Protestbewegung gegen Umweltschutz: Bauernführer redet rechtsradikal
Weil sein Opa bei der Waffen-SS war, spreche er Klartext, sagt ein bekannter Vertreter der Agrarproteste. Dazu Ausländerfeindlichkeit, Klimaskepsis.
„Land schafft Verbindung Deutschland“ ist aus der Bauernprotestbewegung hervorgegangen, die 2019/2020 mehrere Tausend LandwirtInnen zu Treckerdemos etwa in Berlin gegen Umweltauflagen mobilisierte. Lee trat zum Beispiel im „ARD-Morgenmagazin“ und im Spiegel als Sprecher von Bauernprotesten auf.
Ausdrücklich im Zusammenhang „mit Migrationsgeschichten“ sagte der Landwirt, der früher Polizist war, 2008 habe es bei der Berliner Polizei eine Anordnung gegeben, dass „2 Polizistinnen nicht allein Streife fahren dürfen“. Im Gespräch mit der taz ergänzte er, es sei traurig, dass zum Beispiel im migrantisch geprägten Stadtteil Wedding zwei Polizistinnen „nicht allein Streife fahren können, weil sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden“. Eine Sprecherin der Behörde sagte jedoch der taz: „Diese Regelung gibt es bei der Polizei Berlin nicht.“
Mehrmals lobte Lee Ungarns rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der zusehends Presse und Justiz unter seine Kontrolle bringt. „Glücklicherweise haben wir Menschen wie Viktor Orbán, die sagen: ‚Nein‘ zu Vorschlägen der EU-Kommission, den Anteil der Biolandwirtschaft stark zu erhöhen.“ Orbán würde der EU „’nen Vogel zeigen“, wenn Ungarn wie derzeit Deutschland wegen der Belastung des Grundwassers mit Dünger Strafzahlungen von mehr als 800.000 Euro täglich drohten.
Klimawandel nicht vom Menschen verursacht?
Zudem stellte der Bauernführer die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel infrage. „Wie weit der menschengemacht ist, ja, darüber kann man ja streiten“, wiederholte er eine Behauptung etwa des damaligen AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland von 2019. Klimawandel habe es schon immer gegeben, so Lee. 99 Prozent der Wissenschaftler, die Fachaufsätze zum Klimaschutz veröffentlichen, sind laut Bundesregierung der Überzeugung, dass die derzeit beobachtete Erderwärmung durch den Menschen verursacht ist. Der Weltklimarat hat in seinem letzten Bericht festgestellt, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen eindeutig die Ursache für die bisherige und die weitere Erwärmung des Klimasystems seien.
Politikern und Umweltschützern unterstellte Lee pauschal Unwissenheit, was Landwirtschaft angeht. „Das Fachwissen erwarte ich nicht unbedingt von einem Minister. Aber von einem Staatssekretär oder aber aus dem Hause schon.“ Ludwig Theuvsen, Staatssekretär der niedersächsischen Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), spreche zum Thema Düngeverordnung aber wie ein Umweltpolitiker, nach Lees Meinung also ahnungslos. Theuvsen war jahrelang Professor für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness an der Universität Göttingen.
Umweltministerin Schulze „dumm wie Brot“
Lee beschimpfte auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD): „Frau Schulze ist dumm wie Brot. Die hat keine Ahnung. Aber davon hat sie eine ganze Menge.“ Ähnlich schmähte er die Klimajugendbewegung Fridays for Future: „Die können, glaube ich, noch nicht einmal ein Weizenkorn von einer Banane unterscheiden. Es gab noch nie eine Jugend, die so satt war und nur fordert.“
Im nächsten Atemzug suggerierte Lee, vegetarische Lebensmittel seien klimaschädlicher als tierische. „Was meinen Sie, was diese Produkte für einen CO2-Fußabdruck haben. Gucken Sie mal, wo das herkommt.“ Deutschlands Marktführer für Fleischersatzprodukte, Rügenwalder Mühle, schreibt dazu auf seiner Internetseite: „Rund 80 Prozent unserer Lebensmittellieferanten kommen aus Deutschland.“ Das Soja stamme nicht aus Südamerika, wo mit dem Sojaanbau ökologische und soziale Probleme verbunden sind, „sondern aus Nordamerika und in wachsendem Maße aus Europa“. Mehrere Biohersteller werben damit, dass sie ihr Soja nur aus Europa bezögen. Der weit überwiegende Teil Sojaimporte wird verfüttert, zum Beispiel an deutsche Schweine, Hühner oder Rinder. Dass tierische Nahrungsmittel wie Fleisch oder Milch in der Regel klimaschädlicher sind als pflanzliche, ist in der Wissenschaft eindeutig.
Auf Anfrage der taz wies Lee den Vorwurf, seine Äußerungen seien rechtsradikal, als „Frechheit“ zurück. „Gerade ich, der zweisprachig aufgewachsen ist und in den 70er und 80er Jahren echt leiden musste unter Diskriminierung als Tornisterkopf und Besatzer und so was.“ Später habe er sich als Polizist „mit den Rechten gekloppt“. Zu seiner Äußerung über Umweltministerin Schulze („dumm wie Brot“) sagte er: „Das ist wahrscheinlich beleidigend. Aber da stehe ich zu.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge