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Razzien bei der Letzten GenerationSind Spenden erlaubt?

In Bayern fand man, Spenden für Klimakleber stellen eine strafbare Unterstützung dar. Aber so einfach ist das nicht.

Ob die Letzte Generation eine „kriminelle Vereinigung“ darstellt, ist noch gerichtlich zu klären Foto: Jonas Gehring/imago

Im Rahmen der Razzien gegen die Letzte Generation sperrte das Landeskriminalamt die Webseite der Letzten Generation. Beim Versuch, diese aufzurufen, tauchte am Mittwoch zwischenzeitlich der Hinweis auf: „Achtung: Spenden an die Letzte Generation stellen mithin ein strafbares Unterstützen der kriminellen Vereinigung dar!“ Nach mehreren Stunden nahmen sie die Meldung wieder runter. Was ist denn nun erlaubt?

Richtig ist:

Die Polizei hat recht: Wäre die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch, so wären Spenden an sie strafbar. Aber noch fehlt eine solche gerichtliche Einordnung. Die Meldung der Staatsanwaltschaft zu entfernen, war daher notwendig, denn bis zu einem gerichtlichen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

„Aber, dass es sich bisher nur um einen Anfangsverdacht handelt, heißt nicht, dass sie nicht doch als kriminelle Vereinigung verurteilt werden könnten“, legt Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Humboldt-Universität dar.

Davon ausgehend wirkt das Urteil rückwirkend. Das gelte bei Straftaten immer, ein Beispiel: Wenn jemand einen Betrug begeht, dann darf diese Person bis zum Urteil nicht Be­trü­ge­r*in genannt werden, dennoch war die Person es zum Zeitpunkt der Tat und im vorangegangenem Zeitraum.

Somit ist es nicht verboten, zu spenden. Für den Fall, dass Paragraf 129 auf die Protestgruppe zutrifft, könnten aber auch rückwirkend Spen­de­r*in­nen haftbar gemacht werden. Dabei kommt es im Einzelfall auf Vorsatz und Wissen hat. Hat man billigend in Kauf genommen, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist?

Hat man in Unterstützung von Straftaten gespendet, diese sogar direkt finanziert, indem man Kleber oder das Fahrzeug gemietet hat, mit dem der Verkehr blockiert wurde? Oder wollte man nur eine Gruppe, die sich für Gesellschaftsrat und Tempolimit engagiert, bestärken? Diese Argumentation könnte nach den Razzien schwerer sein, schätzt Heger.

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13 Kommentare

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  • Vor dem Gesetz sind alle gleich.

    Nur der "Faker" der Webseite und seine Helfershelfer sind ganz sicher "gleicher" als der Bahnmitarbeiter der jetzt freigestellt ist, weil er die "Dreadlock Mail" versendet hatte



    (taz.de/Bundespoliz...-Zuegen/!5938252/)

    Nicht wahr ?

  • Ach du Scheisse !

    Hoffentlich kriegen die mich jetzt nicht dran, weil ich kürzlich bei den Katholen was in den Klingelbeutel geschmissen hab.



    So von wegen Mißbrauchsvertuschung und so ...

  • Lasset die Richter entscheiden, sie urteilen unabhängig und ich traue ihnen mehr als Millionen Hobby-Juristen.

  • Kriminelle Vereinigung hin oder her, am Ende kommt auch die Beihilfe zur Begehung einer Nötigung oder der schweren Sachbeachädigung in Betracht.

    Genau aus diesem Grund dürfte ein prominenter Fondsbetreiber das Angebot zur Übernahme von Geldstrafen zurück gezogen haben.

  • ..Spenden für bezahlte Demonstranten finde ich etwas skurril.



    Interessanter schon, wer steckt dahinter...

    • @Alex_der_Wunderer:

      Heute ist ein Tag, da denke ich im Zusammenhang mit den aufgeworfenen Fragen an Hans-Christian Ströbele. In einem Beitrag über ihn berichtete ein ehemals Beschuldigter aus der Hausbesetzer:innen-Szene, er habe ihn und damit sie alle "richtig rausgehauen" im Prozess. Eine Rechnung der Kanzlei sei niemals eingegangen. Außerdem bin ich auf ein BGH-Urteil vom 7.11.1990 gestoßen. Hier geht es um finanzielle Beihilfen bei Strafen und die Strafvereitelung als Vorwurf.



      2 StR 439/90



      Das könnten jetzt Ströbeles Nachfolger:innen sicherlich gut auseinandersetzen.



      Einen Protagonisten kennen wir taz-Leser:innen gewiss.

      • @Martin Rees:

        Bei dem von Ihnen zitierten Urteil geht es um die nachträgliche Übernahme der Strafe.

        Bei den Spenden wir die Unterstützung bereits vor der Begehung von Straftaten geleistet und kann deshalb bereits eine Unterstützung darstellen. Insoweit kommt Beihilfe in Betracht (nicht Strafvereitelung).

    • @Alex_der_Wunderer:

      Es sind keine bezahlten Demonstranten....



      Fragwürdig ja ein bisschen aber vergleichbar mit der Lobby der Industrie

      • @KeyserSozeSyndikat:

        ...sorry, habe ich nicht gut formuliert - meinte eher finanziell unterstütze Demonstranten, wobei ich nix gegen Spenden von Unterstützern in der Sache



        - aus Überzeugung , da es Ihnen vielleicht aus verschiedensten Gründen nicht möglich ist, selber teilzunehmen.

        Anders sieht es aus bei Spenden von Intressengruppen, die in Wirklichkeit nur Unruhe und politische Provokationen nicht der Sache wegen wollen.

  • Einerseits versagt der Paragraf 129 bei der Bekämpfung der Mafia (organisiert sich arbeitsteilig wie ein Unternehmen), aber auch bei einem Phänomen wie dem VW-Dieselskandal, wo sich der Vorstandsvorsitzende mit einem Teilgeständnis aus der Schlinge der organisierten Kriminalität ziehen konnte.



    Der Paragraf 129 versagt grundsätzlich, weil der Gesetzgeber die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität mit der Bekämfung von Terrorismus verband. Besonders fatal: Der Paragraf 129 hat demokratiefeindliche historische Ursprünge, die der politschen Verfolgung dienten.



    Folge: gefährliche Lücken bei der Auslegung des Gesetzes aufgrund von Definierungs- und Abgrenzungsproblemen bei wichtigen Begriffen wie z. B. der Vereinigung und dem Zusammenschluss.



    Der Gesetzgeber hat - auch auf Druck der EU - Definitionen zum Organisationsgrad verschliefen, die nicht zusammenpassen: die Bekämpfung von Vereinigungen und Zusammenschlüssen zu politischen Zwecken (Terrorismus) und von wirtschaftlichen kriminellen Vereinigungen (Mafia). Als Nebeneffekt ergab das einen Freifahrtsschein für das Abhören.

    Es geht also nicht nur um die unzulässige Auslegung des Paragrafen 129 durch die bayrische Justiz und Polizei gegenüber der Letzten Generation (und grundsätzich gegenüber der Zivilgesellschaft), sondern auch um schwere grundsätzliche juristische Fehler des Gesetzgebers bei der Gesetzgebung zum Paragrafen 129. Eine Reform des Gesetzes wurde durchgeführt ohne dass darüber im Rechtsausschuss des Bundestages beraten wurde.

    Das heißt, der Gesetzgeber und das deutsche Parlament sind dafür verantwortlich, dass die bayrische Justiz und Polizei sich ohne Skrupel der Missbrauchsmöglichkeiten dieses Gesetzes bedienen konnten.



    Um diesen grundsätzlichen Missstand zu beseitigen ist der Gesetzgeber in der Pflicht, den Paragraf 129 so zu reformieren, dass Politik und Wirtschaft bei der Bekämpfung von Kriminalität getrennt werden.

    www.zis-online.com.../2021_7-8_1451.pdf

    • @Lindenberg:

      Die Missbrauchsmöglichkeiten von 129 und 129a sind weder ein Fehler noch ein Versehen, sondern ganz genau so intendiert. Es geht darum die Stärke des Rechtsstaats zu demonstrieren, auszuforschen und einzuschüchtern, dass diese Verfahren dabei regelmäßig in sich zusammenfallen weil etwa Gentrifizierungskritiker*innen oder die LG eben nicht Al Quaida oder die RAF sind ist für die Erreichung dieser Ziele völlig unerheblich.

  • Wird einem schon etwas mulmig, wenn die Exekutive sich hier als Judikative aufspielt.

    Gibt es dafür Konsequenzen -- ausser ein "Oh, 'tschuldigung"?

    • @tomás zerolo:

      Konsequenzen gibt's nur für s Volk