Provokation auf dem Tempelberg: Spiel mit dem Feuer
Kaum eine Woche im Amt, besucht Israels radikaler Minister Ben-Gvir den umstrittenen Tempelberg. Eine Eskalation nimmt er damit billigend in Kauf.
![Israels neuer Minister für Nationale Sicherheit Ben-Gvir Israels neuer Minister für Nationale Sicherheit Ben-Gvir](https://taz.de/picture/6010510/14/31506350-1.jpeg)
W er noch Hoffnung hatte, dass sich der radikale Siedlerführer Itamar Ben-Gvir als Minister zahmer geben würde, musste enttäuscht werden. Der wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung mehrfach verurteilte neue Chef im Ministerium für nationale Sicherheit setzt auf Eskalation: Nichts konnte diese Haltung klarer demonstrieren als der Besuch auf dem Tempelberg knapp eine Woche nach Amtsantritt.
Natürlich ist sich Ben-Gvir der Brisanz des Tempelbergs bewusst. Im September 2000 entzündete sich die zweite Intifada, als der damalige Oppositionsführers Ariel Scharon in Begleitung eines riesigen Sicherheitsaufgebots den Tempelberg besuchte. Und auch für den Krieg im Mai 2020 spielte der Tempelberg eine zentrale Rolle. Schon damals war Ben-Gvir an der Eskalation beteiligt.
Regierungschef Benjamin Netanjahu gilt nun als der Moderate dieser Regierung. Dass er Ben-Gvir nicht von seinem Besuch abgehalten hat, zeigt, wie wenig Netanjahu seine ultrarechten Koalitionspartner derzeit bremsen kann oder will. In den wenigen Tagen seit der Vereidigung der Regierung hat der ohnehin rechte Regierungsdiskurs einen weiteren großen Sprung nach weit rechts außen gemacht.
Die erste Klausel der gemeinsamen Koalitionsvereinbarung schreibt das „exklusive Recht auf alle Teile des Landes“ fest – inklusive der Gebiete „Judäa und Samaria“. Judäa und Samaria sind die von der israelischen Rechten verwendeten biblischen Bezeichnungen für das palästinensische Westjordanland.
Bahn frei für die Annexion
Am vergangenen Freitag forderte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Internationalen Gerichtshof auf, sich mit dem rechtlichen Status der Besatzung zu befassen. Netanjahu kommentierte unmittelbar, dass das jüdische Volk kein „Besatzer in seinem eigenen Land“ sein kann. Selbst für ein feigenblattartiges Bekenntnis zu einer Zweistaatenlösung ist damit kein Platz mehr. Diskursiv wäre der Weg für eine Annexion des Westjordanlandes oder wenigstens Teilen vom palästinensischen Gebiet geebnet.
Die aktuelle Lage ist denkbar fragil. Das vergangene Jahr 2022 war das blutigste seit der zweiten Intifada. Die palästinensische Autonomiebehörde steht möglicherweise kurz vor dem Zusammenbruch. Dazu kommen Sofortmaßnahmen der neuen Regierung, wie die angekündigte Zwangsräumung von über 1.000 Palästinenser*innen in Massafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordanland.
Sorge, dass eine unkontrollierte Horde von Rechtsextremen mit ihrer Expansionspolitik die Lunte zu einem Pulverfass anzünden, ist durchaus angebracht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten