Rechtsesoterische Anastasia-Bewegung: Steuergeld für rechte Siedlung

Im brandenburgischen Grabow etabliert sich die Anastasia-Bewegung. Gelder dafür kamen von der Europäischen Union und dem Land Brandenburg.

Pferdekoppel in Morgennebel

Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin liegt die brandenburgische Siedlung Grabow Foto: Jürgen Ritter/imago

GRABOW taz | Lange Haare, langer Bart, rustikales weißes Hemd mit aufgerollten Ärmeln, schwarze Arbeitshose. In Grabow pflegt Markus Krause das Image eines Machers, der anpackt, nicht bloß redet. Kurzzeitig war der Landvermesser Ortsvorsteher im 300-Seelen-Dorf in der brandenburgischen Ostprignitz. Langfristig widmet er sich einem anderen Projekt: Gemeinsam mit seiner Ehefrau Iris baut er das Siedlungsprojekt „Goldenes Grabow“ auf, das dem rechts-esoterischen Anastasia-Milieu zugehörig ist.

Dafür bekommt Krause Gelder aus öffentlicher Hand: An der Scheune des „Goldenen Grabows“ am Wiesenweg verweist ein Schild darauf, dass der „Um- und Ausbau einer Scheune zum Lagergebäude für Maschinen, Geräte, Werkzeuge und Gemüse sowie teilweise Ausbau zum Pferdestall“ durch eine Ko-Finanzierung des Europäische Landwirtschaftsfond und des Landes Brandenburg erfolgen.

Seit 2012 sind Anastasia-Bewegte um Markus und Iris Krause in der Gemeinde Heiligengrabe aktiv. Inzwischen gehören ihnen zahlreiche Immobilien und Pachtland, wie Grabower*innen berichten. Durch den sogenannten „Landfreikauf“ ist eine Ansiedlung mit mehreren Familienland- und Probelandsitzen entstanden. Mindestens sechs Familien sollen sich angesiedelt haben. Weitere leben in Tiny-Häusern, Bauwägen und Zelten auf einem versteckten Gelände am Wald. Auch Einheimische schließen sich den vermeintlichen Ökos an.

Dass die Anhänger*innen der antisemitischen und antifeministischen Verschwörungsideologie in engem Kontakt zu Rechtsextremen stehen, scheint für die öffentliche Förderung zunächst irrelevant. „Wenn der Antrag alle notwendigen Formalien aufweist, die Formulare korrekt ausgefüllt sind, kann eine Förderung erfolgen“, erklärt die Ansprechpartnerin des brandenburgischen Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, bei dem die Mittel aus dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) beantragt werden können.

13.297,00 Euro für Scheune der rechten Esoteriker*innen

Auf die Frage, inwieweit der umstrittene politische Hintergrund der Antragsstellenden berücksichtig wird, antwortet sie der taz nur: „Wir kümmern uns um über 1.000 Vorhaben“. Ob eine politische Prüfung erfolgt, wird auch auf schriftliche Nachfrage nicht ausgeführt. Für die Scheune erhielten die Antragssteller*innen 2013/2014 13.297,00 Euro, erklärt die Pressestelle des Ministeriums.

„Aus der Sicht des Landes Brandenburg sind Projekte im ländlichen Raum dann besonders sinnvoll, wenn ihre Auswirkungen nachhaltig sind, das heißt wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Aspekte gleichermaßen berücksichtigen“, das gilt laut Minsterium allgemein. Weiterhin sollten die Projekte zur Verbesserung der Chancengleichheit insbesondere bei der Steigerung der Frauenerwerbsbeteiligung und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen.

Beim „Goldenen Grabow“ dürfen diese Förderkriterien allerdings angezweifelt werden. Die Gedankenwelt dieses Milieus beruht auf den Anastasia-Büchern von Wladimir Nikolaevich Megre. Die 10 Bände sind ab 1999 in der ersten deutschen Übersetzung aus dem Russischen erschienen. Seitdem wächst hierzulande langsam die Fangemeinde. In den Werken adressiert Megre die Leser*innen, changiert zwischen fiktionalen Passagen und Bestrebungen, die Lehre Anastasia in der realen Welt zu realisieren, schreibt Laura Schendelein, die gerade eine Studie zu Anastasia bei der Emil Gumbel Forschungsstelle des Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien veröffentlichte.

Das Epos beginnt im Jahr 1994 mit einer Begegnung des Autors mit der Einsiedlerin Anastasia. Im Einklang mit Pflanzen und Tieren lebt sie auf einer Lichtung in der Taiga. Die junge, attraktive Frau hat magische Fähigkeiten, kennt Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und kann mit allen Menschen und Tiere kommunizieren. Im Gespräch mit Megre legt sie ihre Hoffnungen und Sichtweisen dar: Der Familienlandsitz sei der einzige Weg zu paradiesischen Zuständen.

Unverhohlener Antisemitismus

Wie ein solcher Landsitz gestaltet werden soll, wird erstmals im vierten Band des Epos dargestellt. Es handelt sich um einen Prozess der Verwurzelung des Menschen mit dem Boden. Band 6 allerdings macht die Kräfte aus, die uns das Paradiesische verunmöglichen. Seit Jahrtausenden hielten demnach machtbesessene Priester das „ursprüngliche Wissen“ von uns fern – und zwar niemand Geringeres als sechs Oberpriester aus dem Volk der Leviten, einem der zwölf Stämme Israels.

Wer es jetzt noch immer nicht verstanden hat, dem wird nun offen erklärt, dass das jüdische Volk die Soldaten eines Oberpriesters und verpflichtet seien, „die Macht über die Menschen der ganzen Welt zu ergreifen“. An der Verfolgung seien die Juden aber auch selbst Schuld, weil sie „mit allen Mitteln versuchen, so viel Geld wie nur möglich in ihren Händen zu konzentrieren. Und vielen von ihnen gelingt das auch ganz gut“.

Vom Antisemitismus geht es zum Antifeminismus. Mit Anastasia steht im Zentrum des Epos zwar eine Frau, doch die literarische Figur tritt für weibliche Enthaltsamkeit ein. Die Familie im klassisch-biologischen Konstrukt von Mann, Frau und Kindern wird präferiert. Im Band 6 lehnt Anastasia zudem die Demokratie ab, da sie „die gefährlichste Illusion“ sei. 2015 warnten Krauses bei einem Infoabend im Dorf: „Wenn der Zufluss so weitergeht, wie bisher, gibt es in einem Jahr mehr junge Männer aus Afrika, Asien und dem Balkan als junge deutsche Männer.“ Notfalls solle eine Dorfwehr errichtet werden.

An die siebzehn Familienlandsitze bestehen bisher in der Bundesrepublik. Eng verbunden ist das „Goldene Grabow“ mit „Weda Elysia“ aus Wienrode nahe Quedlinburg. Der „Familienlandsitz“ wird vom “Lindenquell e.V.“ getragen, weiß die Landesregierung Sachsen-Anhalts. Per Kleiner Anfrage versuchte die Landtagsabgeordnete Henriette Quade, mehr zu erfragen. Viel bekam sie nicht heraus.

Zwischen Barfüssler*innen und Bundeswehroffizieren

Die rechte Gesinnung der Krauses sei schon früh aufgefallen, heißt es in Grabow. Markus Krause besuchte 2007 ein Treffen des antisemitischen „Bund für Gotterkenntnis – Ludendorff“ in Dorfmark. Zehn Jahre, später, 2017, traten dann Ludendorffer bei einem Anastasia-Festival auf. 2015 errichtete der extrem rechte „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ auf dem Anwesen in Grabow ein Lager. Als Iris Krause 2018 zum „Frühlingsfest Goldenes Grabow“ per Mailverteiler einlud, waren auf der Liste auch NPD-Politiker*innen. Medienanfragen beantworten möchte das Ehepaar Krause nicht.

Die Grabower Anastasia-Anhängerschaft bewegt sich zwischen Barfüssler*innen und Bundeswehroffizieren. So harmlos wie sie erscheinen möchten, sind sie nicht. Krauses Wohnadresse wird von einem bekannten sächsischen Rechtsextremisten als Standort seines Sicherheitsdienstes angegeben. Stefan R., der heute J. heißt, war ehemaliger Bundesvorsitzender der rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“, an deren Aufmärschen in Dresden sich vor Jahren auch Krause beteiligte.

2014 führten Krause und J. gemeinsam trommelnd den Festumzug des Dorfes an. Die Anastasia-Anhänger*innen planen auch eine eigene Schule. Das TV-Magazin Kontraste berichtet zudem, dass einige schulpflichtige Kinder der Gemeinschaft dauerhaft nicht zur Schule gehen. Die örtlichen Behörden seien alarmiert.

Erst am 29. September hatten Anastasia-Bewegte aus dem Ostharz versucht, eine Lesung des Buches „Völkische Landnahme“ zu stören – gemeinsam mit dem rechtsextremen Influencer Nikolai Nerling, bekannt als „Der Volkslehrer“. Die Aktion misslang. Im Anschluss drehte Nerling mit den vermeintlich Friedfertigen ein Video, an dessen Ende das Buch in Flammen aufging.

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