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Putins Rede zur Lage der NationAlles für den Krieg

Kommentar von Inna Hartwich

Der russische Präsident signalisiert Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen. Sterben fürs Vaterland – das ist die Ideologie des Kreml.

Wladimir Putin während seiner Rede zur Lage der Nation Foto: Pavel Bednyakov/reuters

A ls Russland vor einem Jahr mit der Anerkennung der separatistischen „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk das Präludium für seinen nur drei Tage später begonnenen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine lieferte, zeigte dies, dass es aus der zivilisierten Welt aussteigt. Allen Verlusten zum Trotz. Die Invasion – als „Verteidigung eigener Interessen“ verpackt – war der letzte Bruch Moskaus mit dem Westen. Das Vertrauen ist auf lange Zeit zerstört, etliche Verträge sind gebrochen.

Dass nun auch der letzte in einer Reihe von einst sowjetisch-amerikanischen und später russisch-amerikanischen Verträgen zur Rüstungskontrolle, der überhaupt noch in Kraft war, auf Eis gelegt werden soll, signalisiert die Bereitschaft Putins, in seinem Kampf gegen den Westen bis zum Äußersten zu gehen. Es ist der Kampf eines Besessenen. Eines, der seine Hand nicht zum Frieden reicht, sondern seine „Wahrheit“ im „Sieg“ gegen den Westen sieht. Dafür baut er sein Land um – alles im Namen des Krieges.

Selbst wenn er den New-Start-Vertrag nicht aufkündigt, so bedeutet das Aussetzen der Verpflichtungen einen schweren Schlag für die strategische Sicherheit der Welt. Die einzige Schuld an den katastrophalen Beziehungen zum Westen sieht Putin allein im Handeln der anderen. Russland dagegen stehe auf der Seite des Guten, so ruft er seinem Volk zu. Er predigt „echten Patriotismus“ und übergeht, wie die Gesellschaft von innen verrottet. Die Ukraine als Land spielt in Putins Obsession eine untergeordnete Rolle.

In seinen Augen ist sie lediglich „russisches Territorium“, von „Geiseln“ bewohnt und vom Westen „okkupiert“. Es sind krude Überzeugungen, an die Millionen von Rus­s*in­nen glauben und für die Millionen russischer Männer – zum Hinterfragen kaum bereit – in den Tod ziehen. Der Kreml hat den Tod fürs Vaterland zur Ideologie gemacht. Er wird sich nicht davon lösen. Putins Rede lässt einmal mehr einen langen Krieg erwarten. Der gekränkte Präsident hat den Menschen im Land kaum mehr anzubieten als Prothesen für die Kriegsversehrten.

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12 Kommentare

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  • Putin hatte die „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk schon damals nicht in der tatsächlich "separatistisch" kontrollierten Größe anerkannt,sondern mit der Gesamtgröße der ukrainischen Kreise (Oblast), die rund zur Hälfte unter Kontrolle der ukrainischen Regierung standen. Bereits dies kam einer Kriegserlärung nahe.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    "Sterben für's Vaterland."



    Putin tut sich leicht.



    Er meint ja nicht sich.



    Er meint die "Kinder Russlands", die sterben sollen.



    Und deren Eltern, Frauen, Kinder Brüder, Schwestern Großeltern, die dieses Sterben, die vielfältigen Verletzungen und die psychischen Folgen des Krieges ertragen sollen.



    Für seine Paranoia.



    Für seine Großmachtsphantasien und für seine Großmannssucht.



    Für sein krankes Ego.



    Wie viele sind es schon!



    Und es werden noch viel mehr werden, wenn die russische Gesellschaft, das russische Volk oder der kleine Rest der ansändigen Nomenklatura es nicht schafft, diesen Mann endlich aufzuhalten.



    Das Ausland wird es nicht schaffen.



    Und die russischen Opfer sind ihm egal, wie er inzwischen ausreichend bewiesen hat.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Im Zweifel sind es ja weniger die ethnisch russischen Soldaten, die sterben, sondern die häufiger eingezogenen Minderheiten. Gleichzeitig senkt er die Kosten im Strafvollzug.

  • „Sterben fürs Vaterland – das ist die Ideologie des Kreml“

    Mag sein. Die Praxis freilich, zeigt eine andere Lesart: Sterben für verbrecherisches Landgewinnungsstreben und Führergrössenwahn.

    PS: Und wann wird dieses Lied www.youtube.com/watch?v=1q-Ga3myTP4 endlich auf Russisch vertont und unter’s russische Volk gebracht?

    • @Ardaga:

      Ein wirklich schönes Lied - sollte aber net nur auf russisch übersetzt werden, sondern auf alle möglichen Sprachen. Auch hierzulande gibt es ja leider wieder Irre, die sich die Wehrpflicht zurück wünschen.



      Um das Lied zu zitieren: "Ich habe sie Erbarmen und Vergeben, und wo immer es ging lieben gelehrt. Nun werdet ihr sie nicht mit Hass verderben. Kein Ziel und keine Ehre, keine Pflicht sinds wert dafür zu töten und zu sterben"

  • Kann man mit so einem verhandeln, Frau Wagenknecht?

  • Nun, das ist kaum verwunderlich, wenn man das Mindset der russischen Elite versteht, sie werden niemals aufgeben, weil sie die Ukraine in der NATO als absolute Bedrohung ansehen. Das sage nicht ich oder Putin (auch wenn dieser das auch schon oft sagte, lange vor 2014).



    Bernie Sanders zitiert hier William Burns, damals Botschafter, heute CIA-Direktor. Also kaum ein Putin-Propagandist.



    Over 10 years later, in 2008, Burns wrote in a memo to Secretary of



    State Condoleezza Rice:

    Ukrainian entry into NATO is the brightest of all redlines



    for the Russian elite (not just Putin). In more than two and



    a half years of conversations with key Russian players . . .



    I have yet to find anyone who views Ukraine in NATO as



    anything other than a direct challenge to Russian interests.

    So viel zum Thema "den Preis hochtreiben, um die Russen zum Kriegsende zu bewegen". Wird nicht funktionieren.

    • @Kartöfellchen:

      Wegen Krimannexion und dem unbefriedeten Konflikt mit den 'Volksrepubliken' wäre ein NATO-Beitritt der Ukraine vor der Invasion allerdings noch auf sehr lange Zeit ausgeschlossen gewesen. Ebenso hätten Schweden und Finnland auf absehbare Zeit kein Interesse gehabt dem Bündnis beizutreten. Wäre es Putin um die NATO gegangen, hätte er also einfach nur gar nichts tun müssen. Worum es ihm wirklich geht hat er uA in "Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern" dargelegt und zwar mit Argumenten die ähnlich stringent und überzeugend sind wie die wirren Theorien hiesiger Reichsbürger.

    • @Kartöfellchen:

      Dafür hätte Russland die Ukraine nicht überfallen müssen. Solange die Ukraine einen Konflikt mit Russland hatte wäre sie nicht in die NATO gekommen. Russland redet von Sicherheitsinteressen meint aber Imperialismus. Die NATO selbst in der Ukraine stellt keine Bedrohung für Russland da. Das Minset der russischen Elite ist ein imperialistisches. Heute ist ein NATO Beitritt der Ukraine nur eine Frage der Zeit, vor dem Krieg war er nahezu ausgeschlossen. Die NATO rüstet massiv, Russland blutet massiv aus. Wenn es Russland um Sicherheit geht dann ist dieser Krieg eine massive Niederlage. Vorallem wenn es um Sicherheit geht war die Annexion der 4 Oblaste eine massive Dummheit. Weil jetzt außer ihnen nur noch wenige glauben das es Russland um etwas anderes geht als Imperialismus.

      • @Machiavelli:

        Was @Kartöffelchen schreibt, hat in einem Punkt schon was Wahres: Russland HAT nunmal jetzt die Ukraine angegriffen und damit eine Nachkriegslösung, in der die Ukraine ohne Nato-Mitgliedschaft (oder ihr mehr oder minder gleichwertige Sicherheitsgarantien des Westens) dasteht, nahezu unmöglich gemacht. Das erhöht im Zweifel die Reizschwelle, wie schlimm es im Feld erst einmal für die Russen kommen muss, bevor sie bereit sind, über so eine Lösung zu verhandeln.

        Wenn man sich zwischen Scylla und Charybdis wähnt, ist es relativ egal, ob man sich da selbst hinmanövriert hat. Man nimmt einfach das vermeintlich kleinere Übel, und das könnte hier eine noch längere Kriegsdauer sein.

        • @Normalo:

          Vermutlich, ich dachte ursprünglich wenn 100.000 Tote und Verwundete erreicht sei würde Putin es lassen, inzwischen denke ich nur wenn seine Truppen auf der Krim abgeschnitten werden und die Ukraine klar auf der Siegerstraße ist wird er ernsthaft verhandeln.

  • Leider gibt es auch genug Leute in diesem Lande, welchem dem Narrativ des faschistischen Regimes im Kreml auf den Leim gehen. Spätestens nach der Rede heute, sollte auch den Habermas, Wagenknechts, Weidels, oder Schwarzers bewusst sein, dass Russland kein Interesse an Frieden hat, außer es ist ein Diktatfrieden zu seinen Konditionen.



    Wohin der totale Krieg Russland führen wird, werden wir wohl bald sehen, wenn die russ. Armee in der Ukraine endgültig auf den Schnabel fällt. Einfach nur stumpf Menschenmaterial in die Schlacht werfen wie im 19. Jhd. entscheidet heutzutage keine Kriege mehr.