piwik no script img

Rückkehr zur AtomkraftItalien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen

Die Regierung Meloni will wieder in die Atomenergie einsteigen. Die Voraussetzungen sollen bis Ende des Jahres geschaffen sein.

Italiens Unternehmensminister Aldolfo Urso will die Atomindustrie wiederbeleben Foto: dpa

Rom afp | Die italienische Regierung schiebt die Rückkehr zur Atomkraft an und will erstmals seit fast 40 Jahren wieder ein Atomkraftwerk errichten. Bis zum Ende des Jahres solle der erforderliche Gesetzesrahmen vorliegen, kündigte Unternehmensminister Aldolfo Urso am Montag an.

Damit wolle die Regierung sicherstellen, „dass in Italien neue Kernkraftwerke der dritten und vierten Generation errichtet werden können“, so Urso am Rande einer Wirtschaftskonferenz in Mailand. „Wir wollen keine Kernreaktoren aus anderen Ländern importieren. Wir wollen sie in Italien mit italienischer Technologie und Wissenschaft bauen, um sie in andere Länder zu exportieren.“

Nach dem größten Atomunfall in der Geschichte im ukrainischen Tschernobyl hatte Italien im November 1987 in einem Referendum den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Im Juni 2011 – drei Monate nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima - stimmten bei einem weiteren Referendum der damaligen Regierung unter Silvio Berlusconi rund 94 Prozent der Ita­lie­ne­r:in­nen dagegen, zur Atomenergie zurückzukehren.

Inzwischen hat sich das Stimmungsbild offenbar geändert. Vor allem seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist die Energiesicherheit zu einem wichtigen Thema geworden, da Italien sich wie alle anderen westlichen Staaten vom russischen Gas gelöst hat.

Kein italienischer Alleingang

Zugleich hinkt der Ausbau der erneuerbaren Energien den Zielen hinterher. 2023 deckten sie erst 37 Prozent des Bedarfs ab – eigentlich will Italien bis 2030 bei 70 Prozent sein.

Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vertritt auch deshalb die Meinung, dass Atomenergie klimapolitisch unerlässlich ist, um die Treibhausgasemissionen zu senken. Pläne, wieder neue Atomkraftwerke zu bauen, hatte im vergangenen Jahr bereits Infrastrukturminister Matteo Salvini verkündet.

Auch andere Länder wie die USA, Japan, Großbritannien oder Frankreich haben Pläne zum Ausbau der Atomenergie. Neben den Risiken des Betriebs und der ungelösten Frage der Endlagerung von Atommüll sind aber vor allem die immens hohen Kosten neuer Reaktoren ein Problem.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

31 Kommentare

 / 
  • Überall in Europa werden Kernkraftwerke gebaut bzw. wieder in Betrieb genommen, außer in der BRD. Das ist doch wirklich seltsam.....wenn hundert Leute etwas (im Konsens) für richtig empfinden und einer immer dagegen ist, fragt man sich, wer wohl Recht hat. Nach germanischer Lesart (ab 1870: am deutschen Wesen, blablabla) natürlich der Eine und Einzigartige Besserwisser. Genauso beim Wahlverhalten, Europa wählt in fast allen Fällen wie die sogenannten "Beitrittsgebiete", EIN Territorium in Europa wählt anders (allerdings in der Tendenz abnehmend) .... wer ist wohl nun die Ausnahme: Das eine "Weltbeglückungs-Territorium" oder die restlichen Gebiete..... Fragen über Fragen.....

  • Bis zur Fertigstellung von Stromspeichern in ausreichender Menge in vielleicht 20, 30 oder 40 Jahren gibt es 3 klimaschonende Varianten fuer die Grundlast: Wasserkraft, Geothermie, Kernkraft.

    Wer das aus ideologischen Gruenden nicht akzeptieren will, der spart das CO2 eben auf der Verbraucherseite ein, wie in Deutschland. Folge sind Wohlstandsverlust durch hohe Energiepreise, hohe Mieten und abwandernder Industrie.

    Vermutlich haette es ohne den deutschen Atomaustieg die Renaissance der Atomkraft so nicht gegeben. So ein abschreckendes Beispiel kann hilfreich sein.

    • @elektrozwerg:

      Klar, Großbritannien, Finnland zeigen, wie fix und billig das Atomkraftwerk läuft.

    • @elektrozwerg:

      Aus welchem Märchen stammt ein Zwerg, der dem Ende der Atomkraft mit Realitätsverdrehung nachtrauert?



      Für medizinische und militärische Zwecke wird es noch Reaktoren geben, wenn es Sie tröstet.



      Für alles andere ist Atom zu teuer, der Zug ist seit 2015 abgefahren. Batterien werden wie Solar damals schon jedes Jahr deutlich effizienter.



      A propos, beim Verbrauch effizienter zu sein ist Fortschritt. Weniger Zeugs, Energie, ... zu brauchen ist effizienter Fortschritt.



      Sind auch Sie dabei?

    • @elektrozwerg:

      Es gibt keine Grundlast. Es gibt eine Residuallast, nämlich den Bedarf, der Mangels Sonneschein bzw. Wind nicht von Wind- und Solarenergie gedeckt werden kann. Grundlastkraftwerke helfen da nur sehr bedingt.

      • @Francesco:

        Ob wir es Residual- oder Grundlast nennen, und ich verstehe den Unterschied, ist mir ehrlicherweise egal, wenn 25% des deutschen Stromverbrauchs durch Kohle, mit einer CO2 Belastung von 1.000g/pro kWh erzeugt werden. Da hätte ich lieber CO2 neutrale Grundlast. Dann erklären Sie mir bitte noch das Prinzip der Residuallast, bei Szenario Gas-Abschaltung 2035-45, und Faktor x mehr Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge und Super Computer… wie viele Windräder mit 1MW Leistung haben wir dann wo stehen und wie viel Millionen Tonnen Sondermüll an Kompositen ergibt das denn in 50 Jahren?

  • Je nachdem wen man fragt ist Kernenergie die billigste oder teuerste Methode um elektrische Energie verfügbar zu machen. Auswertungen aus der Schweiz, die auf tatsächlichen Daten der zwei vorhandenen AKWs beruhen schneidet Kernkraft hervorragend ab. Einschließlich Rückbau und Endlagerung. (ca. 6-7 Rappen/kWh). Fossiler Brennstof z. Bsp. Kohle ist etwa 3* so teuer (17,6cent), dabei sind die Kosten des dadurch verursachten Klimawandels noch gar nicht berücksichtigt. Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird derzeit an allen Fronten abmontiert. In wenigen Jahren werden wir Bittsteller bei unseren europäischen Nachbarn sein, und um billigen Strom betteln.

  • Das ist auch ein Modell für Deutschland. Peinlich und ineffizient, aber was ist das aktuell nicht.

    Die einzigen Alternativen sind: Klimaziele auf Eis legen, oder Abbau des Industriestandorts mit massivem Wohlstandsverlust.



    (Was übrigens mit klimafreundlicher Transformation auch nicht gut zusammengeht, denn dann fehlt Geld und Technik dafür.)

    Allerdings wird kaum jemand in der deutschen Politik den Mut dazu aufbringen, denn mit einem Wiedereinstieg dürfte man sich nicht beliebt machen. Damit rutschen wir automatisch ins dritte Szenario: Arm, unbedeutend und dafür immer noch ziemlich CO2-intensiv.

    • @Frauke Z:

      Sie und ich wollen sicher nicht das Geld sinnlos verbraten, oder?



      Wie kommen Sie also auf das superteure Atom statt auf sehr günstige Erneuerbare plus immer günstiger werdende Batterien o.ä.?

      • @Janix:

        - Der Strom ist in D teurer als je zuvor (beim höchsten Stand an erneuerbaren Energien).



        - Vor allem: Er reicht nicht. D muss neuerdings Strom importieren.



        - Er reicht auch jede Nacht nicht. Viele Industrien können damit nicht oder nicht wirtschaftlich arbeiten - und werden das dann auch nicht mehr tun. Und dazu zählt z.B. auch das energieintensive Recycling.



        - Schon vor Jahrzehnten hat man verstanden, dass erneuerbare Energien Hand in Hand mit großen Speichern gehen müssen. Ein Speicher-System, das den deutschen Stromverbrauch auch nur eines Tages zu speichern vermag, ist technisch nicht in Sicht.



        - Nur am Rande: Die kleinen Speicher, die Sie offenbar mögen, sind übrigens eine äußerst fossile Angelegenheit - und zwar mit Rohstoffen, die vor allem von China kontrolliert werden.

        Es gibt einfach nur folgende Möglichkeiten:



        Entweder man hat Atomstrom.



        Oder man hat, wie etwa Schweden, viel Gelegenheit, Wasserkraft zu nutzen (reicht in D nicht).



        Oder der Durchbruch bei den Speichern kommt.



        Oder das war's mit dem Industrieland Deutschland.

  • In noch mal 40 Jahren ist der bestimmt auch fertig, wenn man ein paar Dutzend Milliarden investiert.

  • Eine tolle, nostalgische Idee. Auch Eselskarren sind sehr



    romantisch und tatsächlich umweltschonend. Wie wär's mit Segelschiffen? Die brauchen weder Öl, Kohle noch Nuklearbrennstoffe - auch sehr überlegenswert.

  • Durch den italienischen Atomausstieg wurde die norditalienische Industrieregion vom französischen Atomstromimport abhängig; eine klassische NIMBY Aktion.



    Die Fragen nach Endlagerung und Kosten erübrigen sich; egal ob Italien selber baut oder nicht, sie werden in den nächsten Jahrzehnten Atomstrom nutzen und zahlen. Ich vermute stark es wird politisch einfacher sein sie importieren weiterhin Atomstrom und erzählen ihren Leuten schöne Märchen.

  • Garantiert wird kein einziges AKW gebaut werden. Populistisches Getue eben.

  • Man fragt sich, woher die Obsession der Rechten zur Atomkraft herrührt.

    • @Encantado:

      In UK sind es Sozialdemokraten, die auf Atomkraft setzen (www.welt.de/politi...rnkraftwerke.html), in Finnland gar die Grünen.

      • @Mecklenburger:

        Hintergrund des britischen AKW- Baus in Hinkley Point soll die autarke Versorgung der atomgetriebenen U-Boote sein, nicht das man Putin um Treibstoff anbetteln muss.



        Sobald es endlich fertig ist, darf es 30 Jahre lang seinen Strom zum doppelten Marktpreis verkaufen, dieser wird jährlich an die Inflation angepasst.



        Die Mehrkosten für den Bau trägt aber Frankreich. Die mussten den AKW-Bauer von EDF abspalten und nach mehreren Namensänderungen letztlich übernehmen.

    • @Encantado:

      Das ist doch relativ simpel. Die Rechten wissen genau wer gegen die Atomkraft ist und zwar die grünen Akademiker in Westdeutschland. Die AfD macht einen populistischen Antielitenwahlkampf mit Schwerpunkt Ostdeutschland. Kein Thema eignet sich dafür noch besser als die Leib und Magenthemen der verhassten Gegenseite. So viele identitätsstiftende Themen hat die westdeutsche Linke gar nicht mehr im Angebot, auf die sich alle in dem Lager einigen könnten. Das dann dort versucht wird anzusetzen ist doch aus taktischen Gründen völlig logisch.



      Wir sollten es vielleicht mal mit umgekehrter Psychologie versuchen und selbst für Atomkraftwerke sein.

    • @Encantado:

      Genau dasselbe habe ich mich auch gerade gefragt, hier in der Schweiz wurde das Thema auch wieder völlig unnötig vom SVP-Bundesrat aus der Mottenkiste gekramt, es reicht wohl für den Stimmenfang und Stimmung gegen die erneuerbaren Energien lässt sich damit auch prima machen (bis zum krönenden Argument, dass Atomkraft in irgendeiner Weise auch „grün“ sei, dazu benötigt man aber schon eine grosse Gedankenprothese).



      Es scheint halt alles ziemlich einfach zu sein in einem rechten Hirn, das beneide ich abundzu schon:-)

  • Wie will Italien diese AKW eigentlich zuverlässig kühlen?



    Mit Wasser aus den immer öfters ausgetrockneten Flüssen, oder mit dem immer häufiger überhitzten Mittelmeer? In Frankreich müssen im Sommer immer mehr AKW wegen Wassermangel abgeschaltet werden.



    Wer heute noch ein Atomkraftwerk baut, produziert den teuersten Strom überhaupt. Die Kosten für Frankreichs neue AKWs sollten zudenken geben, von der immer noch ungekläörten Entsorgung ganz zu schweigen.

    • @Rudi Hamm:

      Den teuersten Strom hat aber mittlerweile Deutschland ganz ohne AKWs. Das ist nunmal Tatsache. AKWs der vierten Generation kühlen nicht mehr mit Wasser. Man muss es immer wieder mal sagen, ein Industrieland wie Deutschland benötigt Strom 24/7.



      Stromspeicher könnten eine Lösung sein, aber bei den Leistungen die benötigt werden dauert noch sehr sehr lange.

      • @Der Cleo Patra:

        "AKWs der vierten Generation kühlen nicht mehr mit Wasser."



        Es geht nicht um den Primärkreislauf, sondern darum, wie die Abwärme abgeführt wird.

      • @Der Cleo Patra:

        Bitte mal aktuelle Strompreise vergleichen, Deutschland liegt in der EU momentan im Mittelfeld. 23,5 Cent wenn sie heute eine neuen Vertrag abschließen, das sind Preise wie 2017.

      • @Der Cleo Patra:

        AKWs machen den Strom leider nicht billiger, wenn Sie alle Kosten einberechnen ist das der teuerste Strom auf dem Markt. EDF der Produzent des viel zitierten französischen Atomstroms hockt auf 65 Milliarden Euro Schulden, Tendenz steigend. Mit ein Grund ist das der franz Atomstrom nicht zu realistischen Marktpreisen verkauft wird und somit massiv subventioniert wird, wie auch die gesamte Atomwirtschaft massiv durch staatliche Gelder und Sicherheiten subventioniert wird.

      • @Der Cleo Patra:

        Es tut sich gerade in Sachen Speichern sehr viel in den letzten Jahren. Inzwischen ist auch die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien (Natrium ist weltweit in großen Mengen verfügbar, anders als Lithium) gestartet, man kann also erwarten dass die Speicherkapazitäten in Batterien enorm wachsen werden. Die Anforderungen um solche Batteriespeicher aufzustellen sind quasi null im Vergleich zu einem Atomkraftwerk.



        Die Prognose des Fraunhofer Instituts dazu: www.energy-charts....=DE&source=storage



        Von der Leistung her haben Batteriespeicher in Deutschland jetzt schon Laufwasser und Pumpspeicher überholt www.energy-charts....DE&legendItems=cz3

      • @Der Cleo Patra:

        Wie würde denn in Ihrer Welt ein „Stromspeicher“ aussehen?

      • @Der Cleo Patra:

        Sorry, aber das stimmt einfacher nicht.



        Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich. Machen sie mal die Gesamtrechnung auf mit Versicherung, Endlagerung, Subventionen über die Lebensdauer, etc



        Von einem kleinen Unfall ganz zu schweigen

        • @Hans Dampf:

          Die Geschichten der Anti-AKW Aktivisten aus den 1980ern sind halt irgendwann auserzählt. Der Quatsch mit der angeblichen Unversicherbarkeit, dem angeblich ungelösten Endlagerproblem, den frei erfundenen hohen Kosten, den Subventionen, EDF-Schulden, ... täuscht nur noch wenige angesichts der Realität in Frankreich und Deutschland.



          Es ist einfach zu offensichtlich geworden, welcher Weg in der Realität schneller zu mehr Klimaschutz führt, zuverlässiger mit Energie versorgt, weniger Subventionen und Ressourcen verschlingt, und dabei auch noch viel billiger ist.

  • Wetten, dass nicht?



    Typisches rückwärtsgewandtes Manöver, um die nötigen Hausaufgaben bei Energie nicht zu machen. Auch Italien könnte viel günstiger und nachhaltiger auf Erneuerbar setzen. Es würde aber die Fossilprofite einiger jetzt einschränken. Und für die haben Rechtsfaschisten schon immer gesorgt.

  • 10 Milliarden Steuergelder in den Sand gesetzt für ein Atomkraftwerk das 2034 vielleicht funktioniert. Das bringt Italien weiter. Aber hallo war das nicht das Land in dem die Sonne immer scheint und der Wind vom Meer her weht oder hab ich mir das nur eingebildet........

  • Im Gegensatz zu UK oder Frankreich gab es in Italien aber immer eine starke Anti-AKW-Bewegung. Schaut man sich die Klimaereignisse der vergangenen Zeit an, sind AKS an Flüssen wie dem Po illusorisch, an Küsten wegen des Tourismus schwer vorstellbar, ohne dass breite Bündnisse in der Zivilgesellschaft entstehen.



    Eher schon vorstellbar ist, dass Italien wieder in die Technologie einsteigen will, um sich verlorengegangene Exporttechnologien wieder zurückzuholen. Dann gibt es vielleicht ein oder zwei kleine Testreaktoren, aber wohl kaum mehr. In Sachen Energiesicherheit überzeugt kein AKW, dazu ist die Vorlaufzeit zu lange.

    Es ist eine rein wirtschaftliche Aktion möchte ich meinen.