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Reaktion auf GroKo-Plan in Berlin„Der Stil ist nicht nachvollziehbar“

Die Linken-Vorsitzende Katina Schubert ist überrascht vom SPD-Schwenk zur CDU. Sie kündigt massives Einmischen an.

Da war noch alles offen: Katina Schubert bei einer Wahlkampfveranstaltung im Januar Foto: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Frau Schubert, waren Sie sehr überrascht vom Schwenk der SPD Richtung CDU?

Katina Schubert: Es hatte sich für uns nicht angedeutet. Sowohl der Stil, wie es bekannt wurde als auch die Begründung, mit der das erfolgt, ist mir in keinster Weise nachvollziehbar. Natürlich gibt es Unterschiede, wir sind drei Parteien, und keine Koalition aus drei Parteien ist einfach, man muss Kompromisse finden. Das ist das Wesen von parlamentarischer Demokratie. Wenn die SPD jetzt sagt, sie ist näher der CDU, dann ist das auch eine Aussage. Aber die Begründung, die sie jetzt anführt, warum es mit uns und mit den Grünen angeblich nicht ging, ist hanebüchen.

Sie meinen die Behauptung aus dem Bericht der SPD-Sondierungskommission an den SPD-Landesvorstand, es bestünden „erhebliche Zweifel“ an der Durchsetzungsfähigkeit der Linken-Parteispitze verabredete Positionen in der Partei durchzusetzen?

Dass sie angeblich an unserer Zuverlässigkeit zweifeln, ist einfach unverschämt – und sie wissen auch, dass das nicht stimmt. Das ist einfach ein Vorwand, um mit der CDU ins Bett steigen zu können. Es ist ja okay, wenn sie finden, dass sie das machen müssen – aber dann sollen sie es auch sagen und es nicht damit begründen, dass wir unzuverlässig oder die Grünen unverschämt seien. Die SPD kann es offensichtlich nicht aushalten, dass sie nur noch eine Kraft unter vielen ist und es mit drei Parteien natürlich weniger zu verteilen gibt als mit einer Partei.

Im Interview: 

Katina Schubert, geb. 1961, ist Vorsitzende des Landesverbandes der Linkspartei und Mitglied im Abgeordnetenhaus

Jetzt wo R2G geplatzt ist, können Sie es ja verraten: Wie sah denn die Einigung in Punkto Enteignungsvolksentscheid, von der am Montagabend die Rede war, aus?

Wir hätten uns auf ein Rahmengesetz eingelassen, das abstrakt beschreibt, was die Voraussetzungen für eine Vergesellschaftung sind – entsprechend der Empfehlung der Expert*innen-Kommission. Und wir hätten dann sofort mit dem Umsetzungsgesetz Wohnen begonnen, ein bisschen analog zum Artikel 14 im Grundgesetz.

Was bedeutet das?

Beim Enteignungsgesetz reicht ja ein Verwaltungsakt, um die Enteignung zu vollziehen. Bei einer Vergesellschaftung ist immer zwingend für jede einzelne Vergesellschaftung ein Gesetz erforderlich. Wie CDU und SPD das jetzt machen wollen, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn sie es so machen, wie es die SPD uns ursprünglich vorgeschlagen hatte, dann wird es zu keiner Vergesellschaftung kommen. Der Volkentscheid wäre faktisch tot.

Weil die Vergesellschaftung nun auf den Sanktnimmerleinstag verschoben wird?

Ja, oder die Anforderungen werden so gestellt, dass es einfach nicht dazu kommen wird.

Welche Perspektive sehen Sie mit Schwarz-Rot für linke Politik? Wird die Straße wieder wichtiger?

Die Straße ist ja für uns immer wichtig – genauso wie der Austausch mit der Stadtgesellschaft, der Austausch mit Gewerkschaften, mit Initiativen. Und natürlich wird es weiterhin massive Auseinandersetzungen geben etwa bei Themen wie Nachverdichtung und Stadtentwicklung. Wie stellen wir uns eine lebenswerte Stadt vor? Wie können wir genügend sozialen und bezahlbaren Wohnraum schaffen für all diejenigen in Berlin, die ihn so dringend brauchen? Diese Auseinandersetzungen werden sich mit einer schwarz-roten Regierung massiv verschärfen. Und wir werden dabei als Linke mit klugen und umsetzbaren Konzepten mitmischen.

Könnte Schwarz-Rot für manche Sachen auch einen Schub geben, etwa beim Klimavolksentscheid?

Bestimmt. Volksentscheide sind ja sowieso ein wichtiges Instrument direkter Demokratie, besonders für bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement. Das müssen wir nach besten Kräften unterstützen. Wir als Berliner Linke müssen uns jetzt aber auch erst einmal beraten, wie wir konkret weitermachen – die Voraussetzungen sind ja andere als noch vor zwei Tagen. Aber wir stehen zu dem, was wir unseren Wählerinnen und Wählern versprochen haben, und werden sofort aus der Opposition heraus versuchen, bestmöglich Druck zu machen – um entsprechend zu einer Umsetzungsperspektive zu kommen. In Sachen Wohnen, Vielfalt gestalten, Armut bekämpfen, Berlin lebenswert zu machen. Damit die Menschen bei der nächsten Wahl 2026 tatsächlich eine Wahl haben!

Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft?

Das wird sich zeigen, darüber zu sprechen ist noch zu früh.

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6 Kommentare

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  • Eines muss man der bisherigen Arbeit der Linken im Berliner Sena anrechnen. Sie haben den status quo gut zementiert, damit Berlin sich ja nicht verändert.

    Kleines Beispiel: Unter Lederer (Denkmalschutz) wurden auf einmal die Anforderungen an Sanierungen und DG-Ausbauten "erschwert" und zwar mit Hilfe des Denkmalschutzes. Es soll ja keiner auf die Idee kommen, dass nachverdichtet werden dürfte und dann auch noch für Besserbetuchte...

  • "ein bisschen analog zum Artikel 14 im Grundgesetz"

    Genau das ist auf der Grundlage des Art 15 GG nicht möglich. Na zum Glück ist das Kapitel vorbei.

    • @DiMa:

      Haben Sie die beiden Artikel denn auch gelesen und verstanden?

      Und ihr letzter Satz lässt tief blicken wenn es um den Wählerwillen von 60% geht, die für die Enteignung gestimmt haben.

      • @Anna Bell:

        Ja, die beiden Artikel habe ich gelesen. (Art. 14 GG "durch oder auf Grund eines Gesetzes", Art 15 GG dagegen lediglich "durch ein Gesetz"). Ein Rahmengesetz zur Vergesellschaftung wäre also nicht zulässig, dann bliebe nur eine Enteignung nach Art 14 GG, wobei dann jedoch der Hinweis auf die Analogie quatsch wäre.

        Das mit dem Wählerwillen ist so eine Sache, die Volksabstimmung war ohne jede Bindung, gleichzeitig wurden Parteien gewählt, die bereits im Wahlkampf betont haben, dass es mit ihnen keine Vergesellschaftung geben werde. Wahlversprechen halt. Der Wählerwille wird umgesetzt.

  • Verpokert



    Enteignung zur Bedingung gemacht, verpokert, selbst schuld, Null Mitleid.



    Nun können die Linken gar nichts mehr fordern und werden Zuschauer.

  • Markige Worte für eine Partei, die in Berlin über so viele Jahre ihre Chancen gehabt hat. Wahrscheinlich ist Opposition doch besser für alle Beteiligten!