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Stasi-Vergangenheit des StaatssekretärsAndrej Holm bleibt im Amt

Berlins umstrittener Staatssekretär Andrej Holm darf trotz Stasi-Vergangenheit erst einmal bleiben. Geht nicht, sagen Kritiker. Die Koalition hat ihre erste Krise.

Noch da: Andrej Holm Foto: dpa

Berlin dpa | Auch die Entscheidung des Koalitionsausschusses bereitet der Debatte kein Ende: Der umstrittene Staatssekretär Andrej Holm darf vorerst im Amt bleiben – und wird weiter harsch kritisiert. „Andrej Holm ist als Staatssekretär aufgrund seiner Stasi-Vergangenheit untragbar“, sagte am Samstag CDU-Generalsekretär Stefan Evers und warf dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) Handlungsunfähigkeit vor.

Am Freitagabend war der Koalitionsausschuss von Rot-Rot-Grün zusammengekommen, weil die Kritik an Holms Berufung und dessen Umgang mit seiner Vergangenheit zuletzt immer lauter geworden war. Doch eine gemeinsame Linie wurde nicht gefunden. Nach dpa-Informationen erklärte Müller bei dem Treffen der Parteispitzen zusammenfassend, die Personalie sei Sache der Linken.

Bei dem dreieinhalbstündigen Treffen gab es heftige Diskussionen über den Umgang mit Holm. Er steht in der Kritik, weil er über seine Stasi-Tätigkeit in der Wendezeit falsche Angaben machte. Er hatte 2005 in einem Fragebogen der Humboldt-Universität, bei der der Stadtsoziologe beschäftigt war, die Frage nach einer Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR verneint. Daraufhin forderte nicht nur die Opposition seinen Rücktritt, sondern auch einzelne Politiker von SPD und Grünen. Holm sei für ein Regierungsamt nicht tragbar, erklärte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier.

Nun soll die Überprüfung der Humboldt Universität und der Stasi-Unterlagenbehörde abgewartet werden. Ein Sprecher der Grünen sagte am Samstag: „Wünschenswert wäre, dass es sehr bald wieder um die Herausforderungen in der Berliner Mieten- und Wohnungspolitik geht und weniger um die Biografie des zuständigen Staatssekretärs. Umso wichtiger ist aus grüner Sicht, dass das Ergebnis schnell vorgelegt wird.“

„Konsequenzen ziehen und zurücktreten“

Kritikern reicht das nicht. Die „zögerliche Prüfung der seit Tagen höchst umstrittenen Personalie durch den Senat“ schade der Koalition und Müller, teilte das Bürgerkomitee 15. Januar am Samstag mit, das sich der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit verschrieben hat. „Andrej Holm sollte daher die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.“ Auch Liedermacher Wolf Biermann äußerte sich kritisch. „Es war ein Fehler, Andrej Holm zu berufen“, sagte er etwa der Berliner Morgenpost.

Holm selbst hatte angegeben, ihm sei erst jetzt bei Einsicht in seine Kaderakte klar geworden, dass er seinerzeit hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter war. Bisher habe er geglaubt, dass seine militärische Grundausbildung und sein nur wenige Monate währender Einsatz in einer Einheit des Geheimdienstes 1989/1990 noch nicht als hauptamtliche Tätigkeit zu werten seien. Dass Holm als Berufsoffizier bei der Stasi anheuern wollte, hatte er 2007 publik gemacht.

„Nach dem, was uns bisher an Akten aus der BStU und der Humboldt-Universität vorliegt, ist für uns nicht ersichtlich, dass Andrej Holm 2005 wissentlich und willentlich seine Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit verschleiert hat“, schrieb Kultursenator Klaus Lederer, der bis vor kurzem Linke-Parteichef war, nach dem Koalitionsausschuss auf Facebook. „Ob sich aus der Ausfüllung des Personalfragebogens arbeitsrechtliche Konsequenzen ergeben, wird die HU klären. Bis dahin gilt für André Holm wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung.“

Die Personalie könnte sich nun endgültig zu einer ernsten Belastung für die rot-rot-grüne Koalition auswachsen, die erst vor gut einer Woche gestartet war. Wie die dpa erfuhr, gab es bei dem abendlichen Treffen von Spitzenpolitikern der drei Parteien seitens der SPD und der Grünen deutliche Kritik an den Linken. „Die haben sich aber nicht bewegt“, schilderte ein Teilnehmer.

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja warf der Koalition nach dem Treffen „Arroganz der Macht“ vor. „Nach all dem, was bislang bekannt geworden ist, keine Konsequenzen zu ziehen, ist ausgesprochen ignorant“, sagte er.

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13 Kommentare

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  • "Die Aufgabe der STASI war die Bespitzelung, Einschüchterung und Unterdrückung des Volkes für die Machthabenden. Das ist doch nicht wirklich strittig. Daher gibt es diese Kollaborateure mit dem Regime eben noch heute unter uns." Vgl. Kommentar von "ZELOTTI" im Freitag-Meinungsmedium.

     

    Meine Antwort an @“ZELOTTI“ und Co.:

     

    “Daher gibt es diese Kollaborateure mit dem Regime eben noch heute unter uns.“

     

    Dachten Sie auch dabei an die Millionen Staatsbeamten und Pensionäre, die ihren Eid auf die Bundesrepublik Deutschland geleistet haben? An die Beamten des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Staatsschutzabteilungen der Bundesländer, an die Bundeswehr und den Militärischen Abschirmdienst, an das Bundeskriminalamt, an die Spezialabteilungen und Einsatzkommandos, wie unter anderem zum Beispiel an das GSG 9 der Bundespolizei, oder an die Beamten der Bundesministerien und Landesministerien, an die Sicherheitsbehörden kommunaler Einrichtungen und von Landes- und weiteren Bundesbehörden, ebenso von Botschaften und Konsulaten der BRD im Ausland?

     

    Hatten Sie dabei auch die Mitarbeiter und Sicherheitsabteilungen der Wirtschafts- und Monopolverbände, der Banken und Finanzzentren im Blick, ebenso der Multinationalen DAX-Konzerne und der Großunternehmen mit Auslandsabteilungen im Blick, einschließlich der Rüstungsindustrien und diversen Waffenproduzenten, ebenso der Rohstoffindustrien mit weltweiten Verbindungen und Niederlassungen? Ebenso der privaten Sicherheitsdienste mit mehr als dreihunderttausend Mitarbeitern im In- und Ausland?

  • Herr Lederer übersieht geflissentlich, dass im Arbeitsrecht die Unschuldvermutung gerade nicht gilt. Andernfalls wären Verdachtskündigungen nicht möglich.

     

    Ferner ist fraglich, weshalb eine politische Entscheidung von einer arbeitsrechtlichen abhängen sollte. Ein Feigenblatt.

    • @DiMa:

      Hätte die Linke sagen sollen, dass Stasi-Mitarbeit fü sie ken Problem darstellt? ;-)

  • Was für ein Verein von Heuchlern! Da will man jemanden Berufsverbot erteilen, weil er sich mit 13 bzw. 18 Jahren noch nicht von seiner Stasi-Familie abkoppeln konnte. Beim Uni-Vertrag muss man - unabhängig vom Wahrheitsgehalt - das Kreuzchen an der richtigen Stelle machen, sonst wird man nicht eingestellt. Überprüft wird es sowieso nicht. Dass nun auch die FDP sich als glühende Anhänger von Berufsverboten herausstellt, peinlich.

    • @Dorian Müller:

      Und selbst die taz hat doch im gestrigen Artikel festgestellt, dass Andrej Holm sie im Interview belogen hat. Alles Heuchler?

    • @Dorian Müller:

      Ein Berufsverbot ist nun irgendwie ja etwas deutlich anderes.

      Wenn ich in einem Anstellungsvertrag falsche Angaben über die geforderten Voraussetzungen mache, die ich mitbringen muss, ist das einfach mal gelogen. Und zwar indem ich das Kreuzchen an die falsche Stelle setze. Je nach Anstellung kann es sich um eine Ausbildung, Fähigkeiten, Verurteilungen oder eben Stasi-Tätigkeit handeln. Im Strafrecht nennt an so etwas sogar Betrug.

      Wir hatten mal einen Bundesminister, der zurückgetreten ist, weil er bei seiner Dissertation abgeschrieben hatte - der Rücktritt war zu recht. Auch eine Form der Lüge. Und der hatte definitiv niemandem damit geschadet. Nur seine Integrität verloren. Ob das bei Andrej Holm wirklich so ist, dass er niemandem geschadet hat, bleibt abzuwarten. Heuchelei wäre es, wenn bei ihm plötzlich ein anderer Maßstab gelten würde.

      Wer in nächster Zukunft belegen will, dass Politiker sowieso alle lügen, wird den Namen Holm nennen. Die Linke macht sich zum Gespött. Wie will Andrej Holm noch ernstgenommen werden? Und die Linke sollte ich endlich überlegen, wofür sie gewählt wurde: um sozialere Politik zu betreiben oder um Ex-Stasi-Mitarbeiter aufzuwerten?

      • 6G
        60440 (Profil gelöscht)
        @rero:

        Daß vuz Guttenberg niemandem geschadet hat, sehen die plagiierten Autoren, die Universität Bayreuth und nicht zuletzt sein Doktorvater aber deutlich anders ...

      • @rero:

        Wer nie ein falsches Kreuzchen gemacht hat, der kommt in den Himmel!

        Ein Glück, dass es dort noch für RERO frei ist . . . Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm

      • @rero:

        Na ja - an einen Berliner Staatssekretär Andrej Holm denselben Maßstab anzusetzen wie an einen Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg, könnte man doch allenfalls dann, wenn zu Guttenberg schon als sehr junger Mann in einer überzeugten Plagiatorenfamilie zum Abschreiben gedrängt worden wäre und zwar in einem Land, wo das Plagiat zur Staatsdoktrin gehörte.

  • Wolf B. - hat was zu kamellen¿!

     

    Ja dann erst recht! - Dessen Geschichtsvergessenheit

    In eigener Sache - unerreicht!

    Alter Ramentervogel!

    Fehlt - WaffenGraSSGünter nur noch!