Rentenvorstoß der SPD: Scholz macht Schrittchen nach links
Profilierungsversuch der SPD in der Großen Koalition: Finanzminister Olaf Scholz will das Rentenniveau bis 2040 stabilisieren. Doch er bleibt vage.
Umso mehr überrascht Scholz’ Ankündigung einer Rentenreform, die viele Milliarden Euro kosten könnte. „Wir werden darauf bestehen, dass die Bundesregierung ein stabiles Rentenniveau auch in den 20er- und 30er-Jahren gewährleistet und ein plausibles Finanzierungsmodell vorlegt“, sagte Scholz der Bild am Sonntag. Das habe für die SPD hohe Priorität. „Stabile Renten verhindern einen deutschen Trump.“
Mehr noch: Falls die Union nicht mitzieht, droht Scholz unverhohlen mit einem Rentenwahlkampf bei der nächsten Bundestagswahl: Dann entschieden die BürgerInnen diese Frage mit ihrem Kreuz auf dem Stimmzettel, so der SPDler.
Der Vorstoß ist ein Versuch, die SPD kantiger zu profilieren. Scholz, im Nebenjob Vizekanzler, und Parteichefin Andrea Nahles bilden das Machtzentrum der Partei. Sie müssen das Regierungsgeschäft managen, gleichzeitig aber ein bisschen Opposition betreiben, um erkennbar zu bleiben. Das Bemühen um Letzteres ist deutlich zu erkennen: Nahles schlug am Wochenende vor, Leistungskürzungen für jüngere Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen. Außerdem kündigte sie an, abgelehnten, aber gut integrierten Asylbewerbern mit einem Job das Bleiben zu ermöglichen. Die SPD werde den Spurwechsel durchsetzen.
Hin zur eigenen Agenda
Scholz’ Vorstoß passt ins Bild. Botschaft: Die SPD schärft ihr sozialpolitisches Profil – und setzt sich für Forderungen ein, die nicht im Koalitionsvertrag stehen. Weg von den Spiegelstrichen, hin zu einer eigenen Agenda. Scholz und Nahles stehen unter Druck. In der SPD ist die Groko nach wie vor umstritten, das Bedürfnis nach einem linkeren Sound ist groß.
Entsprechend gut kommen die Absetzbewegungen an. „Es ist gut, dass Vizekanzler Olaf Scholz einen markanten Punkt in der Debatte gesetzt hat“, sagte Fraktionsvize Katja Mast. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner schrieb auf Twitter, es zeichne sich eine politische Kontroverse mit Konservativen und Liberalen über die langfristige Sicherung des Rentenniveaus ab. „Nach einem langen Arbeitsleben muss es in der Regel möglich sein, den Lebensstandard zu halten.“ Das sei eine Frage des Respekts vor Lebensleistung.
Finanzminister Olaf Scholz
Aus der Union kam umgehend Kritik. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) schoss in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe in Richtung Scholz: „Für die Arbeit der Kommission ist es nicht gut, wenn nun von Seite des Koalitionspartners weitgehende Forderungen gestellt werden, die auch noch mit der Überlegung verknüpft werden, dass im Jahr 2021 ein Rentenwahlkampf geführt werden soll, falls diese nicht erfüllt werden.“ Kanzlerin Angela Merkel ließ am Montag über ihren Sprecher ausrichten, dass das „klare Ziel“ soziale Sicherheit für alle Generationen sei. Sie wolle aber der Arbeit der Regierungskommission nicht vorgreifen.
Überbietungswettbewerb befürchtet
In der Tat hat Scholz’ Vorstoß einige Schwächen. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass ein Rentenniveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 garantiert wird. Außerdem sollen die Beiträge für die Arbeitnehmer zur Finanzierung der Renten bei 20 Prozent stabilisiert werden. Wie das Rentenniveau nach 2025 aussehen könnte, soll eine Expertenkommission klären – in der zum Beispiel auch SPD-Frau Mast sitzt. Scholz greift also den Vorschlägen der Kommission vor.
Außerdem sind seine Sätze hinreichend weich formuliert, um Spielraum zu lassen. Scholz schweigt zum Beispiel zur Höhe des Rentenniveaus. Jene aber ist die entscheidende Stellschraube, weil von ihr die Kosten für den Staat und die Höhe der Renten abhängen. Auch zu der Frage eines Rentenwahlkampfes gab es in der SPD unterschiedliche Ansichten. Ein Streit über das Rentenniveau führe zu „einem reinen Überbietungswettbewerb und wird zu teuer“, sagte eine wichtige Sozialdemokratin im Jahr 2016: Andrea Nahles, damals noch Sozialministerin.
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