Riester-Rente reloaded: Mehr Rendite und mehr Risiko
Die Bundesregierung möchte die steuerlich geförderte private Altersvorsorge reformieren. Am Mittwoch entscheidet der Koalitionsausschuss darüber.
Die Riester-Rente, das war einmal ein großes bundesrepublikanisches Versprechen. Die private, aber staatlich unterstützte Altersvorsorge sollte die sich auftuende Rentenlücke bei der gesetzlichen Rentenversicherung schließen. Eingeführt wurde die Förderung 2002 unter Rot-Grün – benannt nach dem damaligen Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD). Mehr private Altersvorsorge, so die Hoffnung, würde all die Herausforderungen, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt, ausgleichen. Der Kapitalmarkt sollte das regeln.
Diese Hoffnung hat sich nicht eingelöst. Im Rückblick betrachtet steht die Riester-Rente für rentenpolitisches Versagen. Die Kritik an der Riester-Rente ist vielfältig: zu kompliziert, zu hohe Kosten, zu wenig Rendite, ein Geschenk für Banken und die Versicherungswirtschaft, zu wenig Flexibilität und zu starre Vorgaben. Aber einig sind sich alle: Die Riester-Rente ist kein Erfolgsmodell.
Zu dieser Einschätzung kommt auch die aktuelle Bundesregierung. Kaum hat sie ihren Streit bei der gesetzlichen Rente beigelegt, möchte sie die steuerlich geförderte private Altersvorsorge reformieren. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat einen entsprechenden Gesetzentwurf schon vorbereitet. Zunächst soll es aber eine Einigung im nächsten Koalitionsausschuss geben, der am Mittwoch stattfindet. Wenn alles gut geht, soll der Entwurf am 17. Dezember durchs Kabinett.
Laut Gesetzentwurf, der der taz vorliegt, gab es Ende 2024 15 Millionen Altersvorsorgeverträge. Doch die Gesamtzahl sei „seit dem Jahr 2018 sogar leicht rückläufig“. Gründe für diese Entwicklung sieht die Bundesregierung „in der langen Niedrigzinsphase, aber auch in kostentreibenden und renditemindernden Vorgaben“. Auch zahlreiche Anbieter hätten sich aus dem Markt zurückgezogen.
Kostengünstiger, renditestärker, unbürokratischer
Künftig soll die private Altersvorsorge nun also „kostengünstiger, renditestärker, unbürokratischer, flexibler, einfacher und transparenter“ werden. Profitieren sollen vor allem Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen. Erreicht werden soll das allerdings durch mehr Flexibilität und mehr Risiko.
Neu ist: Neben den sicherheitsorientierten Garantieprodukten soll zusätzlich ein „renditeorientiertes Altersvorsorgedepot ohne Garantien“ zugelassen werden. Anleger können dann zum Beispiel in ETFs investieren, die mehr Rendite versprechen. Aber wenn es schlecht läuft, können sie auch alles verlieren.
Das ist eine echte Veränderung zum bisherigen Modell. Denn derzeit müssen Anbieter:innen garantieren, dass sie bei Renteneintritt mindestens die eingezahlten Beiträge auszahlen – das ist die Voraussetzung für eine staatliche Förderung. Bürger:innen, die Sicherheit wollen, können aber auch weiterhin Garantieprodukte wählen, mit „zwei möglichen Garantiestufen in Höhe von 80 Prozent oder 100 Prozent“.
Auch die Auswahl soll Bürger:innen künftig erleichtert werden. So soll ein Standarddepot angeboten werden, bei dem keine individuellen Entscheidungen erforderlich sind. Bei diesem Standarddepot soll die jährliche Renditeminderung durch Verwaltungskosten auf maximal 1,5 Prozent begrenzt werden.
Darüber hinaus soll die staatliche Förderung selbst vereinfacht werden. Pro eingezahltem Euro soll es laut Gesetzentwurf eine Grundzulage von 30 Cent geben. Dies gilt bis zu einer Grenze von 1.200 Euro jährlich. Bis 1.800 Euro gibt es dann für jeden Euro 20 Cent Förderung. Menschen, die privat vorsorgen und Kinder haben, sollen zudem von „einer beitragsproportionalen Kinderzulage“ profitieren. Für sie gibt es 25 Cent pro angelegtem Euro, aber maximal 300 Euro pro Kind.
„Eine große Enttäuschung“
Für den grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Schmidt, Berichterstatter für private Altersvorsorge, ist der Entwurf „eine große Enttäuschung“. Schmidt begrüßt zwar, „dass es ein kapitalmarktbasiertes Altersvorsorgedepot als Standardprodukt ohne Beitragsgarantie geben soll“. Doch „die hohen Kosten von 1,5 Prozent schmälern die Rendite enorm, schwächen den Zinseszinseffekt massiv und machen das Standardprodukt unattraktiv“, kritisiert er. Schmidt präferiert zudem ein System wie in Schweden oder Großbritannien, wo Menschen automatisch in eine private Altersvorsorge einbezogen werden.
Auch Sarah Vollath, rentenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisiert den Gesetzesentwurf. Die Bundesregierung versuche „die völlig gescheiterte Riester-Rente zu retten“ und beschreite „diesen Irrweg weiter“. „Schon jetzt werden Menschen mit geringen Einkommen stark benachteiligt“, sagt sie der taz. Sie seien „schlichtweg finanziell dazu nicht in der Lage, privat vorzusorgen“. Vollath plädiert dafür, die gesetzliche Rente zu stärken und „endlich für mehr Rentengerechtigkeit zu sorgen“.
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