Rot-Rot-Grün und Andrej Holms Stasi-Akte: Er ist belastbar und motiviert
Viel Wirbel um die Berliner Regierungsbildung: Die CDU protestiert gegen den designierten Staatssekretär Holm. Dessen Stasi-Akte steht nun im Netz.
Während die linke Szene jubelt, würden Konservative das am liebsten verhindern. Der Fraktionschef der CDU, Florian Graf, forderte den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montag in einem offenen Brief auf, die Ernennung zu stoppen. Sein Parteikollege Stefan Evers warnte gar vor „Geschichtsvergessenheit“. „Michael Müller darf auf dem linken Auge nicht blind sein.“
Im Mittelpunkt der Kritik steht Andrej Holms Vergangenheit. Holm, geboren 1970 in Leipzig, hatte sich als Teenager für eine Laufbahn im Ministerium für Staatssicherheit entschieden. Er stammt aus einer linientreuen Familie, schon sein Vater war Stasi-Offizier. Wenige Monate nachdem Andrej Holm seinen Wehrdienst angetreten hatte, fiel dann die Mauer. „Im Nachhinein bin ich extrem froh darüber, dass mir die Wende diese Zeit erheblich verkürzt hat“, sagte er bereits 2007 der taz.
Was genau Andrej Holm für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gemacht hat, kann jetzt jeder selbst nachlesen: Die Zeitung B. Z. hat die Stasi-Akte Holms schon vor Jahren bei der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen angefordert und am Montag ins Internet gestellt.
Frühes Anwerben war nichts Ungewöhnliches
Daraus geht hervor, dass Andrej Holm sich im zarten Alter von 13 Jahren bereit erklärt haben soll, „einen militärischen Beruf im MfS aufzunehmen“. Als 14-Jähriger unterschrieb er dann eine Bereitschaftserklärung, später für die Stasi tätig sein zu wollen. Darin heißt es auch: „Die sich daraus ableitenden Konsequenzen, insbesondere zur Wahl meines Umgangs- bzw. Freundeskreises bzw. zur Partnerwahl, werden von mir anerkannt und beachtet.“ Seine Eltern unterzeichneten dieses Papier ebenfalls.
Die frühe Anwerbung war nichts Ungewöhnliches: Die Stasi habe ihren Nachwuchs stark aus dem eigenen Umfeld rekrutiert, erklärt Dagmar Hovestädt, Sprecherin der Stasi-Unterlagen-Behörde. „Die sogenannte ‚Kadergewinnung‘ begann in frühem Alter, um die Kinder von Anfang an in die sozialistischen Ideale einzunorden.“
Holm besuchte die Erweiterte Oberschule in Berlin-Weißensee, machte Abitur und wurde am 1. September 1989 mit 18 Jahren Offiziersschüler beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“. Das Wachregiment war der militärische Arm der Stasi und dem Ministerium unterstellt. Wer dort seinen Wehrdienst machte, wurde als hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter geführt.
So auch Holm. In einer handschriftlichen, aber sehr förmlichen Erklärung vom 1. September 1989 verpflichtete er sich, „alle meine Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen, um die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zu erfüllen“. Er unterschrieb, keinerlei Verbindungen in den Westen zu unterhalten, alle Post aus dem Westen abzugeben bzw. West-Post oder West-Besuch bei Familienangehörigen seinen Vorgesetzten sofort zu melden.
„Ich kann meine Biografie nicht verändern“
In der Akte wird ihm attestiert, über einen „gefestigten Klassenstandpunkt“ zu verfügen, als „Agitator“ genieße er „Achtung und Anerkennung“. Es geht aus den Unterlagen aber nicht hervor, dass Holm selbst tatsächlich andere bespitzelt hat oder etwa in Abhöraktionen verwickelt war.
Teile der Einschätzungen seiner Person könnte man im Gegenteil auch als Empfehlung lesen für die Funktion als Staatssekretär. So heißt es in der Akte: „Seine Leistungsbereitschaft wächst unter hohen Anforderungen. Er ist belastbar und Herausforderungen motivieren ihn in besonderer Weise. Das Bedürfnis, mit eigenen Ideen den Arbeitsprozeß zu bereichern, und die Fähigkeit mit Energie und Beharrlichkeit ein Ziel zu verfolgen, charakterisieren den Kandidaten in besonderem Maße.“
Holm war etwas mehr als zwei Monate Offiziersschüler, dann fiel die Mauer. Anfang Januar wurde beschlossen, die Stasi aufzulösen. Auch das Ende von Holms Stasi-Laufbahn wurde in der Akte ordentlich vermerkt. Mit der Begründung: Der Offiziersschüler scheide „wegen struktureller Veränderungen“ aus der Behörde aus.
Holm hatte sich auf dem Parteitag der Berliner Linken am Wochenende erneut zu seiner Vergangenheit geäußert. Auf Twitter ließ er am Montag verlauten: „Ich kann meine Biografie nicht nachträglich verändern – nur daraus lernen und einen offenen Umgang mit ihr anbieten.“ Die Partei stärkte ihm demonstrativ den Rücken. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller wollte sich am Montag nicht zu der Personalie äußern.
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