Rückkehrpflicht für ukrainische Männer: Unpopuläre Mobilisierungen
Ukrainer dürfen wegen des Krieges ihr Land nicht verlassen. Viele versuchen es trotzdem. Kyjiw verhandelt mit EU-Ländern über Rücksendung.
Allein nach Rumänien, so Radio Svoboda unter Berufung auf die rumänische Grenzpolizei, seien nach Beginn der russischen Großinvasion in die Ukraine 12.700 ukrainische Männer geflohen. Und Rumänien täte gut daran, so Klymenko, diese wieder an die Ukraine auszuliefern. Gleichzeitig räumt er ein, dass „die meisten“ europäischen Länder illegal eingereiste Ukrainer nicht zurückschicken. Direkt an den Grenzen und an den Checkpoints in Grenznähe nehme man täglich Dutzende Männer fest. „Mal 10, mal 20, mal 30“.
Bedauerlicherweise, so Klymenko, seien die Grenzen zu Rumänien, der Slowakei, Polen, Moldau und Ungarn auf ukrainischer Seite nur „minimal geschützt“, da die erforderliche Technik nicht ausreiche. Es sei schwierig, genügend Polizisten und Grenzschützer dort einzusetzen, um die Grenze zur EU für die zu schließen, die das Land illegal verlassen wollten.
Dutzende Flüchtlinge allein an der Grenze zu Rumänien
Möglicherweise liegt die Zahl derer, die fliehen, weil sie nicht an die Front wollen, über den von Klymenko genannten Zahlen. Die internationale Wochenzeit The Economist zitiert am 29. Mai dieses Jahres einen Fluchthelfer, der an der rumänisch-ukrainischen Grenze lebt. Dieser spricht von 30 bis 40 Männern, die er täglich auf die andere Seite des Flusses bringe. Man kann davon ausgehen, dass er nicht der einzige Fluchthelfer an dieser Grenze ist. Was wiederum bedeutet, dass wahrscheinlich deutlich mehr als 40 Ukrainer pro Tag aus dem Land fliehen.
Derzeit leben in Deutschland 256.000 männliche Ukrainer zwischen 18 und 60 Jahren, berichtet die Wochenzeitung Die Zeit unter Berufung auf das Ausländerzentralregister. Zwei von ihnen sind Artem und Maxim Fomenko, die vor mehr als einem Jahr nach Mönchengladbach gekommen sind und in wenigen Monaten 18 Jahre werden. Sie wollen dem Rückkehrruf ihres Ministers nicht folgen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
„Mobilisiert werden kann man doch erst mit 25 Jahren“, so Artem zur taz. „Warum also jetzt schon zurückreisen?“ Wenn er das Alter von 25 Jahren erreicht habe, werde er zurückkehren, davon ist er überzeugt. Und schiebt nach: „Aber dann ist der Krieg sicherlich schon vorbei.“ Sein Zwillingsbruder Maxim hat für die Rückkehrrufe kein Verständnis. Er lasse sich doch nicht vom Staat vorschreiben, wo er zu leben habe.
Registrierungspflicht bei ukrainischer Wehrbehörde
Auch der 30-jährige Stanislaw, der in einer anderen deutschen Stadt lebt, denkt weder an eine Rückkehr noch eine Online-Registrierung bei den ukrainischen Wehrbehörden TZK. Er hat jetzt erst einmal das ganze Geld von seinem Konto abgehoben. „Ab dem 16. Juli können die Behörden die Konten derer sperren, die sich nicht bei der Wehrbehörde TZK gemeldet hatten“, begründet Stanislaw der taz gegenüber seine Entscheidung.
Unterdessen gehen die unpopulären Mobilisierungsmaßnahmen weiter. So berichtete das im westukrainischen Galizien erscheinende Portal Varto–Haliyzki Novyny am Donnerstag von einer spontanen einstündigen Straßenblockade durch aufgebrachte Passagiere eines Busses, nachdem der Busfahrer direkt von seinem Steuer von der Wehrbehörde TZK und der Polizei abgeführt worden ist.
47 Männer wurden am Freitag unweit der ukrainisch-moldauischen Grenze beim Versuch, die Grenze zu überqueren, festgenommen. Dies berichtet das ukrainische Portal censor.net unter Berufung auf den Journalisten Vitali Glagola.
Arbeitskräftemangel durch Mobilisierung
Die verschärfte Mobilisierung wirkt sich auf viele Bereiche aus: Taxiunternehmen, Verkehrsbetriebe, Fabriken und Dienstleistungsfirmen suchen Hände ringend nach Arbeitskräften. Bei der Kyjiwer Metro beispielsweise sind 7 Prozent der Mitarbeiter an die Front abgezogen. Die Metro hat derzeit 83 offene Stellen. Wegen des Personalmangels fahren die Züge seltener.
Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die einer Rückführung der geflohenen Ukrainer das Wort reden. Nach Ansicht des CDU-Verteidigungspolitikers Roderich Kiesewetter sollte Deutschland die ukrainischen Bemühungen unterstützen, in Deutschland lebende Ukrainer für den Kriegsdienst zu rekrutieren. Deutschland könnte das Bürgergeld für diese Gruppe aussetzen und bei der Erfassung und Zustellung von Bescheiden mithelfen, so Kiesewetter gegenüber der Zeit.
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