Regierungskrise in Israel: Netanjahu entlässt Innenminister

Der israelische Ministerpräsident beugt sich dem Obersten Gericht und enthebt Arjeh Deri des Amtes. In Tel Aviv demonstrieren Zehntausende gegen die Justizreform.

Israelis protestieren in Tel Aviv gegen die Regierung.

Gegen die Justizreform gingen Zehntausende Israelis auf die Straße Foto: Corinna Kern/rtr

TEL AVIV ap/dpa | Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich dem Obersten Gericht gefügt und seinen Innenminister Arjeh Deri entlassen. Er enthebe ihn schweren Herzens und mit großem Bedauern seines Amtes, sagte Netanjahu am Sonntag zu Deri, dem Vorsitzenden der ultraorthodoxen Schas-Partei. „Diese unselige Entscheidung ignoriert den Willen des Volkes“, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros. „Ich beabsichtige, jeden legalen Weg zu finden, damit Sie weiterhin einen Beitrag zum Staat Israel leisten können.“ Deri sagte, er werde Parteichef bleiben und das Programm der Regierung weiter unterstützen.

Das Oberste Gericht hatte am Mittwoch entschieden, dass Deri nicht für ein Ministeramt geeignet sei, weil er im vergangenen Jahr wegen Steuervergehen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Gleichzeitig diskutiert Israel hitzig über Pläne der neuen Regierung für eine Justizreform. Danach soll das Parlament Gerichtsentscheidungen überstimmen können. Das Gericht soll auch nicht mehr darüber urteilen dürfen, ob Regierungsentscheidungen angemessen und vernünftig sind. Kritiker sehen darin den Versuch, das Oberste Gericht zu schwächen. Vertreter der Koalition sind dagegen der Meinung, das Gericht sei nicht demokratisch gewählt und zu mächtig.

Deris Entlassung dürfte die am weitesten rechts stehende Koalition in der Geschichte Israels erschüttern. Einige Schas-Abgeordnete hatten nach dem Gerichtsurteil gedroht, das Bündnis zu verlassen. Am Sonntag wurde jedoch erwartet, dass die Koalition überleben und schnell Gesetze auf den Weg bringen wird, die Deri den Weg zurück ins Kabinett ebnen. Fürs Erste wurde damit gerechnet, dass Netanjahu zumindest vorläufig einen anderen Schas-Vertreter zum Innenminister ernennt.

Demonstration gegen die Justizreform

Mehr als hunderttausend Menschen hatten zuvor in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu demonstriert. Der bisher größte Protest gegen die Ende Dezember vereidigte rechtsreligiöse Koalition richtete sich vor allem gegen deren Pläne, die Kritiker als gezielte Schwächung des Justizsystems betrachten.

Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich den dritten Samstagabend in Folge an mehreren Orten im Zentrum Tel Avivs. Dabei schwenkten sie unter anderem israelische Flaggen. Auf Plakaten war zu lesen „Stoppt das Ende der Demokratie“, auch Bilder Netanjahus waren zu sehen mit dem Schriftzug „Verbrecher“.

Der israelische Schriftsteller und Friedensaktivist David Grossman sprach auf der Demonstration von einem „großen Erwachen“ der Öffentlichkeit in Israel, dem „Beginn der Rückkehr aus der lähmenden inneren Emigration“. Mit Blick auf die umstrittene Justizreform verglich er das Land mit einem Haus, das in Flammen steht. „Ich weigere mich, Heimatloser im eigenen Land zu sein“, sagte Grossman.

Der liberale frühere Ministerpräsident Jair Lapid nahm ebenfalls an der Kundgebung teil. Auch in den Städten Jerusalem, Haifa und Beerscheba gingen Tausende Menschen auf die Straßen.

Sie protestierten vor allem gegen höchst umstrittene Pläne des Justizministers Jariv Levin. Eine Mehrheit im Parlament soll demnach ein Gesetz verabschieden können, auch wenn es nach Ansicht des höchsten Gerichts gegen das Grundgesetz verstößt. Levin will außerdem die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern. Die tiefgreifenden Veränderungen könnten Netanjahu auch bei einem laufenden Korruptionsprozess gegen ihn in die Hände spielen.

Befürworter der geplanten Justizreform fühlen sich durch das Urteil gegen Deri bestätigt. Sie werfen dem Obersten Gericht seit Jahren eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor.

Die Richter begründeten ihr Urteil mit der wiederholten Verurteilung Deris. Zudem führten sie an, dass er im vergangenen Jahr bei einem Verfahren wegen Steuervergehen vor Gericht versichert habe, er werde sich aus der Politik zurückziehen. Deri selbst streitet dies ab.

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