piwik no script img

Rechtsextreme MedienDoch kein „Compact“-Verbot

Das Bundesverwaltungsgericht gibt der Klage des rechtsextremistischen Verlags statt. „Compact“-Inhalte seien überwiegend nicht verfassungswidrig.

Elasässer lacht sich ins Fäustchen, ob der richterlichen Kurzsicht Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Das Verbot der Compact Magazin Gmbh durch das Bundesinnenministerium war rechtswidrig. Das entschied an diesem Dienstag das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig und hob das Verbot auf. Die verfassungswidrigen Inhalte von Compact seien „nicht prägend“ für das Magazin.

Der Compact Verlag um Chefredakteur Jürgen Elsässer gibt das Monatsmagazin Compact mit einer verkauften Auflage von rund 40.000 Exemplaren heraus. Noch einflussreicher ist CompactTV, das auf Youtube täglich eine Schwerpunkt-Sendung produziert und inzwischen rund 516.000 Abo­nenn­t:in­nen hat.

Im Juli 2024 verbot die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Compact Magazin GmbH und angeschlossene Gesellschaften unter Berufung auf das Vereinsgesetz. Die Gesellschaften richteten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, so Faeser. Straftaten wurden Compact nicht vorgeworfen.

Compact konnte Bekanntheit steigern

Compact klagte gegen das Verbot beim BVerwG und erreichte mit einem Eilantrag, dass das Verbot bis zur Entscheidung über die Klage wieder ausgesetzt wurde. Compact konnte in den letzten Monaten also weiter arbeiten und konnte durch den Konflikt seine Bekanntheit stark steigern. Jetzt hat das erst- und letztinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht Faesers Verbot ausdrücklich als „rechtswidrig“ eingestuft, Rechtsmittel sind nicht mehr möglich.

Dies war kein Grundsatzurteil für die Pressefreiheit. Denn laut BVerwG können Medien durchaus nach dem Vereinsgesetz verboten werden. Das Vereinsgesetz schütze gegen die von Kollektiven ausgehenden Gefahren und sei „blind“ für den Zweck der jeweiligen Organisation. Allerdings müsse das Grundrecht in der Abwägung berücksichtigt werden, so das Gericht.

Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft begründete die Aufhebung des Compact-Verbots mit zwei Argumentationslinien. Zum einen sei Compact kein reines Medienunternehmen, sondern verfolge eine politische Agenda, organisiere Veranstaltungen und Kampagnen. Compact sehe sich „als Teil einer Bewegung, für die es auf eine Machtperspektive hinarbeitet“. Gemeint ist offensichtlich die AfD, auf die sich Compact mit seinen „Blaue Welle“-Veranstaltungen bezog.

Verbot sei nicht verhältnismäßig

Das Verbot sei aber auch nicht verhältnismäßig, so die zweite Argumentationslinie des Gerichts. Compact verbreite zwar Inhalte, die sich gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ richten, also gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat. Diese Inhalte aber könnten ein Compact-Verbot nur tragen, wenn sie für Compact „prägend“ wären. Schließlich garantiere das Grundgesetz auch den „Feinden der Freiheit“ die Meinungs- und Pressefreiheit, so Richter Kraft.

Als verbotsträchtig wertete das Gericht die Remigrations-Programmatik des identitären Rechtsextremisten Martin Sellner, dem Compact „seit Jahren ohne jegliche Distanzierung einen breiten Raum einräumt“. Dabei werden Deutsche mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse angesehen. Wenn sie sich nach Meinung Sellners nicht genügend „assimilieren“ sollen sie mit Druck zur „Remigration“ in ihre Herkunftsstaaten gedrängt werden. Diese Programmatik verstoße gegen das von Menschenwürde und Demokratieprinzip geschützte egalitäre Verständnis der deutschen Staatsangehörigkeit, so das BVerwG.

Diese verbotsträchtigen Inhalte seien aber nicht prägend für Compact, das auch viele andere Inhalte vertrete. Als nicht verbotsträchtig wertete das Gericht eine zugespitzte Kritik an der deutschen Migrations- und Einbürgerungspolitik, wozu Richter Kraft auch „migrationsfeindliche“ Äußerungen zählte. Als nicht verbotsträchtig sah das Gericht zudem die Kritik von Compact an den Corona-Maßnahmen, die Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine sowie die in Compact regelmäßig präsentierten „Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Betrachtungen“ an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • www.belltower.news...itet-voran-160727/

    Zitat: "Das ist ein fatales Zeichen. Es bestärkt jene, die Medienfreiheit missbrauchen, um die Demokratie von innen heraus zu bekämpfen."

    Oder: Compact muss veboten werden! Jetzt erst recht!

  • Von Merz, Dobrindt, Frei, Linnemann und wie die asozialen Menschenfeinnde in der xxU alle heißen, bin ich das gewohnt, aber dass jetzt auch Gerichte zulassen, dass ungehindert Hetze gegen Menschen verbreitet und Nazi-Veranstaltungen promoted werden, schlägt dem Fass den Boden raus!

    Mir braucht niemand mehr vorzuheucheln, er, sie, hätte aus der Geschichte gelernt, wenn den Faschisten die Demokratie zum Fraß vorgeworfen wird.

    Eine widerliche und extremistisch falsche Entscheidung, die definitiv NICHT "im Namen des Volkes" gesprochen wurde!

  • Sehr schade dass das Gericht der Meinung ist dass die Kaffeekanne in der Gemeinschaftsküche noch immer trinkbaren Kaffee enthält obwohl, zwar nicht jeden Tag, aber immer wieder gleiche seine kleine braune Körperabsonderung in die Kanne verrichtet... wohl bekomm's dem Gericht, aber bitte nicht wundern wenn doch mal die AfD den Bundeskanzler stellt und dieser nach Manier von Hitler, Trump und Co als erstes die Gerichte "aufräumt"...

  • Ein Paradebeispiel für politischen Aktionismus, der voll nach hinten losgegangen ist. Mehr Werbung hätte man für Compact nicht machen können. Elsässer kann sich nun vor noch größerem Publikum als Helden der Meinungsfreiheit verkaufen. Zudem wirkt der Fokus auf ein deutsches Prinmedium wie von Vorvorgestern. Die rechtsextreme Propaganda verbreitet sich doch vor allem über die Social Media und kommt zudem meist auch noch aus ausländischen Quellen, ganz vorne weg von Trump und Musk. Diese Flut zu ignorieren und stattdessen sich an Compact abzuarbeiten wirkt bemitleidenswert hilflos.

  • Wieso wird das Sezession-Magazin, in dem Martin Sellner, Benedikt Kaiser, Götz Kubitschek schreiben nicht versucht zu verbieten, aber das Blatt von Elsässer schon? Ich versteh es nicht.

  • O. k., ich würde mal sagen, wenn jetzt auch die Gerichte nichts mehr gegen Faschisten und Volksverhetzung unternehmen, ist es jetzt anscheinend an der Zeit, dass wir als Zivilbevölkerung die Demokratie nach Art. 20, Abs. 4 GG schützen müssen.

  • Schon eine interessante Feststellung. Sollte ich mal vor Gericht stehen werde ich mich darauf berufen, überwiegend nicht kriminell gewesen zu sein.

  • Soviel zu „wehrhafter Demokratie.“ Aber wehe, das Käseblättchen hätte die Eigentumsverhältnisse in diesem Land infrage gestellt.

  • Die wichtigste Lehre aus diesem Urteil scheint mir seine Konsequenz für die Faesersche Beweis-Methode zu sein.



    In den Unterlagen für das Verbot hat ihr Ministerium eine Unmenge von Zitaten zusammengetragen - von denen die überwiegende Mehrheit einer Überprüfung vor Gericht als zulässig standhielt.



    Das schien die Behörde vorher auch zu ahnen. Sie argumentierte daher, dass die Zitate ja irgendwie zu den tatsächlich verfassungsfeindlichen Aussagen passen, dass man also das wenige relevante Material damit strecken dürfe.



    Und außerdem seien die Aussagen ja nur "exemplarisch", das heißt, man könnte den Umfang bei Bedarf weiter aufblähen.



    Das BVerwG hat nun klargestellt, dass Masse Klasse nicht schlägt.



    Das ist insbesondere daher wichtig, da das AfD-Gutachten aus Faesers letzten Amtstagen ähnlich strukturiert ist.

  • Ich finde, „… lacht sich ins Fäustchen“ ist (typisch deutsche?) Larmoyanz, ja, … der lacht auch noch! Was ist damit gesagt? Heulen oder betroffen tun wird er wohl kaum wenn‘s für ihn recht gut läuft.

  • Der ganze Verbotsrummel hat diesem Erzeugnis ja zu ungeahnter Popularität verholfen. Aus vergangenen Versuchen dieser Art scheint man ja so gar nicht lernen zu wollen. Folgt jetzt ein Aufkleber mit einer Warnung der Regierung auf jeder Zeitung?



    Warum können wir nicht einfach souverän unsere Werte der Meinungsfreiheit hochhalten, auch wenn das bei den Schwurblern zugegebenermaßen manchmal schwer fällt.



    Zeitungen verbieten läuft bei mir unter einer der Sachen die unsere Gegner tun würden und die ich deshalb genau wie Parteiverbote niemals unterstützen werde.

  • War das bei diesem anderen Verbot… duweisst.schonwer… nicht derselbe Vorsitzende?

  • "Diese verbotsträchtigen Inhalte seien aber nicht prägend für Compact, das auch viele andere Inhalte vertrete. Als nicht verbotsträchtig wertete das Gericht eine zugespitzte Kritik an der deutschen Migrations- und Einbürgerungspolitik, wozu Richter Kraft auch „migrationsfeindliche“ Äußerungen zählte. Als nicht verbotsträchtig sah das Gericht zudem die Kritik von Compact an den Corona-Maßnahmen, die Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine sowie die in Compact regelmäßig präsentierten „Verschwörungstheorien und geschichtsrevisionistische Betrachtungen“ an."



    --> Dies gilt auch in Bezug auf das Verbot der AfD, die noch dazu mit dem grundrechtlich geschützten Parteienprivileg wedeln darf. Gegen die Menschenwürde verstößt eben nur die Ungleichbehandlung von Personen mit einem deutschen Pass und gerade nicht die - zuletzt von führenden Funktionären der AfD (z.B. von Storch) - Beschränkung der Vergabe der Deutschen Staatsangehörigkeit. Hier war von Storch im Interview mit der ARD sehr clever: "Wir wissen, dass wir Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit nicht unterschiedlich behandeln dürfen. Deswegen wollen wir die Vergabe derselben weitestmöglich einschränken." Letzteres ist legal

  • QED. Und die Moral von der Geschicht: Hände weg von einem AFD-Verbotsantrag. Auch dort würden Juristen geltend machen, daß höchstens Einzelfälle hetzerisch sind. Und natürlich würde es auch dort nicht für ein Verbot reichen. Die dann einsetzende Feixerei sollten wir uns ersparen.

  • Es gab auch zuvor kein einziges erfolgreiches Verfahren gegen Compact. Da Pressefreiheit ein hohes Gut ist, was das Ergebnis klar zu erwarten. Das hätte Frau Faeser eigentlich wissen müssen. Passt aber lückenlos zum durch Frau Faeser angewiesenen AFD-Bericht durch den Verfassungsschutz. Der Wunsch allein ist nicht ausreichend und kann, wie man sieht, durchaus kontraproduktiv sein.

  • D.h. einzelne Artikel könnten rechtlich relevant sein. D.h. wiederum: jede Ausgabe sofort prüfen und ggf. eine einstweilige Verfügung zwecks Indizierung der Ausgabe beantragen.

    • @Ciro:

      Bevor man fordert sollte man sich vielleicht informieren wie es so mit Indizierungen und Beschlagnahmen in Deutschland funktioniert. Da ist nichts mit "einstweilige Verfügung" etc. Meine Güte informieren!

      • @Sentinel2150:

        Okay, ab jetzt dürfen nur noch Jurist/innen hier kommentieren.

    • @Ciro:

      // jede Ausgabe sofort prüfen

      Oh, das klingt nach Überwachungsstaat. Nicht gut.

      • @Der Cleo Patra:

        Wer Wind sät. Es geht ja nicht um eine allgemeine flächendeckende Prüfung, sondern um bekannte Hetze.

    • @Ciro:

      PS. gemeint ist Beschlagnahmung oder wie ein Verbot von Printhetze auch heißen mag, nicht Indizierung.

      • @Ciro:

        Man kann es nennen, wie man es will. Selbst das Innenministerium hat keinen einzigen Artikel in der Zeitschrift und kein einziges Video bei Youtube gefunden, welches strafrechtlich relevant ist und damit zur Indizierung, Beschlagnahme oder ähnlichen Maßnahmen des Presserechts ausreicht.

        Das ist ja der Kern des gesamten Rechtstreits: Das Bundesinnenministerium hat ein Medium verboten bzw. wollte ein Medium verbieten, welches jederzeit völlig legal agierte. Darauf nahm die Verbotsverfügung sogar in einem Halbsatz Bezug: "... dass die Aussagen der Verbotsempfängerin jede für sich genommen das Spektrum der geschützten Presse- und Meinungsfreiheit nicht verletzen, steht der Verbotsverfügung nicht entgegen."

        Das ist ja der eigentliche Politikskandal: Faeser wollte eine vollkommen legale Meinung und Zeitung einfach verbieten. Presserecht im Stile Orbans. Die Frau müsste angesichts dessen von allen Ämtern sofort zurücktreten.

        Das Compact widerlich ist, ist kein Verbotsgrund. Auch widerliche Meinungen genießen die Meinungsfreiheit. Oder wie es BVerfG und BVerwG sagen: "Schließlich garantiere das Grundgesetz auch den „Feinden der Freiheit“ die Meinungs- und Pressefreiheit"

        • @Kriebs:

          Volksverhetzung ist strafrechtlich relevant.