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Regierungsgespräche mit ChinaHandel statt Wandel

Politisch wendet sich die Stimmung hierzulande zunehmend gegen China. Doch wirtschaftlich ist Deutschland von der Volksrepublik abhängiger denn je.

Angela Merkel während der digitalen deutsch-chinesischen Wirtschaftskonsultationen Foto: Michele Tantussi/reuters

Berlin taz | Eigentlich sind Regierungskonsultationen, an denen fast das gesamte Kabinett teilnimmt, nur mit Ländern vorgesehen, mit denen Deutschland ein besonderes Verhältnis pflegt. Frankreich, Italien und Polen gehören dazu, ebenso Israel. Auch Russland und Indien sind in den letzten Jahren dazugekommen. Und China. China?

Zum Auftakt der Gespräche am Mittwoch hat Merkel noch einmal betont, wie wichtig ihr diese seit 2011 alle zwei Jahre stattfindenden Gespräche sind. Wirtschaft sei von Beginn an ein wichtiges Feld der Kooperation gewesen, betonte die Kanzlerin. Und dies bleibe auch so. „Aber das Spektrum unserer Zusammenarbeit ist viel breiter geworden. Es reicht von der Außenpolitik und der Abstimmung darüber, wie wir bestimmte Konflikte auf der Welt regeln und lösen, bis hin zum Klimaschutz und zur Gesundheit.“

Merkel betonte, auch bei der Eindämmung der Pandemie könnten China und Deutschland eine wichtige Rolle spielen, etwa bei der Beschleunigung der Impfstoffproduktion. Die Beratungen sollten dieses Mal eigentlich in Peking stattfinden. Doch wegen der Pandemie fanden sie virtuell statt.

Neben der Zusammenarbeit bei der Pandemiebekämpfung und dem Klimaschutz wollte Merkel auch die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen ansprechen. Zur Partnerschaft gehöre auch, „dass wir schwierige Themen ansprechen und alles auf den Tisch legen können“, kündigte sie gleich zu Beginn der Gespräche an. Als Beispiel nannte sie die Situation in Hongkong, wo Peking mit einem Sicherheitsgesetz im vergangenen Jahr die politischen Freiheiten massiv eingeschränkt hat und seitdem gezielt Demokratieaktivisten verfolgen lässt.

Direkt an den chinesischen Premierminister Li Keqiang gewandt sagte Merkel, sie wünsche sich, „dass wir baldmöglichst auch den Menschenrechtsdialog wieder in Gang setzen könnten“. Die knappe Antwort des chinesischen Premiers darauf: „China und Deutschland haben verschiedene Ansichten in einigen Fragen. Das ist eine objektive Tatsache.“

Nicht nur Menschenrechtsinitiativen, sondern auch Experten, die sich mit Chinas Politik beschäftigen, kritisieren schon länger, dass die Konsultationen vor allem für China als PR-Show dienen. Denn wenn es um schwierige Fragen geht, scheint die Führung des Landes einfach wegzuhören. Die Bundesregierung und allen voran Merkel, die in ihrer 16-jährigen Amtszeit so oft in China war wie in keinem anderen Land außerhalb Europas, sprach die aus chinesischer Sicht nicht gewollten Themen zwar an, aber nicht öffentlich.

Ton auf beiden Seiten schärfer

Mit dieser sogenannten stillen Diplomatie wollte sie vermeiden, die chinesische Regierung zu düpieren. Einiges konnte Merkel auf diese Weise auch erreichen, etwa die Ausreise des Künstlers Ai Weiwei oder von Liu Xia, der Witwe des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo.

Exportorientierte Länder wie Deutschland sind längst abhängig geworden von China – und nicht mehr umgekehrt. Allein im vergangenen Jahr exportierten deutsche Unternehmen Güter im Wert von 95,9 Milliarden Euro in die Volksrepublik. Besonders die deutschen Autobauer konnten die Coronakrise vor allem wegen der Nachfrage aus der Volksrepublik abfedern. Zum fünften Mal in Folge war China laut dem Bundeswirtschaftsministerium Deutschlands größter Handelspartner.

Zugleich verschärft sich der Ton auf beiden Seiten. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren hat die Europäische Union im März Sanktionen gegen chinesische Beamte verhängt. Ihnen wird die Unterdrückung der Minderheit der muslimischen Uiguren im Nordwesten des chinesischen Staatsgebiets vorgeworfen. Die Führung in Peking setzte daraufhin zehn Po­li­ti­ke­r:in­nen aus Europa sowie vier Organisationen auf eine Schwarze Liste – darunter den Grünen-Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer sowie das Mercator-Institut für China-Studien (Merics) in Berlin.

Den Dialog wollen alle

Von einem „Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit“ sprach der SPD-Außenpolitikexperte Nils Schmid am Dienstag auf einer Merics-Veran­stal­tung. Er sprach sich auch dafür aus, die noch ausstehende Bestätigung des chinesisch-europäischen Investitionsabkommens, CAI, infrage zu stellen. Dabei hatte die Kanzlerin persönlich in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 darauf gedrängt, es nach sieben Jahren Verhandlung rasch zu verabschieden.

Die Grünen hatten schon während der Verhandlungen kritisiert, dass die EU die Frage der Zwangsarbeit von Uiguren nicht ausreichend angesprochen habe. Und auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), warnt vor zu viel Vertrauensseligkeit. „China verfolgt in Deutschland und anderen Teilen der Welt eine strategische Softpower-Politik“, sagte er.

Einen Gesprächsabbruch fordert allerdings niemand. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour betont bei aller Kritik, ein „Decoupling“ sei keine Option, „weil wir die Klimakrise als Menschheitsaufgabe meistern wollen“. Und ohne China als größten Produzenten von Treibhausgasen geht dies nicht.

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9 Kommentare

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  • So richtig die Kritik am Umgang mit Menschenrechten in China auch ist, hat sie kaum eine Chance etwas bewegen zu können solange es nicht auch vor Ort relevante Akteure gibt die etwas an der Situation ändern wollen.



    Gleichzeitig ist man von europäischer Seite aus in einer denkbar schlechten Position diese Kritik zu formulieren solange man großzügig über eigene Menschenrechtsverstöße wie illegale Push-Backs hinwegsieht und der Unterschied zwischen europäischen und chinesischen Lagern darin besteht, dass die chinesischen über feste Gebäude verfügen, während die Insassen der europäischen jahrelang in improvisierten Zelten hausen und Kleinkinder dort auch schon mal von Ratten angenagt werden.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Man sieht, wer in diesem Land den Ton angibt - die Autoindustrie.



    So wie Merkel agiert ist das grundfalsch. Die Chinesen sind clever und wissen ganz genau, dass insb. Deutschland erpressbar ist.



    Ich schäme mich für unser Land, dass uns die Menschenrechte so wenig wert sind.



    Der Deal ist, keine Einmischung in innere Angelegenheiten und ihr könnt eure Autos bei uns verkaufen, egal wie sehr China die Menschenrechte missachtet. Honkong? Blos die Schnauze halten.

    Aber auch die Chinesen brauchen Europa und v.a. auch Deutschland, denn die wollen ihre Neue Seidenstraße bis ins Ruhrgebiet bauen. Das ist unsere Verhandlungsmasse und Merkel macht es leider schlecht bzw. tut alles für die Autoindustrie und die anderen Großindustrien.



    Große High-tech-Firmen sind bereits hierzulande in chinesischer Hand.

    Unanständig, kurzsichtig und dumm nenne ich diese Politik.

  • 1G
    15833 (Profil gelöscht)

    Der Stahl und die Kohle aus China sind halt billiger.



    Auch jetzt, das aluminium Werk in Deutschland muss schließen weil zu teuer und da holt man sich das ganze Zeug was man braucht eben aus China, Hauptsache billig und unter mieserablen zuständen Umwelt und menschenrechtlich hergestellt.

    Grund, SPD, FDP, CDU und selbst die Linken fanden diesen Schritt nicht schlimm.

    Bei uns ist ja alles okay

  • Wer nur nach Preis kauft und nicht nach Qualität und Nachhaltigkeit, muss sich nicht wundern wenn er sich am Ende des Tages "verkauft" hat.



    Wer regional handelt fördert die Wirtschaftskraft mit Nachhaltigkeit und hält sein "System" stabil. Wer nur in schnellen finanziellen Erfolgen denkt, wie alle Wirtschaftsinstitute, um gute Jahresabschlüsse darstellen zu können, richtet unsere Wirtschaft zu Grunde.

  • Ich weiß nicht, wer vor 25 Jahren noch nicht auf dieser Welt gelebt hat um erst jetzt zu erkennen, dass China nicht mit Maßstäben einer westlichen Demokratie gemessen werden kann. Und nicht zufällig folgen insbesondere die Transatlantiker den US amerikanischen Kurs, nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China einen Kalten Krieg zu entfesseln. Sicherlich wären die Freunde der "klaren Kante" deutlich forscher, wenn der Westen China nicht in erheblichem Maße dazu verholfen hätte, zweitwichtigste Wirtschaftsnation zu werden. Cina wird die ökonomische Karte spielen wo immer es geht und sich gleichzeitig darauf vorbereiten, sich militärisch zu schützen. Immerhin ist der Rüstungsetat der USA dreimal so hoch wie der von Russland und China. Vom Gesamtetat der NATO ganz zu schweigen.



    Wahrscheinlich ist die Menschenrechtsfrage nur Symbolpolitik. Vor 20 oder 30 Jahren wäre sie genau so berechtigt gewesen. Aber da war China einfach nur ein Land mit einer billigen Arbeiterarmee, die wir gerne ausgebeutet haben und die auch zu unserem Wohlstand beitrug.

    Ob China wegen der Bekämpfung der Klimakrise gebauchpinselt werden muss ist fraglich, denn China unternimmt entgegen der Darstellung einiger Medien verhältnismäßig viel. Das mag zu wenig sein. Aber das kennen wir ja aus eigener Erfahrung. Richtig ist, dass die Klimakrise nur international und kooperativ bewältigt werden kann. Vielleicht sollten die NATO Staaten einmal darüber nachdenken, den Rüstungswahn zu stoppen. Das wäre klimapolitisch ein großer Schritt.

  • Provokativ: Hat die CDU/CSU Deutschland an China verkauft? Oder wars die FDP? Oder lassen wir uns aufkaufen - paßt wohl besser, wenn wir soviel exportieren. Oder ánders: Früher haben wir die Kolonien ausgesaugt, jetzt macht das China mit uns. Hm

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @StefanMaria:

      Und? Damit sind sie zufrieden?

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Nein. Vor Jahrzehnten gab es schon Umweltinitiativen. Hat nichts gebracht. Vielleicht sollte der mensch wirklich so resignieren wie die Grünen und einfach bei dem Spiel mitmischen. Aber ich hab Kinder .. also ist aufgeben keine Option. Baerbock sollte mal gefragt werden, wie oft sie ihre Kinder sieht.Sieht sie die täglich und macht was mit ihnen, wäre das zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer am Horizont

        • @StefanMaria:

          „Umweltinitiativen“ fordert der Europäer mit dem x-fachen Primärenergieverbrauch (und das seit vielen Jahrzehnten) vom Chinesen. Jau.



          „Ich hab Kinder“...das ist im Hinblick auf die Einkindpolitik in China geradezu unverfroren. Die Europäer sollten erstmal ihre motorisierten Individualbleche abschaffen, dann könnten auf moralisch halbwegs akzeptablem Niveau Forderungen gestellt werden.