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Raketen mit hoher ReichweiteSelenskyj will Go von Verbündeten

Der Winter naht, die Energieversorgung in der Ukraine steht unter Beschuss. Präsident Selenskyj drängt auf mehr Unterstützung bei den Verbündeten.

Auf Werbetour bei den Verbündeten: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag beim Ramstein-Format Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Es ist der fünfte Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Deutschland seit Kriegsbeginn im Februar 2022. Bei jedem Besuch trommelte er für mehr Unterstützung für sein Land im Krieg gegen den russischen Aggressor. Die Forderungen ähneln sich – und doch steht die Ukraine zweieinhalb Jahre nach Beginn der Invasion mehr unter Druck als je zuvor. Wenige Monate vor Einbruch des dritten Kriegswinters bombardiert die russische Armee gezielt die ukrainische Energieversorgung, Wohngebäude, die Zivilbevölkerung.

So auch in der Nacht zu Freitag. In der nordöstlichen Grenzregion Sumy sowie in Winnyzja im Westen waren Berichten zufolge Explosionen zu hören. Auch nahe der westukrainischen Großstadt Lwiw habe es nach einem abgewehrten Drohnenangriff gebrannt, berichtete Bürgermeister Andrij Sadowyj via Telegram. Für Entsetzen sorgte Anfang der Woche ein Raketenangriff auf die Region Poltawa mit über 50 Toten und Dutzenden Verletzten, der vor allem einem militärischen Ausbildungszentrum galt.

Wie brenzlig die Lage ist, zeigt der Besuch Selenskyjs bei der Kontaktgruppe der rund 50 Verbündeten auf dem US-Stützpunkt in Ramstein in Rheinland-Pfalz. Zum mittlerweile 24. Treffen der Gruppe hatte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin eingeladen. Für ihn ist Selenskyj ein „special guest“ an diesem Freitag. Denn: In der Regel nehmen nur die jeweiligen Mi­nis­te­r:in­nen teil, die für Rüstung und Verteidigung in ihren Staaten zuständig sind oder ranghohe Militärs. Nun taucht Selenskyj also persönlich auf.

Er will die Verbündeten davon überzeugen, den ukrainischen Streitkräften Angriffe auf Ziele auch in Russland zu erlauben. Mit westlichen Waffen, konkret mit Langstreckenraketen, mit weitreichenden Waffensystemen. Selenskyj will sich im Rahmen der Selbstverteidigung bewegen, aber eben nicht mehr in der Defensive sondern in die Offensive gehen.

Geht das Geld für die Ukraine-Hilfe aus?

Angriffe auf russisches Territorium gelten als „rote Linie“ für die USA – und auch für die Bundesregierung. Selenskyj trifft an diesem Freitag Kanzler Olaf Scholz in Frankfurt am Main. Das weitere militärische Vorgehen sei das Thema, sagte ein Regierungssprecher am Freitag in Berlin. Vermutlich wird auch die zukünftige finanzielle Unterstützung aus Deutschland für die Ukraine besprochen. Angesichts angespannter Haushaltsverhandlungen liegt auch dieser Posten auf dem Verhandlungstisch.

Um Sorgen von ukrainischer Seite bereits vor dem Treffen mit dem Kanzler abzufedern, stellte Verteidigungsminister Boris Pistorius klar, dass 4 Milliarden Euro im nächsten Jahr bereits eingeplant sind. Und er hat ein konkretes Angebot in Ramstein im Gepäck. Deutschland wird 12 moderne Panzerhaubitzen an die Ukraine liefern, sechs noch in diesem Jahr, die restlichen sechs dann 2025. Deutschland sei nach wie vor der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine nach den USA, betonte Pistorius.

Rein geografisch sind Sachsen und Thüringen hunderte Kilometer von Kyjiw entfernt, doch die Ergebnisse der Landtagswahlen in den beiden Ost-Bundesländern am vergangenen Sonntag werfen Fragen auf. Haben doch sowohl die rechtsextremistische AfD als auch das Bündnis Sahra Wagenknecht den Krieg in der Ukraine zum Topthema im Wahlkampf gemacht – und offenbar auch damit in der Bevölkerung gepunktet. Tut sich dort ein Trend auf, der die deutschen Waffenhilfen für die Ukraine zunehmend in Frage stellt? Auch hier wiegelt Pistorius ab.

Die Ergebnisse dürften niemand gefallen, man rede aber von rund 10 Prozent der Wahlberechtigten bundesweit. Das Mehrheitsbild sei ein anderes und man arbeite daran, dass dies so bleibe. „Wir werden die Ukraine unterstützen, solange wie das notwendig ist. Wir tun das letztlich auch in unserem eigenen Interesse“, so Pistorius.

Waffen-Versprechen gebrochen

Selenskyj drängelt auch bei einem weiteren Punkt: Der Luftverteidigung. Vollmundig wurden Abwehrsysteme für die Ukraine versprochen, zuletzt beim Nato-Gipfel Mitte Juli in Washington. Der ukrainische Präsident spricht jedoch von einer beträchtlichen Anzahl an Luftabwehrsystemen, die bisher nicht geliefert wurden. Aus Deutschland kamen bisher 3 Patriot-Systeme, wie Pistorius am Freitag bestätigte. Aber der deutsche Verteidigungsminister ist ebenso wie Selenskyj enttäuscht, dass andere Staaten nicht nachziehen.

Aus Rumänien kam am Donnerstag die Bestätigung, ein weiteres Patriot-System zu liefern. Selenskyj appellierte erneut an die Verbündeten, Vereinbarungen zur Lieferung von Luftabwehrsystemen schnell umzusetzen. „Wenn Entscheidungen in Kraft treten, hat Russland keine Zeit diesen entgegenzuwirken.“ Es gehe nicht nur um den Schutz ukrainischer Städte und Gemeinden vor den Angriffen Russlands, um die Unterstützung der Sol­da­t:in­nen und die Widerstandsfähigkeit des Landes und seiner Bevölkerung. „Es geht um die Verteidigung einer Welt, die sich an Regeln und internationale Gesetze hält und nicht sich dem Wahnsinn der „Putins“ und ihrer Launen ergibt.“

Aber: Selenskyj steht mitnichten mit leeren Händen da. US-Präsident Joe Biden will weitere Hilfen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar genehmigen. Großbritannien sagte 650 Raketen zur Flugabwehr zu. Die Lightweight Multirole Missiles können von Land, See und aus der Luft abgefeuert werden und sollen Drohnen, gepanzerte Fahrzeuge als auch Angriffe von kleineren Schiffen abwehren. Mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron verhandelt Selenskyj über weitere Hilfen sowie die gemeinsame Produktion von Waffen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte humanitäre Hilfe in Höhe von rund 40 Millionen Euro an – für Strom, Heizung und Unterkünfte. Der Großteil soll in die Ukraine fließen, ein kleiner Teil nach Moldau gehen und dort ukrainischen Geflüchteten zugute kommen.

Selenskyj auf Werbetour

Viel Hoffnung liegt allerdings auf der Freigabe von knapp 50 Milliarden Euro. Das Geld soll aus eingefroren Zinserträgen russischer Vermögen im Ausland losgeeist werden. Beim G7-Gipfel in Italien einigten sich die Staaten darauf, die Voraussetzungen für die Freigabe zu schaffen. Die Verhandlungen laufen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs – und Pistorius gab sich am Freitag zuversichtlich, dass in den kommenden Monaten dieses Geld mobilisiert werden könnte.

Nach der politischen Sommerpause ist das Ramstein-Treffen der Auftakt für Selenskyjs Werbetour für weitere Hilfen für sein Land im Krieg. Nächster Stop ist Italien. Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte Systeme für die Luftverteidigung zugesagt. Selenskyj will weiter verhandeln.

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11 Kommentare

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  • Ukraine und die Energieversorgung, speziell mit Strom.



    Es wird wohl laufen, wie bei den Waffen - nur dass !vielleicht! nicht so viel westliches Missmanagement und Weigerung im Spiel sind.



    Denn das, was Russland immer wieder erfolgreich angreift und zerstört sind Leitungen und Umspannstationen. Beides braucht große Mengen Alu und vor allem: Kupfer für die Transistorenwicklungen.



    Bau von Großtransistoren kann Deutschland. Aber sie werden immer anforderungsspezifisch individuell geplant und gebaut. Das dauert auch im "Normalbetrieb" Jahre. Vom Transport ganz zu schweigen.



    Groß-Transistoren halten normalerweise ewig. Entsprechend gering sind die Produktionskapazitäten. Ein ganzes Land praktisch neu auszustatten, dass könnte -ratet mal- allenfalls China. oooops.



    Und deshalb wirds auf viele kleinere weniger effiziente Aggregate hinauslaufen, die auch einfacher zu schützen und schwieriger zu treffen sind. Das hat aber einen Entscheidungszwang: wo zuerst , wo später. Nicht schön.

  • Die Ukraine verteidigt seit zweieinhalb Jahren die internationalen Gesetze. Sie behandelt ihre Gefangen ordentlich, führt keinen Terror gegen die Zivilbevölkerung, manipuliert keine Öffentlichkeiten mittels faschistoider Trollarmeen und groß angelegter Desinformationskampagnen. - Der Terror kommt aus militärischen Einrichtungen in Russland und solange diese hinter der Atomkriegsdrohung unangreifbar scheinen ist ein Ende des Krieges nicht in Sicht.

    • @Paule :

      Die Ukraine verteidigt vor allem sich selbst.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        so wie die Briten damals vor allem sich selbst verteidigt haben. Aber dass da mehr verteidigt wird, als nur die territoriale der Integrität der Ukraine, kann schon allein deshalb nicht bezweifelt werden, WEIL sich viele westliche Länder so bedroht sehen, dass sie jede Menge Geld bereit stellen und eine Vielzahl von Waffen tatsächlich liefern. Das haben sie bei den 3 Putin'schen Raubkriegen zuvor nicht getan.

  • Militärisch wie politisch zeichnet dich die Niederlage der Ukraine ab. Innenpolitisch kämpft man mit Korruption und wechselt hektisch die Führungskräfte . Miltärisch hst der Vorstoß bei Kursk nichts genracht, Putins Truppen marschieren weiter im Donbas vor..die Abspaltung der Region ist Fakt.



    Putin zerstört ungehindert die Infrastruktur der Ukraine. Selenskyj wird die bevorstehende Niederlage politisch nicht überleben. Ein Sieg ist Illusion, ein patt nicht zu erwarten, die Zerstörung der Lebensfähihkeit der Ukraine schreitet mit jedem Tag Krieg weiter voran.

    • @Philippe Ressing:

      "Selenskyj wird die bevorstehende Niederlage politisch nicht überleben."



      Falls es zu einer Niederlage kommt, braucht er sich um seine _politische_ Zukunft keine Gedanken mehr zu machen. Er sollte sich dann eher vor offenen Fenstern und Teetassen in Acht nehmen.

      ...was reden Sie da überhaupt von einer politischen Zukunft in der Ukraine bei einer Niederlage? Es gibt dann keine ukrainische Politik mehr!

    • @Philippe Ressing:

      "...zerstört ungehindert..." ist eine groteske Übertreibung. Es wird zuviel zerstört, aber noch weit mehr Angriffe werden abgewehrt.

  • Und wie soll der Krieg enden?

    • @Verboten:

      Die Ukraine zerstört Russlands militärische Reserven und die Kosten des Krieges fressen Russlands wirtschaftliche Reserven auf, dann kann Russland den Krieg nicht weiterführen und und muss sich zurückziehen.

    • @Verboten:

      Selenskyj will noch diesen Monat in Washington eine fünfteiligen "Siegesplan vorlegen 😉

  • Zum Thema Luftverteidigung ist noch zu ergänzen, dass Deutschland weitere 2 Iris T Abwehrsysteme in diesem Jahr liefern wird.