpreise und Menschen hungern.

  • Neben Ngozi Okonjo-Iweala, aus Nigeria stammende Direktorin der Welthandelsorganisation WTO, WFP-Sprecher Martin, sollte die Weltvölkegemeinschaft, sollten die Medien, die internationale Diplomatie der UN Mitgliedsländer nicht nur warnnen: „Arme Menschen und arme Länder werden am schwersten getroffen“, sondern proaktiv unmittelbar handeln, UN Vollversammlung zu einer Resolution anstiften, die den UN Generalsekretär Antonio Guerres autorisiert, in Abstimmung mit FAO, WTO; IWF; den Welternährungsnotstand auszurufen, damit der Getreideexport auf dem Seeweg aus der Ukraine unter UN Flagge unvermindert sicher fortgesetzt werden kann und zwar nicht nur zu bisher 15 % aller Getreidlieferungen aus der Ukraine sondern weit mehr und vor allem, den Bedarfan Getreide; Weizen in armen Ländern nachhaltig zu decken.

    Wir müssen UNO, IWF, Weltbank, WTO nicht erst erfinden, es gibt sie seit jahrzehnten. Es ist an der Weltvölkergemeinschaft, diese zeitnah zum Handeln zu autorisieren, Ernährungsnotlagen zu beenden, unterbrochene Lieferketten wieder herzustellen und abzusichern, gegebenenfals explodierende Getreidepreise, Preise für Frachtraten, Versicherungspolicen durch Deckelung einzuhegen