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Putins Rede zur „Lage der Nation“Der große Manipulator

Kommentar von Inna Hartwich

Putin wiederholt sich: leeren Versprechungen ans Volk und immergleiche Drohungen gen West. Er wirkt hilflos.

Live-Übertragung der Rede von Präsident Wladimir Putin vor der Bundesversammlung in einem Kino in St. Petersburg Foto: Artem Priakhin/SOPA Images/imago

W ladimir Putin gefällt sich in der Rolle des großen Manipulators. Er weiß genau, wie er die Stimmung im Westen für seine Zwecke nutzen kann – wie in seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation. Seine Sätze von der „Zerstörung der Zivilisation“ durch Atomwaffen lassen einen kalten Schauder zurück. Natürlich sei Russland friedliebend und setze diese nur ein, wenn es angegriffen werde. So weit, so bekannt, so manipulativ.

Ein Mann, der durch seinen in der Ukraine entfesselten Krieg Millionen von Familien das gemeinsame Leben nimmt und der Welt die Sicherheit, erklärt in seiner Rede allen Ernstes, Russland wähle immer das Leben und handle im Interesse seiner Bürger. Wie es um dieses Leben dieser Bürger steht, die seit zwei Jahren Krieg gegen ihren Nachbarn führen, bespricht er nicht.

Stattdessen malt er lieber ein blühendes Russland im Jahr 2030 aus, wenn seine fünfte Amtszeit beendet sein wird. Eine Amtszeit, in der er mehr als je zuvor auf Angst und Repression setzt.

„Wir sind eine große Familie“, ruft er hinaus, und jeder im Land versteht, was zu tun ist, um zu dieser Familie zu gehören: nicht aufmucken, keine Kritik üben, alles schlucken, was der Kreml und seine Pro­pa­gan­dis­t*in­nen als Wahrheit präsentieren. Alle anderen sind Ausgestoßene, „Verräter“, wie Putin sie nennt. In seinem Kampf, in dem er seinem Land „alles für den Sieg“ abringt, mäht er alles ab, was ihn stört.

Putins einzige Sprache ist monströse Gewalt

Zwischen seinen räuspernd vorgetragenen Wahlgeschenken und Atomdrohungen wirkt der 71-Jährige wie ein trotziges kleines Kind, das laut stampfend um Aufmerksamkeit buhlt. „Ich, ich, ich werde gewinnen“, scheint er immer lauter zu brüllen. Weil ihn jedoch kaum jemand wahrzunehmen scheint, greift er wild um sich. Seine einzige Sprache ist monströse Gewalt.

In seinem eigenen Land hat er damit nahezu alles unter Kontrolle gebracht – und ist dennoch nervös. Der Westen muss eine Strategie finden, seiner eigenen Nervosität Herr zu werden und sich von Putins hilflosen Drohungen nicht verunsichern zu lassen.

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18 Kommentare

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  • Putin unterscheidet sich in seinem Charakter wie auch seinen politischen Ansichten nicht groß von Gerhard Schröder, mit dem er ja nicht ohne Grund bestens befreundet ist. Beide sind für völkerrechtswidrige Angriffskriege verantwortlich. Der Unterschied ist nur das jeweilige Umfeld, in dem sie regieren bzw. regiert haben.

  • So lange er genug Büttel hat, welche Andersdenkende niederknüppeln, ist er nicht hilflos.

  • "Putin wiederholt sich: leeren Versprechungen ans Volk und immergleiche Drohungen gen West. Er wirkt hilflos."



    Kann ich so nicht finden. Einfallslos ja, aber nicht hilflos. Warum eine Taktik ändern, die im Großen und Ganzen funktioniert? Hilflos agieren - das ist eher des Westens Angelegenheit. Leider.

    • @Encantado:

      Hilflos in dem Sinne, dass er offenbar unfähig ist, andere Optionen in Erwägung zu ziehen.

  • Also, das finde ich jetzt wirklich sehr einfach konstruiert. Diese Psychologisierung ist doch albern. Putin hat den Krieg nicht alleine losgetreten, sondern hat einen Stab und ein Netzwerk an Leuten, die ihn dabei unterstützt haben und dies auch weiter tun - Politiker*innen, Generäle etc.. Und das in einer Rede zur "Lage der Nation" alte Propagandaweisheiten wiedergekäut werden, ist weder neu, noch überraschend, noch das Verhalten eines "trotzigen Kindes".

    • @Agarack:

      Der Stab und das Netzwerk an Leuten sind von Putin handverlesen. Dass die ihn unterstützen, ist ja sonnenklar - andernfalls gibt's was in die Unterhose.



      So regiert Angst bzw. so regieren Angsthasen. Um Putin zu verstehen, muss man die Psychologie heranziehen. Das irrationale Verhalten, der Verfolgungswahn (ich sage nur "weisser Tisch") gepaart mit dem Beharren auf geschichtlich Überholtem, und Behauptungen, die so dämlich sind, dass man sie gar nicht mehr Lügen nennen mag - "Polen hat den zweiten Weltkrieg angezettelt", da hatte Hitler wohl doch recht mit seinem “Ab 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!” - das ist so jenseits von jeder Realität, dass ein bisschen psychologisches Nachbohren, in welcher Realität er denn lebt, absolut gerechtfertigt ist.



      Der Mann, der bereit ist, für seine Wahnvorstellungen die Welt zu zerstören, dem mit Ratio und Fakten zu kommen, heisst, sich selbst ins Knie schiessen. Dem kann man nur mit psychologischen Tricks kommen. Trump hat auch alles unterschrieben, wenn er nur auf dem längsten roten Teppich der Weltgeschichte enpfangen wurde. Putin ist ein Mensch mit ebenso deutlichen Fehlern. Die nicht auszunutzen, wo er doch unsere Fehler so intensiv nutzt (durch Trollfabriken, die ihm hierzulande Unterstützung verschaffen z.B.), ist nicht zielführend.Toleranz gegenüber den Intoleranten führt zur eigenen Niederlage.

  • Von Drohung mit Atomwaffen kann keine Rede sein. Als Joschka Fischer noch Außenminister war, regte er pflichtschuldig gemäß Parteiprogramm in der NATO an, auf den Erstschlag zu verzichten. Man wolle dies prüfen hieß es damals. Heute fordert er die Bombe auch für Deutschland. Ein müder Putin hat nur darauf hingewiesen, gegen die NATO würde es keine Selbstverpflichtung geben, darauf zu verzichten. Bedrohlicher war eher, die Х-47М2 Кинжал wäre endlich einsatzbereit. Das wiederum kann man als Drohung verstehen. Dabei bleibt uns Scholz ja schuldig zu sagen, welche nuklear-Option es für den Taurus KEPD-350 gibt.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @mdarge:

      ""Bedrohlicher war eher, die Х-47М2 Кинжал wäre endlich einsatzbereit.""



      ==



      Vorsicht bei der kritiklosen Übernahme russischer Fake news Propaganda. Die Х-47М2 Кинжал, wurde als Hyperschallrakete als unstoppbar angepriesen.

      Gleichzeitig gaben die Streitkräfte der Ukraine trotz dieser Aussagen von Vertretern der Russischen Föderation während des Krieges Russlands gegen die Ukraine beim Abfangen des Patriot-Luftverteidigungssystems über Kiew folgendes bekannt:

      Laut einem der Patriot-Betreiber betrug die Geschwindigkeit des am 4. Mai 2023 am Endabschnitt der Kinzhal-Flugbahn abgefangenen Fluggeräts 1240 m/s dreimal niedriger als die von Vertretern der Russischen Föderation angegebenen.

      Wenn also die mafiöse Führungsriege in Russland heisse Luft verbreitet verbietet es sich auf dieser Grundlage zu spekulieren.



      ===



      ""Dabei bleibt uns Scholz ja schuldig zu sagen, welche nuklear-Option es für den Taurus KEPD-350 gibt.""

      ==

      Die 2 + 4 Verträge und der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) sind völkerrechtlich verpflichtent für die Bundesrepublik, keine Kontrolle über eigene Atomwaffen zu erlangen.

      Diese passgenaue Antwort könnten sie in 5 Minuten selbst heraus finden - dazu braucht es keinen Bundeskanzler.

      Was sie unterstellen ist hanebüchen, schädlich und einzig und allein dafür gegeignet heisse Luft zu produzieren um sachliche Diskussionen zu verhindern.



      ===

      ""Taurus KEPD-350""



      ==



      ist ein Marschflugkörper der in höchstem Masse für die Ukraine geeignet ist stark befestigte militärische Positionen Putins in der Ukraine und militärische Nachschubwege derjenigen nachhaltig zu zerstören, die eine Vernichtung der Ukraine planen.

      Wenn also eine Waffe wie die Taurus KEPD-350 hervorragend geeignet ist die todbringenden imperialistischen Gelüste Putins spürbar zu dimmen um das Überleben der Ukrainer sehr viel besser zu ermöglichen könnten sie eigentlich nur noch zustimmen.

  • Wahnsinnige können auch zu Wahnsinnstaten neigen, incl. Akzeptanz des eigenen Todes.

    • @dator:

      Und deshalb muss man sie machen lassen was sie wollen?

      Oder was möchten Sie mit Ihrem Kommentar sagen?

      • @Gnutellabrot Merz:

        Ich denke nicht dass ich da irgendwas erläutern muss. Wer lesen kann.....

  • Putin ist ein ängstlicher Mensch und daher besteht die Gefahr, dass er eines Tages Opfer seiner eigenen Paranoia wird. Es ist auch immer wieder interessant, wenn er Einblicke in sein Weltbild gibt, indem er beispielsweise den Krieg in der Ukraine als innerrussische Angelegenheit bezeichnet und sich eine Einmischung verbietet. Und spätestens dann, wenn er erklärt, Russland suche nicht den Konflikt mit Europa, sollten in den europäischen Hauptstädten die Alarmglocken läuten.

    So ein Mensch wird sich auch durch noch so viele Waffenlieferungen an die Ukraine nicht stoppen lassen und schon gar nicht verhandeln. Und auch die Drohungen über den Einsatz von Atomwaffen sollten sehr ernst genommen werden. Je mehr das russische Militär geschwächt wird, desto wahrscheinlicher ist zumindest der Einsatz von taktischen Atomwaffen.

    Mehr Waffenlieferungen des Westens werden den Krieg zwar verlängern, aber wohl nicht zu einer Entscheidung zu gunsten der Ukraine führen. Und Europa wird sich entscheiden müssen. Akzeptiert man, das Russlands "Expansionsdrang" wahrscheinlich auch nicht vor Moldau und Georgien haltmachen wird und setzt dann die Prioritäten auf Sicherung der Nato Grenzen und den Ausbau der eigenen Wehrfähigkeit oder hält man dagegen, notfalls auch mit einer militärischen Intervention.

    Fakt ist auch, dass Putin zwar ein Lügner und Manipulator ist, besonders in Bezug auf Sachverhalte, aber in der Sache hat er auf seine Ankündigungen stets Taten folgen lassen. Das war in Syrien und Tschetschenien so, bei der Annektion der Krim und ebenso im Ukrainekrieg und wird in Transnistrien nicht anders sein. Bedeutet nichts anderes, als das er auf seine Drohungen, wenn nötig, auch Taten folgen lässt.

    • @Sam Spade:

      Nur in Bezug auf vermeintlich schwächere Gegner. Deshalb schielt er auch ständig auf die USA, weil er weiß dass er da in allen Belangen den kürzeren zieht. Die Unterstützung der Ukraine war bisher halt halbherzig und zu langsam womit die Ukraine ausblutet.

    • @Sam Spade:

      Putins Gesicht würd ich gerne sehen, wenn Deutschland in Ostpreussen einmarschiert und sich russische Einmischung verbietet, weil dies eine innerdeutsche Angelegenheit sei.



      Aber ich will niemanden auf dumme Gedanken bringen, bitte schnell wieder vergessen.

  • Putin ist gescheitert und er weiß das.

    Drohungen mit Nuklearwaffen zu reagieren zeigen die Spannungen in denen sich das Regime bewegt. Westliche Waffen sind den seinigen überlegen.



    Was bleibt wäre der Einsatz taktischer Nuklearwaffen. Genau das ist es, was der Kanzler vermeiden will. Die Taktik der politischen Erschöpfung ware mit der Rebellion Prigoschins fast aufgegangen.



    Den Diktator zu stark auf die Pelle zu rücken könnte durchaus in eine Kurzschlussrektion eskalieren.

    • @Thomas Rausch:

      Wäre das eine imagnierte kluge Strategie des Kanzlerschlumpfs, müsste dieser aber wenigstens für eine ausreichende Versorgung der Ukraine mit Munition und Flugabwehr sorgen, statt sich dauernd auf die Schulter zu klopfen wie toll viel schon geleistet wurde.



      sonst spielt sich die Erschöpfung nämlich bald auf Seiten der Ukraine ab.

  • "Wir sind eine große Familie", und wer da nicht mitzieht, bekommt von Papa eine gewaltige Tracht Prügel verpasst ...

  • "'Ich, ich, ich werde gewinnen', scheint er immer lauter zu brüllen. Weil ihn jedoch kaum jemand wahrzunehmen scheint, greift er wild um sich. Seine einzige Sprache ist monströse Gewalt.

    In seinem eigenen Land hat er damit nahezu alles unter Kontrolle gebracht – und ist dennoch nervös. Der Westen muss eine Strategie finden, seiner eigenen Nervosität Herr zu werden und sich von Putins hilflosen Drohungen nicht verunsichern zu lassen."

    Wladimir hat vermutlich mehr Angst als Olaf, allerdings weniger vor Waffen, sondern vielmehr vor der Demokratie. Die ist ihm in Gestalt der Ukraine auf die Pelle gerückt, und nach zwei Jahren Krieg merkt er vermutlich, dass er dieses 'Virus' langfristig nicht mehr los wird. Egal was in der Ukraine in absehbarer Zeit passiert – er wird den Wunsch nach Freiheit nicht ausrotten können.

    Was tun? Natürlich darf Olaf Angst haben. Er ist ja auch nur ein Mensch. Aber in seiner Funktion darf er nicht so kommunizieren, dass das sogar Wladimir merkt. Also nicht 'Russland darf nicht gewinnen und die Ukraine darf nicht verlieren', sondern 'die Ukraine muss gewinnen und Russland muss verlieren (zumindest den Angriffskrieg in der Ukraine)'. Und das kommuniziert man am besten (gemeinschaftlich!) in einer Sprache, die ein Gopnik wie Wladimir auch versteht.